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Das Presserecht garantiert Journalisten Zugang zu Informationen bei Behörden. Das Informationsfreiheitsgesetz erlaubt auch BürgerInnen kritisches Nachfragen und Akteneinsicht. Nur: zu welchen Preisen? Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis eines freien Journalisten.

Das Monsanto-Pflanzenschutzmittel Glyphosat steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Ich wollte genauer wissen, welche Rolle das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bei der Verlängerung der Genehmigung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels spielte, deshalb beantragte ich als freier Journalist Akteneinsicht in E-Mails, die von den Referaten "Pflanzenschutz", "Landwirtschaftliche Erzeugung" und dem Referat "Nachhaltigkeit" an Monsanto, die Internationale Agentur für Krebsforschung, das Bundeskanzleramt, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und die Europäische Chemikalienagentur versendet wurden und in denen das Wort "Glyphosat" vorkommt.

44 Seiten Aktenkopien übersandte das Ministerium mir auf meinen Antrag hin. Und eine Gebühren-Rechnung über 275,40 Euro. Laut Bescheid für das Durchsehen von 16 Aktenheften, für das Schwärzen von Angaben und für das Wiedereinheften dieser Papiere.

Für große Verlage mag eine solche Gebühr zu vernachlässigen sein. Für freie Journalisten macht sie investigative Recherche extrem teuer, wenn ich mehr wissen will, als die Pressestelle mir – gebührenfrei – gewillt ist, mitzuteilen. Investigative Recherchen sind so kaum noch möglich. Hinzu kommt: Für einen Journalisten, der beispielsweise ein durchschnittliches Honorar von 150 Euro für einen Artikel erhält, wird es unwirtschaftlich, wenn er 300 Euro Gebühren für eine Auskunft zahlen soll, auf der die Geschichte basiert. Das Honorar wird in einem solchen Fall durch die Gebühren zu einem großen Teil oder gar ganz aufgezehrt. Auf eine solche Weise ist eine – grundrechtlich garantierte – Ausübung der Pressefreiheit ebenso wenig möglich wie die Nutzung des Informationsfreiheitsgesetzes im alltäglichen journalistischen Geschäft. Das wissen auch Behörden, die solche Gebührenbescheide ausstellen.

Behörden haben nach dem Pressegesetz die Pflicht, Presseanfragen zu beantworten. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, das es seit 2006 gibt, haben nicht nur JournalistInnen, sondern hat auch jede/r Bürger/in "gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen."

Davon nicht betroffen sind Auskünfte, die negative Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben können, die sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr betreffen oder die Aufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden und solche, die die öffentliche Sicherheit gefährden könnten. Soweit, so gut. Sollten in einer Anfrage Belange von Firmen tangiert werden, muss die betreffende Firma vorher gefragt werden und entscheidet letztlich, ob die Information rausgegeben werden darf oder nicht.

Zu viel für die Portokasse

Eigentlich sollen Gebühren, die bei Auskünften nach dem Informationsfreiheitsgesetz anfallen können, nicht abschreckend sein. Doch Aufwand und Gebührenhöhe stehen hier, auch angesichts des Umstands, dass es sich um eine journalistische Anfrage bei einem Thema von öffentlichem Interesse handelt, in einem Missverhältnis zueinander. Kein freier Journalist, der mit einer Geschichte noch nichts verdient hat, kann 300 Euro mal eben so aus der Portokasse zahlen.

275,40 Euro also, für 44 Seiten.

Kurz nach Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) wurde die "Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz" verabschiedet, die festlegt, wie viel welche Handgriffe zur Bereitstellung von Informationen kosten sollen. "Mündliche und einfache schriftliche Auskünfte auch bei Herausgabe von wenigen Abschriften" kosten nichts. Die "Herausgabe von Abschriften" kostet schon 15 bis 125 Euro. Die "Herausgabe von Abschriften, wenn im Einzelfall ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand zur Zusammenstellung von Unterlagen entsteht, insbesondere wenn zum Schutz öffentlicher oder privater Belange Daten ausgesondert werden müssen" kostet nach der IFG 30 bis 500 Euro. Selbst wer persönlich vorbeikommt und in der entsprechenden Behörde Akteneinsicht nehmen möchte, zahlt bis zu 500 Euro dafür. Beim neuen baden-württembergischen Landesinformationsfreiheitsgesetz gibt es keine Kostendeckelung wie beim Bundes-IFG. Das heißt, dass Gebühren in Höhe von bis zu 10.000 Euro erhoben werden können. Es besteht einzig die Beschränkung, dass die Gebühren nicht abschreckend sein dürfen und besonders hohe Gebühren detailliert begründet werden müssen.

Journalistenverbände liefen Sturm. Manfred Redelfs, Mitinitiator der Kampagne für das Informationsfreiheitsgesetz und damals im Vorstand von Netzwerk Recherche für das Thema Auskunftsrechte, sprach von einer "Gebührenkeule". "Ein Bürgerrecht darf nicht zur Sanierung der öffentlichen Kassen missbraucht werden", sagte er. Michael Konken, damals Bundesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes sprach, von "Abschreckung" und davon, dass freie Journalisten "sich hohe Summen als Rechercheaufwand nicht leisten und auch viele Redaktionen ausufernde Gebühren nicht zahlen können." Auch Petra Pau von der Linken wetterte und forderte niedrigere Preise, etwa für Hartz IV-Empfänger. Die Idee, doch wenigstens von Journalisten und Pressevertretern, denen schon qua Pressegesetz Auskünfte erteilt werden müssen, günstigere oder gar keine Gebühren zu verlangen, setzte sich nicht durch.

Immerhin: Wer sich ungerecht behandelt fühlt, darf sich – umsonst – bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit beschweren. Die Behörde hatte beispielsweise in einem anderen Fall mitgeteilt, dass das Einheften von für Kopien zuvor ausgehefteten Papieren "nicht gebührenpflichtig" sei nach der IFG-Gebührenverordnung.

Kritischer Journalismus wird erschwert

Auf meine Anfrage teilte sie mir mit, sie habe "Bedenken zur Höhe der Gebühren". Sie hält die Vorgehensweise des BMEL für "nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht zulässig". Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sah das anders und wies meinen Widerspruch zurück. Und stellte eine "Gebühr für die Zurückweisung des Widerspruchs" in Höhe von 30 Euro in Rechnung.

Das BMEL lehnte auch meinen Antrag auf Übersendung der E-Mails zum Teil ab – wegen "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit". Im Zusammenhang mit der Verlängerung der Glyphosat-Zulassung seien – zu der Zeit noch – Minister Schmidt "und auch seine Angehörigen erheblich bedroht und beleidigt" worden, so der Bescheid. Auch BMEL-Mitarbeiter, die mit Glyphosat befasst waren, "sahen sich in der Vergangenheit massiven Bedrohungen und Beleidigungen ausgesetzt". Würden die E-Mails übersandt, sei es wahrscheinlich, dass den Betroffenen "erheblicher Schaden" drohe. Auch wegen der "Fürsorgepflicht" des BMEL sei der Informationszugang "zu versagen".

So habe jemand dem Minister Schmidt geschrieben: "'... vielen dank das sie die Bundesbürger vergiften. Sie sollen verrecken, sie schwein', '...ssie Drecksau und ihtre Scshregen', 'Solche Verbrecher wie dich sollte man vergasen. Du dreckiger Hund verrecke!!'" Es sei, so das Ministerium, "nicht ausgeschlossen", dass sich die Mitarbeiter des BMEL "ähnlichen Bedrohungen oder Beleidigungen ausgesetzt" sähen, würden die E-Mails an die Presse herausgegeben. Aha.

Das Bundesinnenministerium verlangte von mir vor einiger Zeit sportliche 630 Euro Gebühren für den Zugang zu Akten mit Informationen darüber, wer Bundesministerien mit Geld- und Sachgeschenken bedacht hat. Zu den Gönnern der Bundesregierung gehören Großkonzerne wie VW ebenso wie Lobbyverbände und Rüstungsfirmen.

Zum Glück konnte ich den Betrag über Crowdfunding einwerben. Doch obwohl ich die Gebühren überwiesen habe, zögerte das Ministerium einen Teil der Antwort immer weiter heraus. Nach sieben Wochen schickte mir das Innenministerium eine CD mit einem undefinierbaren Programm darauf, weitere drei Wochen wartete ich, bis ich die Akten lesbar auf CD erhielt. Und schon mehrfach habe ich eine Anfrage zurückgezogen, weil ich bis zu 500 Euro für eine Auskunft zahlen sollte. So etwa im Fall des Bundesjustizministeriums und des Bundesgerichtshofs für die Herausgabe von Listen zu Sponsoring-Annahmen der beiden Häuser oder im Fall des Bundesverteidigungsministeriums, als ich Zahlen zu und Kopien von Werbeanzeigen haben wollte, die das Ministerium in Printmedien, Radio und TV geschaltet hat.

Nicht anders sieht es beim neuen baden-württembergischen Informationsfreiheitsgesetz aus: Auf der Plattform FragdenStaat.de soll aktuell der Pirat Julian Pascal Beier 738,00 Euro Gebühren für eine Auskunft zu erfolgreichen Studienplatzklagen im Fach Medizin im Wintersemester 2017/2018 an der Universität Heidelberg zahlen. Der Antragsteller Marco Berger beantragte beim Landeskriminalamt Informationen zur "Predictive-Policing"-Software "Precobs" und soll für einen teilweise abgelehnten Antrag 270,75 Euro zahlen. Der IFG-Beauftragte meint, "die Zusammensetzung der Gesamtsumme" sei "nicht ersichtlich" und hat deshalb das LKA "gebeten, diese zu erläutern".

Rechtlich gesehen sind IFG-Gebührensätze so zu bemessen, dass zwischen der dem Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung andererseits ein angemessenes Verhältnis besteht. Ein sogenannter strenger Kostendeckungsgrundsatz gilt im Gebührenrecht nicht. Behörden müssen nicht zwingend kostendeckende Gebühren von einem/r Journalist/in erheben, machen das aber gerne. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen, aber nicht eins zu eins in die Gebührenforderung zu übernehmen. Hieran halten sich Behörden häufig nicht. Sie addieren einfach verschiedene Gebührentatbestände, die sich aus einzelnen Handlungen die zur Bearbeitung eines IFG-Antrages notwendig sind, zu einer hübschen Summe zusammen.

Gisela Rüß aus dem Vorstand von Transparency Deutschland nennt den Umgang der Behörden mit Anfragen wie meiner "eine Fundgrube für Varianten, wie man alte Strukturen beibehält. An erster Stelle stehen Kostenbescheide, die nicht immer mit dem geltenden Recht kompatibel sind oder lange Zeitabläufe, die die eigentliche Absicht ad absurdum führen." Und weiter schreibt sie: "Es gibt gute Gründe dafür, Offenheit zur Regel zu machen und Geheimhaltung zur Ausnahme. Aus dem Informationsrecht des Bürgers sollte eine Informationspflicht für die Verwaltung werden."

Das Problem überhöhter Gebühren trifft freie JournalistInnen, die keine finanzstarke Redaktion im Rücken haben, am stärksten. Doch auch kleine Blätter können sich solch hohe Gebühren kaum leisten. Dadurch entsteht eine absurde Situation: Je mehr Mühe sich ein Journalist mit seiner Recherche macht, desto weniger lohnt sich seine Arbeit für ihn.


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3 Kommentare verfügbar

  • Ruby Tuesday
    am 08.11.2018
    Antworten
    Da hilft wohl nur eins, für Pressemitteilungen und Bildberichterstattung über Politiker, die Anfertigung von Bildern und das Verfassen von Texten ein frei vereinbartes Honorar in Rechnung zu stellen. Mit dem Zusatz, dieser Beitrag enthält Werbeaussagen in Wort und Bild. Etwa bei Preisverleihungen,…
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