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Super League im Fußball

Das dreckige Dutzend

Super League im Fußball: Das dreckige Dutzend
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Was war das für eine Aufregung im europäischen Fußball: Zwölf Großclubs wollen eine eigene Liga, scheitern scheinbar kläglich – und kriegen doch, was sie wollen. Was für ein Schmierentheater.

Natürlich werden sie wieder kommen, die 12 bis 15 europäischen Großclubs des Männerfußballs. Sie werden wieder kommen, um erneut mehr Geld für sich herauszupressen aus der Zitrone, die der Profifußball nun mal ist. Da kann Real Madrid-Präsident Florentino Pérez noch so bekümmert behaupten, die TV-Gelder würden sinken. Da können unsere deutschen Helden der FC Bayern und Borussia Dortmund in personam Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke noch so solidarisch betonen, man werde da nicht mitmachen. Vor allem, weil jetzt auch Player wie z.B. Amazon am Start sind, die aus der Portokasse Summen bezahlen, die noch vor Kurzem unvorstellbar gewesen wären. Und solange es da noch raustropft aus dieser Profifußball-Zitrone, so lange pressen alle, so feste sie können. Denn beim Geld hört nicht nur der Spaß auf, sondern auch die Solidarität.

Die Champions League als real existierendes Premium-Format des europäischen Clubfußballs langweilt mich allerdings schon länger. Neulich, Bayern gegen Paris Saint Germain, ein tolles Spiel, eines der besten seit langem – 80. Minute unter erstaunt fragenden Blicken der Familie ins Bett gegangen, noch was gelesen. Ob’s am Alter liegt? Ob die um 15 Minuten auf 21 Uhr nach hinten geschobene Anstoßzeit den Unterschied macht? Oder dass man wegen der Pandemie die Spiele nicht mehr zum Vorwand nehmen kann, mit den Jungs in der Kneipe auch unterwöchig die Schnapsrunden fliegen zu lassen?

Ich glaube eher, es ist die Tatsache, dass quasi jeden Tag Fußball kommt, jeden Tag irgendwelche Super-Weltclubs gegeneinander spielen. So viel kann ja keiner saufen. Und je mehr davon kommt, umso weniger interessiert es mich. Eigentlich interessiert mich nur noch, wie mein eigener Club spielt, der VfB. Wenn die mal wieder international spielen täten, dann würde ich mir das wohl anschauen. Wahrscheinlich sogar in der neuen UEFA Conference League. Was wiederum ein Teil des Problems ist. Denn wenn die Leute das Zeug weiter im Fernsehen anschauen, dann kann man da auch bezahlte Werbung schalten, dann kann die TV-Kohle weiter fließen, und alle verdienen dran. Amazon und Co haben so viel Geld, denen kann es erstmal sogar egal sein, ob sie was damit verdienen. Kompliziert also...

Es geht um Geld, Geld, Geld

Die jüngste Attacke der großen Clubs gegen die UEFA, der vermeintliche Zusammenschluss zu einer eigenen europäischen Super League jenseits des Verbandes, ist der letzte in einer Reihe etlicher Testballone, die in den vergangenen Jahren aufgestiegen sind. Immer mit dem Ziel, mittels Andeutungen und kaum verhohlener Drohungen den europäischen Fußballverband UEFA auf Linie und mehr Geld in die eigenen Kassen zu bringen. So ist auch die Idee einer europäischen Super League nichts Neues – nur die Konkretheit des Vorpreschens war überraschend, war diesmal anders, war scheinbar mehr als nur eine Drohung.

Das klägliche Scheitern der Superliga nur wenige Stunden nach ihrem kommunizierten Kick Off inklusive kleinlauter öffentlicher Entschuldigungen der Hauptakteure sollten allerdings nur diejenigen bejubeln, die immer noch an das Gute im Fußballfunktionär glauben und die UEFA mitsamt Watzke und Rummenigge für die Retter des echten, ehrlichen Fußballs halten. Denn unterm Strich haben die Bosse aus Madrid, Mailand, Manchester und Co trotzdem erreicht, was sie wollten, die UEFA hat eine Reform der Champions League und weiterer Wettbewerbe beschlossen. Es gibt ab 2024 noch mehr Spiele, also kommt für alle Beteiligten noch mehr Geld herein.

Und sogar das Reglement konnten sie zu ihren Gunsten ändern – im reformierten Modus kann man selbst dann dabei sein, wenn man sich gar nicht über den nationalen Wettbewerb, also z.B. die italienische Serie A oder die deutsche Bundesliga qualifiziert hat. Denn zukünftig gibt es auch Startplätze aufgrund vergangener Meriten, wie schön. Eigentlich kann man sich als europäischer Top-15-Club gar nicht mehr nicht qualifizieren für die Champions League. Damit ist der reformierte UEFA-Wettbewerb nur unwesentlich anders als das, was die Clubs als ihre eigene Super League geplant hatten – genauso wie die Unterschiede zwischen UEFA und den revoltierenden Clubs in Sachen pathologischer Geldgeilheit, Größenwahn und moralischer Verkommenheit als höchstens marginal angenommen werden sollten.

Die Demut heuchelnden öffentlichen Entschuldigungen spult man als Boss eines Weltclubs und als echter Soziopath locker ab, vielleicht glaubt man in dem Moment sogar selbst, was man da sagt. Vielleicht glaubt sogar Dr. Michael Gerlinger, Direktor Recht beim FC Bayern München und seit letzter Woche neuer Vice Chairman der Europäischen Club-Vereinigung ECA, dass die Bayern und alle anderen ca. 240 ECA-Mitglieder überhaupt nichts mitbekommen hätten von den Revolutionsplänen der zwölf Großclubs. Zumindest behauptete er solches im Interview beim kicker Sportmagazin. Und dass man für ein paar Stunden Prügel bezogen hat, ist schnell wieder vergessen. Das Vergessen geht ja auch ganz leicht im Fußball, denn schon morgen steht immer das nächste Spiel an, die nächste Geschichte wird erzählt, der nächste Skandal inszeniert.

Lassen die Leute den Fernseher wirklich aus?

Aber ganz egal, woran die Sache am Ende gescheitert ist, ob am drohenden Putin oder einem Scheich oder einer anderen Intrige mit dem Ziel, noch mehr Geld, noch mehr Einfluss zu bekommen: Als echter Weltclubboss und Soziopath bewertet man den Outcome der ganzen Aktion ganz nüchtern, was ist gut gelaufen, was weniger gut, welche Lehren ziehen wir draus usw. Und die hier verängstigten, dort wütenden Reaktionen in aller Herren (und Damen) Länder haben dem "dreckigen Dutzend", den zwölf Bossen der zwölf großen Clubs am Ende sogar noch geschmeichelt. "Schaut her, was wir mit einer einzigen Pressemeldung für ein weltweites Erdbeben auslösen können", werden sie vielleicht denken. Und noch mehr als zuvor von sich selbst eingenommen, von der eigenen Wichtigkeit überzeugt sein.

Womöglich liegen sie damit gar nicht mal ganz falsch. Denn wer glaubt schon ernsthaft daran, dass denen mal richtig jemand gegen den Karren und in die Parade fährt? Dass die Leute den Fernseher wirklich auslassen? Dass die großen nationalen Fußballverbände aus Deutschland, England, Spanien, Italien und Frankreich tatsächlich mal in einer konzertierten Aktion gemeinsam mit der UEFA auf eine Verschlankung des Wettbewerbs hinarbeiten, zurück zum Cup der Landesmeister etwa, an dem nur die nationalen Meister teilnehmen und sonst niemand?

Da halte ich es für wahrscheinlicher, dass wir irgendwann mal eine Liga vergleichbar der US-amerikanischen NFL bekommen, geschlossenes System, keiner steigt auf, keiner steigt ab. Die haben dort übrigens festgeschriebene Gehaltsobergrenzen und verdienen trotzdem Geld wie Heu. Und unsereins kann dann ja selbst entscheiden, ob er/sie/es nach Athen fliegt, um Liverpool gegen Madrid zu sehen – oder lieber nach Bochum fährt, um tief im Westen den VfB zu sehen. Falls diese Clubs dann nicht auch Teil des geschlossenen Systems sind. Denn, liebe Freundinnen und Freunde, zumindest bei unserem VfB Stuttgart von 1893 ist ja nun wirklich immer mit allem zu rechnen.


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