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Die Parkbank ist keine Option

Die Parkbank ist keine Option
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Der dienstälteste Intendant der ARD räumt sein Büro, das einen schönen Blick auf den unversehrten Teil des Stuttgarter Schloßgartens frei gibt. Da könnte einem leicht wehmütig ums Herz werden. Oder? Peter Boudgoust verneint. Nach zwölfeinhalb Jahren hat er genug gesehen.

Immer wieder ist gerätselt worden, warum der SWR-Intendant die Brocken (vorzeitig) hingeschmissen hat. Das macht man doch nicht, mit der oben erwähnten Aussicht, mit 64, einem Jahresgehalt von 338 000 Euro, und, vor allem, wenn die Amtszeit noch dreieinhalb Jahre dauern würde.

Stefan Siller wirft deshalb ein: Gestatten, dass mir das nicht so recht einleuchtet.

Und Boudgoust erläutert: Ich glaube, es wäre keine besonders gute Idee, wenn jemand, mit am Ende 68 Jahren, noch vor hat, den SWR in die digitale Zukunft zu führen. Seine Amtszeit sei doch eine "sehr gedrängte komprimierte Veranstaltung" gewesen.

Logo: Siller fragt

Alle Folgen von "Siller fragt" gibt es hier.

Da schau einer an, da räumt einer ein, die Geschwindigkeit nicht mehr mitgehen zu wollen (oder zu können), fern der Omnipotenz zu sein, und vielleicht noch etwas Besseres vorzuhaben, als von einer Sitzung zur nächsten zu hetzen. Auch wenn sein Fahrer eine Limousine mit dem Kennzeichen S – CL, wie Champions League, bewegt.

Trotzdem: Wie ist das so, wenn am Monatsende Schluss ist? Das drohende Loch, Gartenarbeit, die Ehefrau verstört?

Wie ist das jetzt eigentlich, in den letzten Wochen Ihrer Amtszeit?,  will Siller wissen.

Noch-Chef Boudgoust scheint nahezu gerührt von der Anteilnahme und beruhigt: Sie brauchen keine Sorge zu haben, dass der ehemalige Intendant irgendwann verloren auf einer Parkbank im Schlossgarten zu finden sein wird.

Gesprächspartner Siller könnte nun gemein sein und sagen, dass der Schloßgarten dafür auch kein guter Platz wäre, wegen der S-21-Verwüstungen. Ist er aber nicht, sondern verweist auf die S-21-Berichterstattung des Senders: Ich glaube, da war der SWR nicht bei den Medien, die das Projekt von Anfang an besonders kritisch begleitet hätten. Ja, so kann man’s auch sagen.

Peter Boudgoust. Foto: Joachim E. Röttgers

Peter Boudgoust. Foto: Joachim E. Röttgers

Der kontrollierte Typ

Die große Welle war Boudgousts Sache nicht. Dafür sah sich sein Vorgänger Peter Voß zuständig. Er sei eher der kontrollierte Typ, sagt der SWR-Intendant beim Besuch der Kontext-Redaktion, und so verlief auch seine Vita: Jurist im Regierungspräsidium Stuttgart und im Staatsministerium, Justiziar beim damaligen SDR, später Finanz- und Verwaltungsdirektor im fusionierten SWR, seit 2007 Intendant der zweitgrößten ARD-Anstalt. Seit 2016 ist das CDU-Mitglied Boudgoust auch Präsident des deutsch-französischen TV-Kanals Arte. Diesen Job will er bis 2020 behalten. Am meisten öffentlichen Rumor erzeugte seine Zwangszusammenlegung der Sinfonieorchester von Baden-Baden und Stuttgart. Im Ruhestand kann er sich vorstellen, als „Bürokratie-Scout“ zu helfen, wenn es im Behördendschungel an Orientierung mangelt. Sein Nachfolger ist der Chef der „Tagesschau“, Kai Gniffke, der sein Amt am 1. September antritt. (red)

Da glaubt der Intendant, überraschend, anders. Sie hätten "alle Aspekte" gebracht, erst jüngst untersucht, was die Bahn verspricht und was in Wirklichkeit passiert, womit der Fragende nicht wirklich zufrieden war und persönlich wurde:

Freuen Sie sich auf Stuttgart 21?

Antwort Boudgoust: Ich bin gespannt und noch zwischen Skepsis und Hoffnung hin und her gerissen. Wir haben im Moment …

Siller unterbricht: Woher nehmen Sie Ihre Hoffnung, wenn ich fragen darf?

Antwort: Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass alle Fachleute, die beteiligt waren, völlig daneben lagen.

Siller hält dagegen: Herr Grube als langjähriger Chef der Bahn hat schon vor ein paar Jahren gesagt, er hätt’s nicht nur nicht erfunden, er hätt’s auch nicht gemacht.

O-Ton Boudgoust: Ich meine nicht die Bahnchefs. Ich meine die Ingenieure und Techniker, die mit den Planungen befasst waren. Aber im Moment hat man die furchtbare Phase, dass alles eine Baustelle ist. Ich würde sehr hoffen, wenn der Bahnhof mal tatsächlich fertig gestellt ist, dass die damit einhergehenden Erwartungen erfüllt werden.

Selbige Erwartungen sind bekanntlich unterschiedlicher Natur. Konsensfähiger dürfte sein, was der scheidende SWR-Intendant als öffentlich-rechtliche Botschaft hinterlässt: Mit den Mitteln des Journalismus müssen wir die Menschen in die Lage versetzen, sich ihr eigenes fundiertes Urteil zu bilden. Dass sie nicht bevormundet, aber auch nicht mit irgendwelchen Unwägbarkeiten allein gelassen werden. Wir dürfen Menschen nicht primär als Konsumenten betrachten, auch nicht als schlaue Konsumenten, sondern als Staatsbürger, die selbstbestimmt darüber entscheiden können, wie sie leben wollen. Und das auf der Basis von fundierten Fakten.

Am Ende wünscht Siller noch fröhliches Kofferpacken.


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5 Kommentare verfügbar

  • Philippe Ressing
    am 26.08.2019
    Antworten
    Ein Interview das wichtige Probleme des SWR nicht thematisiert: Der SWR soll mit seinen Programmen das Land abbilden. Schaut man sich die Regionalsendungen im Fernsehen für Baden-Württemberg an, dann herrscht immer noch ein ländlich-betuliches Bild des Südwestens vor. Dabei lebt die Mehrheit in den…
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