Warum schafft einer, obwohl er es nicht mehr müsste? Zehn Jahre mehr. Die Rentenjahre hätte er bereits mit 55 beieinander gehabt. Wenn's das Geld nicht ist, muss es wohl eine Mission sein. Oder zumindest die Lust an einer Tätigkeit, die einem sinnvoll erscheint. Nicht jedem ist es schließlich vergönnt, nächtens mit dem Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, kurz vor dessen Tod, über Engel zu diskutieren. Und nicht jeder kann weinende KollegInnen trösten, die in den Zeitungshäusern weggespart werden und nun rätseln, wie sie Familie, Haus und Automobil über die Runden bringen. Früher haben sie von ihren Verlegern noch zinslose Kredite fürs Eigenheim gekriegt, heute einen Tritt in den Hintern.
Mit ziemlicher Sicherheit landen sie im Büro von Gerd Manthey, dem letzten Zimmer im zweiten Stock des Verdi-Hauses an der Stuttgarter Theodor-Heuss-Straße. Anna Hunger hat das einst <link http: www.kontextwochenzeitung.de medien zeit-fuer-zorn-295.html _blank>in Kontext schön beschrieben: Neben Chaos und Kants "Kritik der praktischen Vernunft" liegen zwanzig Quadratzentimeter grüne Plastikwiese mit rosa Blümchen – Kurzzeiturlaub zum Anschauen für einen, der nie welchen macht. Vielleicht auch ein kleiner Lichtblick für seine Besucher, die nur noch schwarzsehen.
Der Kummerkasten steht – mit 150 oder 84 Kilo
Gerhard Alfred Manthey, kurz Gerd, darf das alles. Mal mit 150 Kilo auf den Rippen (Stand heute), mal mit 84 (Stand 2010). Der Kummerkasten steht. Das Höchstgewicht erreicht er während der Streiks, wenn er zusammenhalten will, was kaum noch zusammenzuhalten ist: die Solidarität. Wenn die Zartbitterschokolade sofort ansetzt, das Trimmrad zu Hause ruht und er fünf Bälle gleichzeitig in der Luft halten soll. Als da sind: die Finsterlinge aus den Verlagen, die Ängstlichen in den Redaktionen, die Zauderer des Deutschen Journalistenverbands (DJV), der Kogewerkschaft, der eigene Laden Verdi, der Journalisten für kampfinkompatibel hält, und er selbst, der am nächsten Morgen noch in den Spiegel schauen können will. Am Ende gibt's dann ein oder zwei Prozent mehr Geld, Prügel von den Geknechteten und die Frage, wofür das alles gut war.
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Rolf G. Lehmann
am 24.05.2018