Obwohl der Bauch schon tags zuvor bedrohlich gegrummelt hatte, nahm ich diese in eine riesige Plastikwurst gezwängte grobe Erbsensuppe aus dem Kühlschrank und machte sie warm. Natürlich schnitt ich noch drei Wienerle rein, bio, isch klar. In der Nacht fing es dann an mit den Bauchkrämpfen. Kein Vergnügen, ich sag's Ihnen. Irgendwann erreicht man aber einen Zustand seltsamer Klarheit, und plötzlich wusste ich, wie auf das Thema hinzuleiten war. Die Geschichte mit dem Traum, in dem mir dieser und jener erschien, konnte ich ja nicht schon wieder bringen. Dass ich spazieren gegangen sei, singing in the rain sozusagen, als mich jäh ein mitten im Weg liegender Papierbollen aus dem Gleichgewicht und vom Kurs abgebracht hätte wie einst im Mai 2009 die "Papierkugel Gottes" den Ball im Spiel des Hamburger SV gegen Werder Bremen, worauf ich gestrauchelt, gestürzt und ins Koma gefallen wäre, in dem mir dann dieses und jenes aufgegangen sei – zu kompliziert. Klarheit war angesagt.
Und also beschloss ich in jener Nacht der Schmerzen, zukünftig keinesfalls mehr die gesamte Plastikwurst voller Erbsensuppe spätabends alleine aufzuessen – und aus Aktualitätsgründen ein fiktives Interview mit Fußball-Bundestrainer Joachim Löw, inklusive der richtigen Antworten, zu führen. Und das kam dabei heraus:
Herr Löw, als Bundestrainer wurden Sie Weltmeister und erreichten bei Turnieren zwischen 2006 und 2016 immer mindestens das Halbfinale. Ein Weltrekord. Man kann es aber auch andersrum sehen: Von sieben Turnieren gewann die Mannschaft mit Ihnen als Trainer gerade mal eines. Wie fällt Ihre Bilanz aus, sind Sie zufrieden?
J.L.: Sagen wir's mal so: Ich war jetzt 17 Jahre DFB-Trainer, anfangs als Assistent vom Jürgen, dann als Chef. Und in diesen 17 Jahren konnte ich fast immer morgens ausschlafen. Wenn das kein Grund ist, zufrieden zu sein, dann weiß ich auch nicht.
Begonnen haben Sie Ihre Trainerkarriere beim VfB Stuttgart, woran sich hier viele gerne erinnern. Mit Ihnen auf der Bank erreichte die Mannschaft das Europacupfinale und verlor knapp gegen Chelsea. Weniger gern erinnert man sich daran, dass Sie auch mal beim KSC Trainer waren. Was sagen Sie heute zu diesem Abschnitt Ihrer Karriere?
J.L.: Guido Buchwald war Sportchef beim KSC, der hatte einen ziemlichen Trümmerhaufen von Mannschaft zusammengekauft. Da ging gar nix, und ich habe nur eines von 18 Spielen gewinnen können. Mein Co-Trainer damals war übrigens Marco Pezzaiouli, der bis vor Kurzem bei Fredi Bobic in Frankfurt den Technischen Direktor machte und jetzt nach Indien gewechselt ist. Das mag zwar nur so semi-interessant klingen, aber ich sage das ja gezielt Ihnen, der Sie jahrelang quasi Marcos Nachbar in Heidelberg waren. Und zum VfB kann ich sagen, dass der MV mich ja trotz des Finales entlassen hat, um, wait for it, Winnie Schäfer als meinen Nachfolger zu präsentieren (lächelt leicht). Damals habe ich auch meinen langjährigen Medienberater Roland Eitel kennengelernt, der war beim VfB Pressesprecher und zog erst in jüngerer Vergangenheit wieder ein paar Strippen in Stuttgart für den früheren Präsidenten Wolfgang Dietrich und seine Kamarilla damals.
Vielen Dank für diese Information, Herr Löw. Als Bundestrainer hängen Ihnen, neben verschiedener seltsamer Wechsel und nicht vorgenommener Auswechslungen, vor allem das 0:6 gegen Spanien 2018 und die Nichtnominierung der Spieler Müller, Hummels und Boateng negativ nach. Was machen wir damit?
J.L.: Erstens bin ich Weltmeister. Und so albern das klingen mag: Weltmeister wirst du nicht, wenn du ein Nasskämmer oder Nasebohrer bist. Von dem her war mir das egal, was die Leute da gesagt haben. Wenn der Weltmeistertrainer einen personellen Umbruch will, dann bricht er halt um. Zumal die Herren Hummels, Müller und Boateng damals auch nicht gerade im Zenit ihrer Karrieren standen. Zweitens ist mir das alles mittlerweile derart egal, dass ich auch eine Unterbrechung des Umbruchs nicht mehr ausschließen will. Sollen sie halt zurückkommen, und danach kann sich ein anderer mit ihnen rumschlagen. An das Spiel gegen Spanien erinnere ich mich übrigens nicht mehr.
Wenn Rangnick anruft, kann Bierhoff nicht ausschlafen
Ja, Herr Löw, ein anderer, sagen Sie. Wer soll denn dieser andere sein, wen wünschen Sie sich?
J.L.: Der Lothar, der Hansi, der Stefan, der Jürgen, der Ralf, der Horst, da kommen viele infrage. Der Hansi, so gern ich ihn habe, wäre eine naheliegende, aber doch auch ein wenig langweilige Lösung. Immer dieses den ehemaligen Co zum Chef machen, hört das denn nie auf? Und wo jetzt alle vom Rangnick reden: Wird nicht passieren. Ralf ist ein hervorragender Trainer, aber wenn der am Ruder ist, kann der Oli Bierhoff nicht mehr ausschlafen. Ralf ruft ständig an und nervt ungemein. Aber Ausschlafen ist immer wichtig, das hatten wir schon, nicht? Und wenn der Oli nicht ausgeschlafen ist, dann ist der unkonzentriert und fahrig. Und wenn der Oli fahrig wird, dann wird das nie was mit der DFB-Akademie, und dann wird das ebensowenig was mit der Ablösung von Adidas als DFB-Ausrüster. Also zusammengefasst: Ein Oliver Bierhoff wird keinen Ralf Rangnick verpflichten. Vorher holt der sich den Kuntz, der ist ja schon beim DFB. Und auch den Horst Hrubesch sollten wir nicht vergessen, vor allem nicht, weil dessen Name sonst immer auftaucht, wenn sie beim DFB einen Übergangstrainer suchen. Ist es nicht geradezu auffällig, dass der Name Hrubesch derzeit so gar nirgends ...
Aber Herr Löw, was ist denn mit Jürgen Klopp?
J.L.: Wenn Sie mich ausreden ließen, wüssten Sie es. Jürgen Klopp ist natürlich Kandidat Nummer Eins mit Sternchen für meine Nachfolge, auch wenn der Jürgen sich die WM in diesem Sklavenstaat wahrscheinlich eher nicht wird antun wollen, weil er ja doch sehr bedacht ist auf seinen Ruf und seine Außenwirkung. Aber einen Jürgen Klopp, den wollen halt alle 80 Millionen Bundestrainer als Bundestrainer haben, der hat die schönsten Zähne, in Liverpool geht ihm grad alles den Bach runter und last but not least: Der Oli hat den Jürgen ja längst unter Vertrag bei seiner Firma Projekt B, die er mit Marc Kosicke zusammen gegründet hat. Mit dem Jürgen hat damals ja alles angefangen, und eine richtig tolle Firma ist das geworden. Und wissen Sie, was bei denen auf der Website als Leitspruch steht: It's all about relationship. Brüller, oder?
Wir werden sehen. Und müssen zum Ende kommen. Herr Löw, manche sind Ihnen dankbar dafür, dass Deutschland 2014 Weltmeister wurde inklusive des Halbfinales gegen Brasilien. 7:1. So was hatte man in der Tat lange nicht bzw. sogar noch nie gesehen. Andere sind Ihnen dankbar dafür, dass Sie jetzt endlich abtreten, im Sommer. Was meinen Sie, wofür sollten die Leute Ihnen dankbar sein?
J.L.: Weltmeister wurden die Spieler, die haben gekickt. Ich habe meine Tore hauptsächlich für den SC Freiburg geschossen, vor langer Zeit in Liga Zwo. Und ganz ehrlich: Es ist mir komplett unwichtig, ob mir "die Leute" dankbar sind. Dafür habe ich zu viel erlebt, als dass mir das wichtig sein müsste. Wer mir aber tatsächlich dankbar zu sein hat, das ist der Oli. Denn den habe ich immer ausschlafen lassen. Und der SC Freiburg sollte mir dankbar sein, denn für den habe ich die meisten Tore geschossen. Apropos Freiburg – dorthin könnte ich doch eigentlich als Trainer gehen, wenn sie den Christian Streich zu meinem Nachfolger machen, das wäre ein Ding, die reinste Rochade wäre das.
Herr Bundestrainer, das wäre in der Tat ein Ding, und ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Nach der WM werde ich Sie "Bundestrainer emeritus" nennen, denn wen, wenn nicht Sie, sollte man so nennen können? Den Titel hat übrigens ein Kollege erfunden, der normalerweise durch seine spektakulären Hemden bei TV-Auftritten für Furore sorgt. Aber das kann Ihnen ja nun auch egal sein. Wollen Sie das letzte Wort haben?
J.L.: Ja bitteschön. Dankeschön.
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