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"Blackbird"

Schöner sterben

"Blackbird": Schöner sterben
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In Roger Michells starbesetztem Film "Blackbird" – Susan Sarandon! Kate Winslet! – verbringt eine todkranke Frau ein letztes Wochenende mit ihrer Familie. Großes Drama?

Das muss man erst mal schaffen: Den "Notting Hill"-Regisseur Roger Michell anzuheuern und ihn mit großartigen Schauspielerinnen wie Susan Sarandon, Kate Winslet und Mia Wasikowska ein Drama inszenieren zu lassen. Drei Generationen von Hollywood-Schauspielerinnen sind da am Werk: Sarandon, die sich als naive junge Frau in der "Rocky Horror Picture Show" (1975) das Spießerkorsett aufschnüren ließ, die als zornige Rebellin in "Thelma & Louise" (1991) zu einer Ikone der Emanzipation wurde und die sich mit engagierten Filmen wie "Dead Man Walking" (1995) als liberale Institution etablierte; Winslet, der mit einem Untergang ("Titanic", 1997) der Aufstieg zum Weltstar gelang und die ihr Können mit Filmen wie "Zeiten des Aufruhrs" (2008) oder "Gott des Gemetzels" (2011) immer wieder bestätigte; und Wasikowska, die Jüngste des Trios, die aber nicht nur in Literaturverfilmungen wie "Jane Eyre" (2011) oder "Madame Bovary" (2014) schon früh bemerkenswerte darstellerische Reife zeigte.

Ja, das muss man erst mal schaffen, mit solch einem Ensemble einen derart mittelmäßigen, - ach was, man muss es deutlich sagen - einen derart schlechten Film zu drehen! Nein, es nützt ja nichts, so wie es einige Kritiken versuchen, zumindest die DarstellerInnen zu loben und sie sozusagen vom Film selbst zu separieren. In diesem Drama, in dem die schwerkranke Lily (Sarandon) ihre Familie zu einem Abschiedswochenende einlädt, verpuffen alle schauspielerischen Bemühungen in den klinisch-sterilen Räumen eines riesigen Landhauses. So licht und glatt und aufgeräumt sieht es da aus, als wäre alles vorbereitet für den Fotografen eines Oberklasse-Schöner-Wohnen-Magazins. Und die Probleme, die hier viel Platz haben, sich zu entfalten, entfalten sich nun quasi nach Vorschrift.

Im Koma des guten Geschmacks

Zu den Charakteren! Äh. Zu was? Hier reichen ein oder zwei groß herausgestellte Eigenschaften, um Charaktere zu simulieren. Die ältere Tochter Jennifer (Winslet) ist eine frustrierte Streberin mit einem ihr ergebenen Mann (Rainn Wilson) und einem halbwüchsigen Sohn (Anson Boon), dessen großes Aufmucken darin besteht, vor versammelter Familie zu verkünden, er wolle – huch! – Schauspieler werden. Die jüngere, auf Jennifer eifersüchtige und bipolare Tochter Anna (Wasikowska) kreuzt mit patenter Partnerin auf (Bex Taylor-Klaus mit Kurzhaarfrisur und Stiefeln), womit auch schon die neuen Oscar-Diversity-Regeln erfüllt wären. Und dann sitzt auf den riesigen Sofalandschaften noch Lilys beste Freundin Liz (Lindsay Duncan) herum – auch mal mit einem hippe Vergangenheit signalisierenden Led-Zeppelin-Shirt –, die nach einer guten Stunde kurz die Zankapfel-Rolle übernimmt. Weil das Drama da nämlich kurz davor ist, ins Koma des guten Geschmacks zu fallen.

Jeder in der Familie weiß, dass Lily nach diesem Wochenende ihr Sterben in die eigene Hand nehmen und einen Medikamentencocktail leeren wird, bereitet von ihrem fürsorglichen (und einen schönen Pullover tragenden) Mann Paul (Sam Neill), der praktischerweise auch noch Arzt ist. Vorerst aber trinkt Lily Wein ("Ich kapituliere vor Chablis!"), und wenn sie mal das Glas fallen lässt, führt das zu einer Vorführung betretenen Schauens und Schweigens. Ach, ist das ein behutsames Stücklein, kein Stäubchen kann es stören! Anders gesagt: Der Dreck des echten Lebens hat hier keinen Platz. (Wobei sich die Frage stellt: Wer räumt in diesen heiligen Hallen eigentlich auf? Bedienstete jedenfalls sind nie zu sehen.) Jene Familiendramen, wie sie mal von Tennessee Williams oder Eugene O'Neill durchgespielt wurden (von Ibsen gar nicht zu reden), sind hier auf einer Schwundstufe angekommen, die man fast als Fake bezeichnen könnte.

Dann hat Lily noch den Einfall, statt Thanksgiving schon Weihnachten zu feiern! Und die Familie nimmt das so ernst wie der Film. Also hurtig einen Baum gefällt (Achtung: Hexenschuss!) und dekoriert, ein Dinner arrangiert und Lilys Geschenke ausgepackt. Was zu forcierter Heiterkeit führt, wenn die verklemmte Jennifer einen roten Dildo erhält, und zu Tränen, wenn Armreife oder Eheringe verteilt werden. Es wird in "Blackbird – Eine Familiengeschichte" (übrigens das Remake eines dänischen Films von Bille August) auch Charade vor Kaminfeuer gespielt, ja, es wird sogar gekifft (Mama Lily hat natürlich den besten Shit!), wobei auch Jennifer zum Zug kommt. Zu Anne sagt Lily, als sie sich umarmen: "Es hätte mich so glücklich gemacht, wenn ich mich hätte um dich sorgen können!" Und zu ihrem zutraulichen Enkel: "Der Trick ist: Du tauchst einfach auf und gibst dem Leben deinen besten Versuch!" So ähnlich hätte es früher auch Reader's Digest formuliert.

Aber wie gesagt: Nach einer Stunde wird es ernst, da könnte diese Sterbeidylle durch ein sehr aufgesetzt wirkendes Missverständnis in sich zusammenbrechen! Und tut es dann natürlich nicht, so dass die letzten Bilder wieder jene Melancholie zelebrieren können, die sich visuell mit Zwischenschnitten auf dämmrige Himmel und akustisch mit Cello-Klang und Klaviergetröpfel durch den ganzen Film hindurchzieht. Das Licht erlöscht in einem luxuriösen Landhaus an der Ostküste der USA. Es wird einsam und leer. Und auf einmal wirkt dies, vom Film unbeabsichtigt, wie ein Sinnbild: Dieses Haus ist der letzte Rückzugsraum für eine sich liberal und aufgeklärt gebende und sehr wohlhabende Mittelschicht, die den Kontakt zu dem verloren hat, was man als Gesellschaft bezeichnet – und jetzt nur noch um sich selber kreist.


Roger Michells "Blackbird" kommt am Donnerstag, 24. September in die deutschen Kinos. Welche Spielstätte den Film in Ihrer Nähe zeigt, sehen Sie hier.


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