Mit etwa 20 Minuten Verspätung trifft schließlich Andreas Mürter vom Kreisverband Stuttgart ein, gelernter Maschinenbaumeister und erfolgloser Kandidat bei der Landtagswahl 2021. Er übernimmt die Moderation an diesem Abend, entschuldigt sich für den Verzug und schildert seine Leidensgeschichte auf dem Weg hierher. Erst der Höllenstau auf der Autobahn. "Auch Umwege fahren funktioniert in Deutschland nicht mehr, weil die Seitenstraßen alle zu sind im Industriekernland. Dann fahr ich nach Stuttgart rein: alle Ampeln rot, weil die Regierung grün ist." Dieser Witz gefällt ihm so gut, dass er ihn nur ein paar Sätze später wiederholt – im Kontext der Frage, woher die AfD den Mut nimmt, die AfD zu sein. "Warum tun wir uns das an? Warum fahre ich durch die roten Ampeln, durch Stuttgart bei einer grünen Regierung? Ganz einfach: weil wir von Leuten regiert werden, die das alles nicht kennen und können. Sie kennen keine Arbeit, sie kennen keine Bildung, sie kennen keine Wertschöpfung, sie kennen keinen Respekt und sie kennen keine Liebe zum eigenen Volk."
Es fehlt eigentlich nur noch der explizite Vorwurf des "Vaterlandsverrats", ansonsten hat Mürter die Checkliste der rechtsradikalen Agitation vollständig abgehakt. Die Regierung habe sich "ersichtlich gegen den Willen des deutschen Volkes verschworen", werde "Verbrennungsmotoren abschaffen, den Menschen ihr Auto wegnehmen, Arbeitsplätze vernichten und den Wohlstand unseres Landes vollständig auflösen". Die Ampel sei " toleranzbesoffen, vom Staat fett gefüttert, ohne Bildung und Bindung zur Heimat", "unser Land wird systematisch hingerichtet, Schritt für Schritt", am schlimmsten dabei: natürlich die Grünen. "Heute noch tanzen die Grünen vor abgeschalteten Atomkraftwerken und morgen schon stehen wir alle im Dunkeln."
Irre sind immer die andern
Mürters Laune bessert sich, als er den ersten Redner anmoderieren kann, "unseren Dirk Spaniel", den kennt er "natürlich gut, hab ihn schon mehrfach vorgestellt, aber ich mach's gern wieder, gar kein Thema". Trotzdem verläuft das Verlesen des Lebenslaufs dann etwas holprig, beim Auflisten der Stationen streut der Moderator die aufrichtig irritiert klingende Frage ein: "Öh, was hat der alles gemacht?" Bis schließlich als Krönung der Vita die Dissertation im Fach Maschinenbau bei DaimlerChrysler folgt. Mürters Kommentar: "Doktor Ingenieur – die Grünen würden davon träumen. Ja. Die Grünen würden von so einer Vita träumen, allesamt. Nicht nur die Abgeordneten, sondern sogar die Mitglieder. Ich weiß nicht, wie viele Mitglieder die Grünen haben. Aber ich bin mir sicher, dass da niemand mithalten kann." Zur Info: 2022 zählten die Grünen etwas mehr als 126.000 Mitglieder, die AfD 29.000.
"Wir erleben eine irre Politik", beginnt Spaniel dann und als verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion macht er diesen Wahnsinn konkret fest am beabsichtigten Verbot von Verbrennungsmotoren, Folge "der Klimahysterie". Er erzählt vom jüngsten Bericht des Weltklimarats, "der hat 2.500 Seiten auf englisch, den müssen sie nicht lesen". Spaniel hat nämlich eine kompakte Zusammenfassung auf deutsch entdeckt, erster Kritikpunkt: Es wird ja gar nicht geprüft, ob es den menschengemachten Klimawandel überhaupt gibt, weil die Themen von der UNO gesteuert werden. Trotzdem hat er die verschiedenen Szenarien unter die Lupe genommen und kommt zum Fazit: Ob die globalen Emissionen bis 2030 auf Null sinken oder sich bis 2040 verdoppeln, macht keinen nennenswerten Unterschied. "Ja, es gibt eine Klimaerwärmung. Das bestreitet auch keiner in der AfD. Wenn sie Null Co2 bis 2030 erreichen, haben sie bis 2040 1,5 Grad mehr. Und wenn sie das CO2 verdoppeln, haben sie 1,6 Grad mehr. Die Differenz zwischen 'Wir machen uns komplett kaputt' und 'Wir machen eigentlich, was wir wollen', ist 0,01 Grad."
Merkel und die Grünen lassen ihnen keine Ruhe
Während weniger gut gebildete Menschen angesichts dieser Rechenkünste vielleicht schon anfangen, grün vor Neid zu werden, überlegt der Doktor Ingenieur noch einmal: "Ne, 0,1 Grad. Also es spielt sich alles Realistische in einem ganz, ganz kleinen Temperaturfenster ab, das praktisch für alle von uns völlig irrelevant ist. Und warum kommt da keiner drauf?" Vielleicht ja, weil Menschen mit Basiswissen zur Klimaforschung klar ist, dass sich jedes Hundertstel Grad bemerkbar macht und die Erhitzung des Planeten nicht einfach 2040 aufhört, wenn man bis dahin die Emissionen verdoppelt.
2 Kommentare verfügbar
Buchkremer Stephan
am 04.11.2023Es zeugt von "hohem Respekt", den Menschen im Zusammenhang mit Kindergärten ein AFD Niveau anzudichten. Pöbeln Kindergartenkinder oder ihre Eltern und Erzieher generell auf AFD Niveau.?…