Der Gegensatz könnte nicht größer sein. Die Fahrt von Aulendorf nach Vogt geht quer durchs hügelige Oberschwaben. Auf kurvigen Straßen durch Wiesen und Wälder. Am schönsten sind die sonnigen Alpen am Horizont. Im Ohr habe ich UN-Generalsekretär António Guterres mit dem Satz: "Wir sind auf einem Highway in die Klimahölle und haben den Fuß auf dem Gaspedal." Ich nehme den Fuß vom Gas und parke vor dem wunderschön gelegenen Waldfriedhof in Vogt, dem Treffpunkt mit Bernhard Dingler, dem forstlichen Chef im Altdorfer Wald.
Der 60-Jährige führt mich zuerst auf den Friedhof, um mir eine botanische Besonderheit zu zeigen. Vor der schmucken Kapelle wächst eine Araucaria. Ein Baum aus Südchile, der aussieht als hätte er grüne Schuppen, deren Enden aber nadelspitz sind. "Den verbeißt kein Reh", scherzt Dingler. In Chile sei die Kiefernart ein "Brotbaum", aber er tauge nicht als Ersatz für die Fichte hierzulande. Dingler weiß, wovon er spricht, er war Ende der 1990er-Jahre mit dem Deutschen Entwicklungsdienst zwei Jahre in dem südamerikanischen Land im Einsatz.
Im Auto geht’s weiter durch den rund 8.000 Hektar großen Forst, der geprägt ist von alten Fichten, unter deren Kronendach die Waldverjüngung heranwächst, Buchen und Tannen sind es hauptsächlich. Die Tännlein werden vor Wildverbiss geschützt, die über mannshohen Buchen haben es auch ohne geschafft – weil intensiv gejagt werde, erklärt Dingler. Der Altbestand an Fichten, viele 80 bis 100 Jahre alt, wird in den kommenden Jahren gefällt, und macht dann einem Mischwald aus Buche und Tanne Platz – vorausgesetzt der Klimawandel macht den Förstern keinen Strich durch die Rechnung. Denn die heimischen Baumarten leiden alle mehr oder weniger an der zunehmenden Hitze und Trockenheit.
Der Wald soll für alle und alles da sein
Dabei kam der Altdorfer Wald in den letzten Jahren noch glimpflich davon, die Borkenkäfer hielten sich zurück. Einst haben Fichten zu 90 Prozent das Vogter Revier eingenommen, heute sind es nur noch 50, aber die seien wichtig, sagt Dingler, zum Beispiel an den Rändern von moorigen Standorten. Entweder-oder ist sein Ding nicht. Dafür habe der Wald viel zu viele Ansprüche zu erfüllen und auch zu ertragen, erklärt der Forstmann und verweist auf Waldkindergarten bis hin zum Motocrosstrail. Nicht alles sei erlaubt, aber jeder habe das Recht, sich im Wald frei zu bewegen. Egal ob Jogger, Mountainbiker, Jäger oder Pilzsucher. Wald ist Raum für viele.
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