Peter Boudgoust (64) ist voller Zuversicht. Seine Ärzte sagen, er sei kerngesund, und seine Medienforschung sieht seinen Sender auf Platz zwei. Gleich hinter der Polizei. Bei der Frage, wer das größte Vertrauen im Land genießt. Das gibt dem SWR-Intendanten die nötige Kraft, bis zum Ende seiner (verkürzten) Amtszeit durchzuhalten. Auch die anderen Werte sind gut. 76 Prozent der Befragten geben an, der Südwestrundfunk sei sein Geld wert. 73 Prozent empfinden die Anstalt als modern und zeitgemäß. Nur bei der Innovation hapert's noch ein wenig. Die liegt bei 55 Prozent. Boudgoust ("Wir müssen groß denken") schließt daraus, dass die "gezielten Angriffe nicht wirken". Er sagt nicht, wen er da genau meint. Es könnte sein, dass er an die Zeitungsverleger oder an PolitikerInnen seiner eigenen Partei (CDU) oder an jene noch weiter rechts draußen ("Staatsfunk") denkt.
Die versammelten Rundfunkräte spenden ihm Beifall, an jenem Freitag, den 22. März, dankbar, dass sie es erstmal hinter sich haben. Die Nominierung der BewerberIn für Boudgousts Nachfolge. Das war, <link https: www.kontextwochenzeitung.de medien rauchzeichen-aus-dem-dschungelcamp-5790.html _blank external-link>wie berichtet, schwierig genug. Ungewohnte Aufmerksamkeit ist ihnen zuteil geworden, ob der Frage, unter wie vielen Kandidaten sie wählen wollten. Unter fünfen oder zweien, was sogleich zu einer Frage der Demokratie erhoben wurde, zumal manchen Leitartikler die Sorge umtrieb, es könnte sich bei den Räten um Marionetten an den Fäden von Strippenziehern handeln, die sich im Heizungskeller des Funkhauses versteckten. Wie weiland Nahostexperte Gerhard Konzelmann, der von der dortigen Kommandozentrale aus die Ölkrise kommentierte.
Der Rundfunkrat ist nicht mehr das, was er einmal war
Nun sind die Strippenzieher nicht völlig verschwunden, aber sie haben's schwerer. Seit vier Jahren, seitdem der Staatsvertrag verlangt, dass weniger Politiker die Gremien bevölkern, ist dort ein buntes Volk von Lobbyisten zugange. Migranten statt Vertriebene, Muslime statt Freikirchen, mehr Frauen als Männer, und viele davon flottieren frei durch die schwarzen, roten, grauen und lila Freundeskreise, in denen früher alles ausgekaspert wurde. Wolfgang Drexler, einst einmal SPD-General und auch S-21-Sprecher, ist der Frontmann des roten Bundes und meint, die parteipolitische Präferenz sei heute nicht mehr entscheidend. Man darf annehmen, dass er das bedauert.
Nach der Sitzung gibt es Kaffee und Kuchen, Stefanie Schneider, die Landessenderdirektorin, ist nominiert, Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-Aktuell, ebenfalls. Bei einer Gegenstimme von Karl Geibel, dem Journalistenvertreter, und vier Enthaltungen, darunter einer von Volker Stich, dem früheren Beamtenlobbyisten, der zuvor das ganze Wahlverfahren kippen wollte. An den Stehtischen wird über Gniffke geredet und über die Vorwürfe, er führe seinen Laden nach Gutsherrenart und erzeuge ein "Klima der Angst". Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied ist da schon nicht mehr dabei. Er eilt zum nächsten Termin. Der anonyme Vorwurf aus Hamburg kommt pünktlich zur Kandidatenkür, und ist offenbar nur eine Wiedervorlage. Aus dem Büro Boudgoust ist zu hören, jener Brief sei schon vor Wochen bei der Intendanz eingegangen und sofort im Papierkorb gelandet. Also alles gut?
9 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 30.04.2019Rückblick ist damit angesagt. So ins Archiv – Jedoch weiter zurück liegend und im Deutschlandfunk Kultur das Archiv "Politisches Feuilleton" angezapft,…