"Zur Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt ist alles gesagt", resümiert Stephan Trüby im Gespräch mit Kontext. Im früheren Kern der im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstörten Frankfurter Altstadt erhob sich seit 1974 das Technische Rathaus, ein langer Betonklotz. Ab 2004 wurden verschiedene Varianten diskutiert, vom Umbau bis zur kleinteiligen Bebauung. Schließlich entschied sich der Gemeinderat mit großer Mehrheit für eine Mischung aus rekonstruierten historischen Gebäuden und an historische Formen angelehnte Neubauten. Im Mai wurde die neue Altstadt, auch Dom-Römer-Projekt genannt, eröffnet.
Als Trüby im April in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) schrieb, die erste Initiative sei von dem völkischen Architekturtheoretiker Claus Wolfschlag und dem rechtspopulistischen Kommunalpolitiker Wolfgang Hübner ausgegangen, löste er damit ein bundesweites Echo in allen größeren Tageszeitungen aus. Zu diesem Zeitpunkt leitete er erst seit wenigen Tagen das Institut für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGMA) in Stuttgart. Wie kommt ein frisch gebackener Architekturtheorie-Professor dazu, sich mit der neuen Rechten zu beschäftigen?
Trüby ist im katholisch geprägten Wernau in einer Architektenfamilie aufgewachsen. Sein Vater arbeitete am Stuttgarter Hochbauamt. Sein Onkel, Gerold Reutter, in dessen Büro Stephan Trübys Architekten-Laufbahn begann, hat zwei kostengünstige Fertigbau-Systeme für Kirchen katholischer Ost-Vertriebener entwickelt. Trüby hat durchgerechnet: Über hundert Kirchen hat sein Onkel erbaut. Im engsten Familienkreis finden sich zehn Architektinnen und Architekten. Dass er auch etwas anderes hätte werden können, dieser Gedanke sei ihm erst spät gekommen.
Er studierte Architektur in Stuttgart und landete gleich im ersten Semester in einer Vorlesung von Jürgen Joedicke. Das Institut für Grundlagen moderner Architektur (IGMA), dem er heute vorsteht, hat Joedicke vor fünfzig Jahren gegründet – und zugleich mit Günter Behnisch und Frei Otto den Ideenwettbewerb für das Münchner Olympiagelände gewonnen. In seiner Habilitation hatte sich Joedicke mit der Geschichte der modernen Architektur beschäftigt. Doch eine Erfolgsgeschichte des Neuen Bauens reichte ihm nicht. Er wollte zu einem tieferen Verständnis gelangen. Das IGMA richtete sich "gegen die Theoriefeindlichkeit der dogmatisch erstarrten Moderne".
Das IGMA war das erste Institut für Architekturtheorie in Deutschland. "Wir bereiten gerade die 50-Jahr-Feierlichkeiten vor", erzählt Trüby, der auch den zeitweise vernachlässigten Bereich der Entwurfslehre am Institut wieder stärken möchte. "Wir haben realisiert, dass der Schönheitsbegriff jetzt endgültig bei den Konservativen bis Rechtskonservativen gelandet ist", meint er, und bietet daher ein Entwurfs-Seminar zu diesem Thema an.
Nach dem zweiten Teil seines Studiums in London kam Trüby als wissenschaftlicher Mitarbeiter ans IGMA zurück. 2007 erhielt er eine Gastprofessur an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Karlsruhe. Er schrieb dort seine Doktorarbeit über den "missliebigen Raum" des Korridors: "Im Architekturstudium lernt man als erstes, Korridore zu vermeiden." Durch die Dissertation wurde Rem Kolhaas auf ihn aufmerksam. So kam er nach Harvard und zur Mitarbeit an der Architekturbiennale Venedig 2014. Von da an, und bis zu seiner Berufung nach Stuttgart, lehrte er als Assistenzprofessor in München.
Gefährlich wie Benzin auf der Straße
Mit dem Problem der neuen Rechten begann Trüby sich noch im Kontext seiner Doktorarbeit in Karlsruhe zu beschäftigen, als er feststellten musste, dass der Herausgeber der Buchreihe "HfG-Schriften", in der er selbst publiziert hatte, Marc Jongen war. Der war zwei Jahre zuvor in die AfD eingetreten, als Mitglied des Vorstands und damals stellvertretender Sprecher des Landesverbands.
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Andre
am 01.07.2019Der Palast der Republik war Funktionsarchitektur. Fernsehstudio,…