Komischerweise kümmert es außerhalb Schwabens fast niemanden, was beim VfB Stuttgart los ist, was für ein Spektakel sie dort vor unser aller Augen seit Monaten veranstalten. Obwohl ja eigentlich alle Zutaten vorhanden sind für ein erstklassiges Theater. Filmrechte, Netflix, House of Cannstatt, da ginge doch was. Schade, dass Dietl, Eichinger und Co, die Münchner Hallodris nicht mehr leben – die hätten das erkannt, und die hätten auch alle nötigen Kapazitäten bei der Hand gehabt. In Stuttgart käme für so was ja quasi nur Fred Breinersdorfer in Frage, Gott sei uns gnädig.
So gleichgültig aber die schwäbischen Vertilgungskriege in weiten Teilen der Republik aufgenommen wurden: Fans und Mitglieder des Vereins für Bewegungsspiele von 1893 haben allemal aufregende Wochen hinter sich. Kaum ein Tag ohne neue Volten, ohne neue Intrigen und Durchstechereien. Mit geradezu aufreizender Ignoranz klebten Personen an Ämtern, wurden von anderen Personen gedeckt und gehalten, da konnte einem schon der Kamm schwellen. Und wenn es nicht gelang, den Kopf frei zu bekommen am Abend, dann ging es mir häufig im Kleinen wie dem großen Heine im Großen: Dacht' ich an Stuttgart in der Nacht, so ward ich um den Schlaf gebracht.
Aber neulich, da ging es mit dem Schlafen, und ich hatte einen Traum. In diesem Traum kam Heimi angerannt, als wären die heulenden Höllenhunde hinter ihm her. Heimi, das ist im echten Leben Stefan Heim, bis vor kurzem Finanzvorstand beim VfB. Und Heimi ist sehr klein. Manchmal steigt er auf Bierkisten und versucht, witzig zu sein. Er sagt dann, man müsse sich den VfB Stuttgart wie ein Haus vorstellen, da gebe es immer was zu reparieren oder anzubauen. Aber jetzt im Traum, da hatte Heimi Angst.
Dass er die Hosen gestrichen voll hätte, das war schon seit Wochen immer wieder zu hören. Das hatte man auch über die meisten anderen gehört, meist ging es um die datenschutzrechtlichen Ermittlungen wegen widerrechtlicher Weitergabe vertraulicher Mitgliederdaten. Dazu kam aber, eher undeutlich, irgendwas wegen der Abstimmung vom 1. Juni 2017, als die Mitglieder des VfB auf einer großen Versammlung beschlossen, den Profifußball in eine Aktiengesellschaft auszugliedern und 11,9 Prozent der Anteile an dieser AG für ca. 40 Millionen Euro an den Daimler zu verkaufen.
Gefährliche Männer, die auf Monitore starren
Und jetzt, im Traum also, der Heimi ganz aufgeregt. Gar nicht mal so sehr, weil sie ihn rausgeschmissen hatten, denn die Schäfchen waren ja nun längst im Trockenen. Eigentlich. Und am VfB lag ihm ja schon einiges, schließlich hatte er fast sein gesamtes Berufsleben hier verbracht, das war sein Team, sein Stadion, sein Club. Sorgen machten ihm vielmehr die Männer, die auf die Monitore starrten, damals, am 1. Juni 2017, bei der großen Mitgliederversammlung im Stadion, als er selbst ja auf dem Podium saß, voller Adenalin natürlich, solche Versammlungen sind die reinste Hölle.
Unruhig warf ich mich hin und her, der Traum drohte wild zu werden. Welche Männer, wollte ich wissen, wie viele Männer? Der Heimi aber nicht zu Halten, der wollte, musste weiter, sechs seien es gewesen, oder sieben, die auf ihren Monitoren mitverfolgen konnten, wie das lief mit den Abstimmungsgeräten. Die haben es genau gesehen, dass in der Kurve nichts funktionierte, dass Tausende Stimmen nicht gezählt wurden dort, wo sie andere Geräte ausgegeben hatten als auf der Haupttribüne, ob Absicht oder nicht. Ich versuchte ihn festzuhalten, Heimi, Heimi sag, wer war's? Doch Heimi riss sich los und entkam mir, wie ein Inzaghi seinem viel größeren Gegner entkommt, entwieselt fast. "Die fangen an zu reden, der erste redet schon", rief er noch – dann war er weg. Und ich war wach.
2 Kommentare verfügbar
Stephan Nordstadt
am 19.02.2021Probleme habe ich allerdings bei den meiner Meinung nach unnötigen Anspielungen auf die Körpergröße von Herrn Heim.