Vielleicht sollte man das Zitat mit etwas weniger freundlichen Grüßen auch mal ins Rheinland schicken. In Köln sitzt bekanntlich der Anwalt Ralf Höcker, dessen Kanzlei auch "Kontext" bekämpft, und zwar dann, wenn es AfD-kritisch wird.
Höckers Rolle: Unter Berufung auf den Rechtsstaat, in dem jede und jeder das Recht auf anwaltliche Vertretung hat, macht er sich zum Werkzeug derjenigen, die systematisch sägen an den Säulen eben dieses Rechtsstaats – nicht nur, aber eben auch am Recht auf freie Meinungsäußerung.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Medienkritik ist nicht nur zulässig, sondern dringend notwendig. Dem pauschalen "Lügenpresse"-Geschrei wird nicht beikommen, wer ebenso pauschal behauptet, im Prinzip sei alles gut. Schon die bloße Existenz von Projekten wie "Kontext" beweist ja, welche Lücken etablierte Medien oft lassen, wenn es um einen von wirtschaftlichen Interessen und eingefahrenen Politik-Netzwerken unabhängigen Journalismus geht.
Gegengift zum toxischen Medienhass der Rechten
Davor dürfen auch Medienleute, die in klassischen Verlagen oder Anstalten arbeiten, die Augen nicht verschließen. Im Gegenteil: Den Ast, auf dem wir sitzen, sägen wir selbst ab, wenn wir meinen, jede härtere Medienkritik in die rechte Schublade stecken und damit abtun zu können. Das Gegengift zum toxischen Medienhass der Rechten kann nicht der Rückzug in die Selbstgewissheit sein, sondern nur der selbstkritische Versuch, durch guten und unabhängigen Journalismus Vertrauen zurückzugewinnen.
Zweite Klarstellung: Es stimmt, im Rechtsstaat haben alle, selbst seine Verächter, ein Recht auf anwaltliche Vertretung zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte. Darauf beruft sich auch der Anwalt Höcker, wenn er Statistiken verbreitet, wonach die AfD unter den "politischen Mandaten" seiner Kanzlei nur den dritten Platz einnimmt, hinter CDU/CSU und SPD. Das soll heißen: Es geht um die Verteidigung des Rechts, das allen zusteht, und nicht um eine bestimmte politische Meinung. Kein Wunder, dass Höcker sich immer wieder gegen Journalisten wehrt, "die versuchen, uns auf unsere wenigen AfD-Mandate zu reduzieren".
Richtig ist: Dass es die Rechte auf Unterlassung, Widerruf und Gegendarstellung gibt, hat sehr gute Gründe, und niemand sollte sie in Frage stellen, wenn sie von den "Falschen" in Anspruch genommen werden. Wer das täte, betriebe ja gerade das Geschäft derjenigen, die den Rechtsstaat für ihre Gesinnungsfreunde reservieren wollen. Und doch geht Höckers Hinweis auf die ehrenvolle Aufgabe des Anwaltsstandes, Rechtsschutz für alle zu gewährleisten, am Problem vorbei. Aus zweierlei Gründen: Erstens ist kein demokratisch gesonnener Rechtsgelehrter gezwungen, Mandate von Rassisten anzunehmen. Es gibt im rechtsextremen Lager genug Juristinnen und Juristen, die das sehr gerne tun. Zweitens, und noch viel wichtiger: Die Strategie, mit der Höcker vorgeht, bewegt sich zumindest an, wenn nicht jenseits der Grenze, an der aus dem Kampf für Persönlichkeitsrechte ein Kampf gegen die freie Presse insgesamt wird.
Höcker macht ja keinen Hehl daraus, dass er es für absolut legitim hält, Journalistinnen und Journalisten zu "drohen": mit absurden Antworten auf Interview-Anfragen, in denen zum Beispiel der vollständige Abdruck bestimmter Zitate verlangt wird. Mit Zwangsgeldforderungen, die einen Angriff auf die Existenz vor allem kleiner Medienprojekte darstellen (aber auch größerer, gespart wird bekanntlich in allen Redaktionen). Insgesamt mit einer Strategie, die Ressourcen aller Art so sehr bindet, dass Zeit und Geld für anständigen Journalismus immer knapper zu werden drohen.
Eine Kanzlei, die Feinde des Rechts vertritt
Sicher freut sich Höcker, wenn er am Ende gewinnt. Aber selbst wenn nicht, hat er engagierten Journalistinnen und Journalisten so viel an Zeit, Geld und Nerven geraubt, dass sie im schlimmsten Fall beim nächsten Mal überlegen werden, ob sie weitermachen.
Vor diesem Hintergrund sollten sich die demokratischen Parteien einmal überlegen, ob sie nicht ihrerseits dafür sorgen möchten, dass Höckers Kanzlei "auf ihre wenigen AfD-Mandate reduziert" wird. Bei aller berechtigten Gegenwehr gegen konkrete Versäumnisse der Medien sollten sie sich nicht von einer Kanzlei vertreten lassen, die auch die Feinde des Rechts vertritt.
Bei der CDU, zumindest bei großen Teilen von ihr, wird ein solcher Appell wahrscheinlich ins Leere gehen. Höcker ist bekanntlich inzwischen Pressesprecher der "Werte-Union", die sich aufführt wie das Scharnier für künftige Verbindungen zwischen CDU und AfD. Sie ist bei ihm als Anwalt so gut aufgehoben wie die "Alternative" von noch weiter rechts. Aber zumindest bei der SPD (Grüne und Linke listet Höcker unter seinen "politischen Mandaten" nicht namentlich auf) könnte man ja mal überlegen, was Sozialdemokraten bei diesem Anwalt zu suchen haben.
3 Kommentare verfügbar
D. Hartmann
am 22.12.2019In BaWü glaubt ein großer Teil der Bevölkerung, dass man nur alle 5 Jahre an einem Sonntag das Kreuz bei den Grünen machen muss, damit alles gut wird. Am Montag fährt man dann wieder mit ihrem/seinem SUV die Kinder zur Schule, zur Arbeit und zum Einkaufszentrum am Stadtrand.
Und…