KONTEXT:Wochenzeitung
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Der Chef bin ich

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Fritz Frey, der neue Chefredakteur des Südwestrundfunks, will keine Missverständnisse aufkommen lassen. Im Kontext-Interview stellt er klar, dass er, und sonst kein Anderer, in seinem Beritt das Sagen hat. Mit ihm soll der Sender mutig und beherzt werden und sich nichts gefallen lassen. Erstaunlich: Die Kollegen haben Frey freundlich empfangen.

Herr Frey, was ist passiert? Ein herzliches Willkommen an Ihrer Bürowand?

Da staunen Sie. Das haben mir Stuttgarter Kollegen und Kolleginnen zum Einstieg geschenkt. Und sie haben mir alle Sendungen darüber gehängt, für die ich zuständig bin. Das fand ich ganz wunderbar. Eine schöne Geste, die wohl sagen soll: Junge, lerne schnell, das ist dein Job.

Ein herzliches Willkommen dem Mainzer Standortextremisten. Das verwundert in der Tat.

Von dem Titel habe ich auch schon gehört, aber er ist falsch. Mein Hauptjob ist, dieses Standortdenken zu überwinden. Wir müssen die drei Standorte in Stuttgart, Mainz und Baden-Baden zusammenschmieden, und das heißt nichts anderes als anständig und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Es würde nichts helfen, wenn ich der geniale Journalist wäre, aber kein Klima schaffen könnte, in dem die Leute sagen: Ja, da mache ich mit. Das geht nur mit reden, reden und nochmals reden, oder anders gesagt: Ich muss mir einen Wolf kommunizieren.

Das sagt einer, der die Frösche nicht fragt, wenn er einen Sumpf trocken legen will.

Ich weiß, dass ich das einmal gesagt habe. Ich neige bisweilen zu Flapsigkeiten. Aber das ist nicht mein Führungsstil. Wichtig ist mir, dass die Mitarbeiter wissen, woran sie bei mir sind. Das heißt, dass ich Klartext rede, meine Entscheidungen transparent und nachvollziehbar mache und mich daran messen lasse. Sie werden in Mainz wahrscheinlich niemanden finden, der mich einen autoritären Sack nennt. Und in Stuttgart habe ich sogar noch einen Blumenstrauß zum Amtsantritt gekriegt. Der steht dort auf dem Schreibtisch.

Ziemlich klein.

Ein bescheidener, öffentlich-rechtlicher eben.

Sie werden ständig zwischen Mainz und Stuttgart pendeln. Die Gabe der Allgegenwart haben auch Sie nicht.

Ich arbeite daran. Das Problem ist mir bewusst, aber ich muss es bewältigen. Ich werde die eine Hälfte der Woche in Stuttgart sitzen, die andere in Mainz. Der ähnlich gelagerte NDR schafft es im Übrigen auch mit einem Chefredakteur Andreas Cichowicz. Außerdem ist Bahnfahren Arbeitszeit und Videokonferenzen sind mir auch nicht fremd. Aber keine Sorge, die Kollegen werden mich auch noch in der Kantine antreffen.

Wenn Sie nicht gerade in den Vorbereitungen für "Report Mainz" stecken.

Ich bin nicht Journalist geworden, nur um Reiseanträge und Überstundenzettel abzuzeichnen. Ich will mir die Nabelschnur zum Journalismus erhalten und stelle mich mit "Report Mainz" auch in den Wind. Aus dieser Position kann ich Kollegen glaubwürdiger kritisieren, weil sie wissen, der Mann kennt das, wenn er im Studio steht und zwei Beiträge abschmieren. Im Fußball gibt es dafür den Begriff des Spielertrainers.

Häufige Kommentare in den ARD-Tagesthemen möchten dann schon auch noch sein.

Die muss nicht alle ich sprechen. Aber für den SWR ist hier noch Luft nach oben. Ich möchte, dass die Stimme des SWR im ARD-Konzert deutlicher zu hören ist.

Sprechen Sie doch kurz einen Kommentar zur Ukraine.

Ich bin kein Freund schneller Kommentare, ich denke gerne vom Ende her. Von mir würden Sie weder ein Putin-Bashing noch ein Putin-Verstehen hören. Ich hätte viele Fragen zu stellen, zum Beispiel, warum am ukrainischen Verhandlungstisch echte Faschisten sitzen? Die Kollegen von "Panorama" haben dazu ein klasse Stück geliefert.

Welche Rolle spielt die Eitelkeit in ihrem Job?

Jeder Fernsehmensch, der behauptet, nicht eitel zu sein, lügt Ihnen die Hucke voll. Allerdings finden es meine Töchter witziger als ich, wenn ich auf der Straße erkannt werde.

Wie wichtig ist Ihnen die Weste als Markenzeichen?

Ich hatte schon als Student ein Faible für Westen. Als wir bei "Report Mainz" eine neue Deko entwickelt haben, fanden wir, dass das Studio Arbeitsatmosphäre vermitteln soll. Also, was passt besser, als ein Moderator mit aufgekrempelten Ärmeln und Weste? Aber keine Bange, ich lasse hier nicht zum Westles-Appell antreten.

Wenn Sie gerade in Mainz mit der Weste sitzen und in Stuttgart brennt der Kittel - wer entscheidet?

Der Chefredakteur Frey.

Aber da sitzt doch auch der ambitionierte Kollege Clemens Bratzler.

Clemens Bratzler ist mein Stellvertreter in Stuttgart, Birgitta Weber meine Stellvertreterin in Mainz. Um es klar zu sagen: Wenn ich nicht in Stuttgart bin, dann bin ich trotzdem der Chefredakteur und umgekehrt gilt das auch für Mainz. Herr Bratzler und Frau Weber vertreten mich, wenn ich im Urlaub oder krank bin.

Beide sind also weisungsgebunden.

Wenn Sie so zugespitzt fragen: Im Rahmen des kollegialen Miteinanders: Ja.

Wir fragen nach, weil sich hartnäckig die politische Botschaft hält, ein schwarzer Frey müsste von einem angegrünten Bratzler bewacht werden. 

Ja, ja, auf welchem Ticket reist der Frey? Die Geschichte geht so: Ich habe in Marburg Politik studiert, da lag sofort der DKP-Ruf in der Luft. Danach habe ich für die taz geschrieben, also links-alternativ. Später wurde ich Referent bei ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser, der der SPD zugerechnet wurde. Also Sozi. 

Und dann kam Peter Voß, der CDU-Nahesteher.

Er hat mich zum Südwestfunk nach Baden-Baden geholt. Das hat sicher viele irritiert, weil sie sich gesagt haben: Wenn Voß einen abwirbt, dann muss der rabenschwarz sein. Und wenn der dann noch mit Bernhard Nellessen (ehemaliger TV-Direktor und Voß-Zögling - d. Red.) kann, dann muss der Frey schwärzer sein als schwarz.

Und was ist jetzt?

Voß hat womöglich gedacht, es könne dem SWF nicht schaden, einen anders gebrandeten Mitarbeiter im Haus zu haben. Einen, der sein Handwerk versteht, den Job ordentlich macht und nicht ständig in irgendwelchen Staatskanzleien rumhängt. Und er wusste einfach, wie er mich ködern konnte. Mit einem Job bei dem politischen Magazin "Report Baden-Baden". Ich habe es aufgegeben, mir über diese Parteitickets einen Kopf zu machen.

Sie sehen sich als unabhängigen Kopf, der keiner Regierung den roten Teppich auslegen muss?

Es ist doch so: Nichts ist langweiliger als Berechenbarkeit. Ich versuche, für aufklärenden, hintergründigen und investigativen Journalismus zu stehen. Hier müssen wir zulegen. In der Politik, gleich welcher Couleur, und in der Wirtschaft. Und was auch keine Selbstverständlichkeit ist: Intendant Peter Boudgoust fordert dazu auf. Ich muss Ihnen nicht erzählen, wie viel Ärger man sich damit einhandeln kann, wenn man von Heckler & Koch bis zur Geflügelmarke Wiesenhof alles durchleuchtet.

Da freuen wir uns schon auf eine grundkritische Berichterstattung über Stuttgart 21.

Von mir aus gerne, ich will aber die Gelegenheit nutzen, um darauf hinzuweisen, dass die Landesnachrichten bei den Landessenderdirektorinnen in Stuttgart und Mainz angesiedelt sind, anders wäre das nicht steuer- und beherrschbar. Als Einzelperson kriegen Sie das an zwei Plätzen nicht hin. Ich bin zunächst einmal dafür zuständig, was der SWR der ARD zuliefert.

Eine kommode Ausgangslage. Tagesschau, Tagesthemen, Weltspiegel - alles ganz honorig und keine Fasnet in Rottweil.

Ich will Ihnen von einem wagemutigen Experiment erzählen. Von der Verdoppelung der Nachrichten vor der Tagesschau, von den "Tagesthemen für das Land", der "Landesschau aktuell" von 19.30 bis 20 Uhr, die am 3. November starten wird.

Oh Gott, ein Glück für Sie, dafür nicht zuständig zu sein. Davor fürchten sich selbst Kollegen, die sie produzieren sollen.

Nein, welch' ein Pech. Das Baby hätte ich gerne mit zum Laufen gebracht, schließlich habe ich ja auch dabei geholfen, es auf die Welt zu bringen. Ursprünglich habe ich gesagt, Leute, wir haben doch ganz andere Baustellen. Nicht die Nachrichten, da sind wir ein verlässlicher Anbieter. Ich habe mich dann aber von Heiner Backensfeld (Hauptabteilung Programm-Management - d. Red.) überzeugen lassen, dass wir mit unseren 15 Minuten Landesnachrichten im ARD-Vergleich unterbelichtet sind. Die anderen bieten mehr.

Backensfeld gilt als einer, der am liebsten Rankings macht: die schönsten Schlösser Hessens.

Keine Sorge, das wird keine Hessenshow auf dem Boulevard. Backensfeld hat hier für ein breiteres Informationsangebot plädiert, und daraufhin habe ich mich mit ein paar Kollegen hingesetzt und nachgedacht. Wir schlagen mit den kleinen Tagesthemen zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen können wir in Beiträgen, die nicht mehr nur 1.30, sondern drei bis vier Minuten lang sind, den Zuschauern ihre Welt besser erklären. Zum anderen können wir die klassische Nachrichtensendung aufmöbeln, die sich nicht mehr darin erschöpft, dass ein Sprecher kurze Texte vorträgt. Dieter Fritz und Stephanie Haiber sind für diese Moderation in Baden-Württemberg gesetzt, Sascha Becker in Rheinland-Pfalz.

Sie glauben ernsthaft, dass Rheinland-Pfalz eine halbe Stunde täglich füllen kann?

Die dortigen Politiker regen sich gelegentlich über die baden-württembergische Präsenz in der Tagesschau auf. Ich habe ihnen gesagt: Planen Sie einen Bahnhof wie in Stuttgart. Dann bringen wir sie ganz groß raus, darauf Brief und Siegel. Im Ernst: Wir haben Flaschendrehen gespielt, den Tag gewählt, an dem sie stehen geblieben ist und geguckt, wie wir ihn gefüllt hätten. Es hat jedes Mal funktioniert.

Zum Schluss zitieren wir noch Ihren Fernsehdirektor Christoph Hauser aus einem Kontext-Interview: "Der SWR hat kein klares Profil, keine klare Programmierung, zu viel Fiktion und zu wenig Regionalität".

Richtig ist, dass wir daran arbeiten müssen, eine moderne Regionalität im Programm tagtäglich umzusetzen. Das kann für den Südwesten nur der SWR leisten. Für meinen Beritt kann ich hinzufügen: Wenn der Zuschauer uns als verlässliche, auf der Höhe der Zeit agierende Informationsquelle wahrnimmt, bin ich als Chefredakteur zufrieden. Wenn sie dann noch sagen: Die sind mutig, die sind beherzt, die lassen sich nix gefallen - umso besser.

Fritz Frey, 55, ist seit 1. August 2014 alleiniger TV-Chefredakteur des Südwestrundfunks (SWR). Zuvor hat sich die öffentlich-rechtliche Anstalt zwei geleistet: Frey in Mainz und Michael Zeiß in Stuttgart. Nachdem Zeiß in Ruhestand gegangen ist, nutzte Intendant Peter Boudgoust die Chance, die Zeit des doppelten Lottchens zu beenden. In der ARD hatte diese Konstellation immer wieder für Verwirrung gesorgt, was der zweitgrößten Anstalt im Ersten nicht gut getan hat. Ergo soll Frey jetzt die machtvolle SWR-Stimme in der ARD abgeben. Zu diesem Zweck verantwortet er alle Sendungen, die der SWR zuliefert. Zugleich ist der gebürtige Rüsselsheimer stellvertretender Fernsehdirektor und bleibt Moderator von „Report Mainz“, der ihn bekannt gemacht hat. Frey ist verheiratet und hat drei Töchter.   


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6 Kommentare verfügbar

  • Ulrich Frank
    am 07.09.2014
    Antworten
    Die Botschaft des Herrn Frey hört man wohl, alleine sind es (die sehr zutreffenden Kommentare hier aufgreifend) wahre Worte oder Wörter, Wörter, Wörter"?

    Die Auskünfte des zukünftigen Chefredakteurs sind eigenartig diffus und ausweichend. Z.B.: "Von mir aus gerne [d.h. "grundkritische…
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Ausgabe 459 / Grüne Anfänge mit braunen Splittern / Udo Baumann / vor 1 Tag 13 Stunden
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