Nähern wir uns ganz objektiv den Papier-Produkten, so können wir festhalten, dass die "Süddeutsche" mit Beilagen an starken Wochenenden 505 Gramm wiegt, die "Stuttgarter Nachrichten" 500, die "Stuttgarter Zeitung" 480. Der Preis liegt bei den Münchnern bei 3,60 Euro, billiger ist's bei der StZ (2,10) und den StN (1,90). Prospektbereinigt kommen wir auf 360 Gramm Lesestoff und Anzeigen bei der SZ, und in guten Wochen maximal auf je 300 Gramm bei den StZN.
Gehen wir zurück zum Inhaltlichen: Die "Wissen-Seite" der SZ vom 16. April hat einen Aufmacher, der "Krampfzone" heißt. In Stuttgart wird "Mann, Mann" getitelt, stark gekürzt und dieselbe Illustration verwendet. In den StN wird er mit Grönemeyer auf der Seite eins beworben, in der StZ verweist der längste Tunnel der Welt (nicht Stuttgart 21) auf die Wochenendbeilage. Dass "Mann, Mann" komplett aus München kommt, steht nirgends.
Die hausgemachte Betrachtung der "Familienbande" wird in der Wochenendausgabe vom 7. Mai mit einem ganzseitigen Bild angekündigt, erst auf der zweiten Seite folgt der Text. Viel Platz, wenig Satz. Die StZ geht damit auf die Seite eins, die StN ziehen die neuen Kellner, das "Dinner für Spinner", nach vorne. So viel Unterschied möcht schon sein. Doch publizistischer Mehrwert geht anders. Ärgerlich für die Leser, für die produzierenden Journalisten, für den Medienstandort Stuttgart und für die Vielfalt im Zeitungswesen.
Ein paar Artikel bleiben noch hängen: Krebsraten steigen durch Feinstaub, Ausgabe vom 7. Mai. Potz Blitz, wenn das die Beamten in den Kanzleien und Ministerien studieren, dann kann der krebskranke Staublungenbürger am Neckartor endlich dem OB Kuhn seinen Befund in das Regierungsprogramm husten. Freiwillig natürlich!
Von den Highlights der Reisebeilage ganz zu schweigen. Eine Fotoreportage über ein neues Bilderbuch zu Tschernobyl. Wie? Reisebeilage? Klingt wie Picknick der Brüder Strugatzki am Wegesrand einer verseuchten Zone, die Außerirdische zurückließen als Reiseziel. Mit tickendem Geigerzähler im Gepäck deformierte Tiere mit dem Fernglas beobachten.
Lieber Prinzessin als Lohnarbeiter
Und dann noch ein Werbetext über die neuen Schiffsreisen nach dem sich dem "Westen öffnenden Kuba". Über 50 Wohlstandspassagiere, die sich in einem Hinterhoflokal in Havanna von einem "galanten" Kellner bewirten lassen und voller Begeisterung berichten, dass sie mit so viel gutem Essen nicht gerechnet hatten – "in diesem sozialistischen Einheitsland". Da warten wir als Nächstes auf die einfallenden Sextouristen.
Doch bietet die "Sonntag Aktuell", pardon, das Magazin von "Sonntag Aktuell", auch Neues aus der Region. Für ein paar Euro kann der Kindergeburtstag im Ludwigsburger Schloss gefeiert werden, wo die Kleinen von professionellen Betreuern herausgeputzt und belehrt werden, wie sich "Prinz und Prinzessin benehmen müssen". Spielerisch können sie lernen, wie sich das Leben vor 300 Jahren abgespielt hat. Puh, fanden die Kinder, das sei ganz schön anstrengend. Wie viel besser wäre es, wenn ihnen gleich beigebracht worden wäre, wie anstrengend es für die achtundneunzig Prozent der Bevölkerung ist, diese zwei Prozent Herrscher zu bewirten und zum schlechten Lohn zu beglücken? Der Literaturhinweis zur "Geschichte des Alltags" von Jürgen Kuczynski hätte da geholfen.
Ebenso ein Blick in die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ), die mit einem richtigen Magazin ("Die Woche") auf den Markt gekommen ist. Zwar sind die 3,50 Euro für 74 Seiten zu teuer, aber die Richtung stimmt. Mit nicht zu langer Analyse politischer Themen, mit informativem Hintergrund, mit Menschen, die etwas zu sagen haben, schaffen 20 RedakeurInnen einen Weg, auch ein Publikum unterhalb der Geriatriezone zu gewinnen.
Bleibt die Frage, warum die Stuttgarter Medienholding nicht einen kreativen Mix aus SZ, StZ, StN und dem tollen SZ-Magazin macht? Oder wenigstens eine Reportage der Seite 3 der SZ zum Wochenendbeilagen-Aufmacher? Von allen Artikeln die besten für den Südwesten – das wäre etwas Neues und konsequent. Wirtschaftlich ist doch eh alles eins. Das wäre ein neuer Stuttgarter Weg und nicht der Versuch, mit täglichen und wöchentlichen Dubletten eine Medienvielfalt vorzutäuschen, die keine ist.
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Petra Lepp-Arnold
am 11.05.2016