Die Dinge gehen jetzt steil. "Wir trauen uns was", sagt Kai Gniffke, lässt die Haare hoch stehen und die Überschriften hammerhart über die Bildschirme fegen. Heute beginnt die neue Zeit. Heute erfinden wir uns neu. Heute verändern wir die Welt. Wow. Das Licht im Studio B ist rosarot, die Direktoren Stefanie Schneider, Anke Mai und Clemens Bratzler assistieren. Sie halten ihre Mikros fest, der Intendant trägt Headset, kann beide Hände zum Unterstreichen seiner Gedanken nutzen. "Binge-Watching" sei nicht ausgeschlossen, warnt der frühere Chef von ARD-aktuell. Übersetzt heißt das, dass Komaglotzen künftig auch mit SWR-Formaten möglich sein soll.
Es ist Gniffkes erstes Jahrespressegespräch in Stuttgart. Hier verkündet die Anstalt immer, was sie so vor hat im neuen Jahr und worauf wir uns alle freuen sollen. Der Vorgänger im Amt, Christdemokrat Peter Boudgoust, hat dann gerne von Lena Odenthal und ihrem 30-jährigen Dienstjubiläum erzählt, und dass man investigativ, relevant und menschlich sein wolle. Der Nachfolger ist sichtlich hochtouriger, ja geradezu euphorisiert, wenn er berichtet, wie "innovativ, investigativ und lebensnah" der Sender werden wird. Wer’s im Detail wissen will, wird hier bedient.
Der Dreisprung ist zugleich das Motto des Textes für die JournalistInnen, die nun mit Begriffen wie "hammerstolz" und "fluffig" zurecht kommen müssen. Boudgoust war hier zurückhaltender.
Das klassische Fernsehen juckt Gniffke nicht mehr
Aber der Jurist ist weg, vorzeitig in Ruhestand gegangen, überraschend für viele. Seit September 2019 sitzt ein Journalist im schönsten Büro Stuttgarts, mit Blick auf den nicht abgehackten Teil des Schloßgartens, und markiert das baldige Ende des Gewohnten. "Wir produzieren nicht mehr primär für das lineare Fernsehen", betont Gniffke. Wichtig sind dem 59-Jährigen die ARD-Mediathek, die Audiothek, die Social-Media-Plattformen wie Youtube und Instagram, wohin die Programme vorrangig wandern sollen, maßgeschneidert und jederzeit abrufbar, wie es die Jungen heute wünschen. Da will er richtig Geld rein stecken. Ja, "das geht steil", strahlt der einzige Blogger unter den Intendanten, die Zugriffe auf die Mediathek seien seit Oktober 2019 von 65 Millionen auf 87 Millionen pro Monat gestiegen. Und wer hat die Federführung? Der SWR!
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Philippe Ressing
am 18.02.2020