"Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau!", heißt es imperativ im Manifest von Walter Gropius zur Eröffnung des Staatlichen Bauhauses Weimar. Und weiter schreibt Gropius' in seiner programmatischen Schrift zu "Idee und Aufbau des Bauhauses": "Jede bindende Einstellung auf irgendeine Stilbewegung wird bewusst vermieden."
Noch deutlicher wird der Architekt 1930, zwei Jahre nach seinem Rücktritt als Bauhaus-Direktor: "Das Ziel des Bauhauses war kein 'Stil', kein System oder Dogma, kein Rezept und keine Mode! Es wirkte lebendig, weil es nicht an der Form hing, sondern hinter der wandelbaren Form das Fluidum des Lebens selbst suchte." Dann wird die Rhetorik militärisch und pathetisch: "Als erstes Institut in der Welt hat das Bauhaus gewagt, diese antiakademische Geisteshaltung schulisch zu verankern, um seine Ideen zum Siege zu führen, die wache Lebendigkeit seiner Kampfgemeinschaft zu erhalten, in der allein sich Fantasie und Wirklichkeit durchdringen können." Ein 'Bauhausstil' wäre hingegen "ein Rückschlag in die akademische Stagnation, in den lebensfeindlichen Trägheitszustand, zu dessen Bekämpfung das Bauhaus einst ins Leben gerufen wurde. Vor diesem Tod möge das Bauhaus bewahrt bleiben!"
Totgesagte leben länger, heißt es. Und wie die Figuren eines Computerspiels ist das Bauhaus schon eine Reihe von Toden gestorben. 1925 musste die Hochschule in Weimar schließen. Nach dem Ende in Dessau 1932 blieben ihr nur noch wenige Monate als Privateinrichtung in Berlin. Nach dem Krieg wollte die Ulmer Hochschule für Gestaltung den Bauhaus-Gedanken wiederbeleben. 1968 wurde sie von der konservativen Landesregierung geschlossen. Stattdessen gründete sich 1960 der gleichnamige Baumarkt.
Fremde Federn schmücken
Nun aber ist das Bauhaus plötzlich wieder quicklebendig – auch dort, wo es niemals war. "100 jahre bauhaus lädt zu einer deutschlandweiten Entdeckungsreise ein", verkündet die Website www.bauhaus100.de. "Das Bauhaus findet man nur in Berlin, Dessau oder Weimar?", fragt eine <link https: www.grandtourdermoderne.de orte external-link-new-window>zusätzliche Seite zur "Grand Tour der Moderne". Die Antwort: "Keineswegs! In ganz Deutschland gibt es herausragende Orte des Bauhauses und der Moderne." Und im Handumdrehen ist alles, was modern ist, irgendwie auch Bauhaus.
In der Realität haben von den über 100 aufgeführten Orten allerdings nur die wenigsten etwas mit dem Bauhaus zu tun: wie in Stuttgart die Neue Staatsgalerie von James Stirling, die Milchbar von Rolf Gutbrod im Killesbergpark und die Hochhäuser Romeo und Julia von Hans Scharoun, die alle erst aus der Nachkriegszeit stammen. Oder die beiden Le-Corbusier-Häuser der Weißenhof-Siedlung: Corbusier war nie am Bauhaus, wie alle anderen Weißenhof-Architekten mit Ausnahme von Gropius, der für die Siedlung nur ein kleines Haus entwarf, das heute nicht mehr erhalten ist. Ludwig Mies van der Rohe wurde erst drei Jahre später zum Bauhaus-Direktor berufen: auch aufgrund des guten Namens, den er sich mit der Weißenhof-Siedlung erworben hatte.
3 Kommentare verfügbar
Philippe Ressing
am 17.02.2019