Der Begriff "Mahnmal" tummelt sich noch gar nicht so lange in der deutschen Sprache, und er ist auch nicht ganz unkontrovers. So wehrte sich etwa der Stuttgarter Historiker Eberhard Jäckel in einem Interview 2005 gegen das Wort, und ganz besonders gegen seine Verwendung für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Die Bezeichnung komme "aus der Sprache der Nazis und der Kommunisten", so Jäckel damals, "die nannten ihre Denkmäler, die man früher nie anders genannt hatte, Mahnmale." Gemahnt würden säumige Steuerzahler und Kinder, "der mündige Bürger soll denken, und deswegen plädiere ich für die Bezeichnung Denkmal", sagte Jäckel.
Seine Auffassung hat sich nicht ganz durchgesetzt, der Begriff blieb, und es sei auch dahingestellt, ob man Jäckels Argumentation in allen Verästelungen folgen muss. Denn Denkmäler waren lange nur dazu da, positive Geschichtsbilder (oder eher Geschichtskonstruktionen) zu vermitteln, Reiterstandbilder wie das von Kaiser Wilhelm I. in Stuttgart sollten neben der Erinnerung an eine große historische Figur als nationale Identifikationsorte dienen.
Erst nach dem Grauen des Ersten Weltkriegs tauchte dann langsam der Begriff des Mahnmals auf, der spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg eine andere, neue Funktion hatte: An etwas eben nicht Positives in der Geschichte mahnend zu erinnern, auf dass sich dies möglichst nicht mehr wiederhole. Mahnmale "haben die Funktion, im Namen eines Kollektivs (meist einer Nation) an schmerzhafte historische Ereignisse – wie militärische Verluste und Niederlagen, vor allem aber an deren Opfer zu erinnern", formuliert es die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas auf einem Arbeitsblatt. "Mahnmale unterscheiden sich von anderen Gedenkzeichen durch einen zusätzlichen, moralisch weitergehenden Anspruch. Sie richten an ihre Adressaten nicht nur die Aufforderung, der Opfer zu gedenken, sondern die vorausgegangenen Ereignisse selbst als Mahnung oder Appell aufzufassen, die sich im Prinzip an die Menschheit als Ganzes richten."
Ganz schön hohe Anforderungen und Ansprüche, mögen sich die Leserin und der Leser da denken, entsprechend finden sich im öffentlichen Raum weit weniger Mahnmale als Denkmale. In Stuttgart etwa das für die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Stauffenbergplatz, eines für die NS-Zwangsarbeiter der Firma Daimler und noch eine Handvoll weitere, die sich allesamt auf Verbrechen der Nazi-Dikatur und Folgen des Zweiten Weltkriegs beziehen. Bis vor kurzem zumindet.
Obacht, Mahnmal-Inflation
Denn auch sprachlich scheinen, wir haben ja Zeitenwende, die Kaliber momentan selbst bei mäßig historischen Anlässen immer größer und die Verwendung des Mahnmal-Begriffs inflationär zu werden. So wurde jüngst das Kupferdach, das ein Unwetter im Juli 2021 vom Dach des Stuttgarter Opernhauses fegte und pittoresk zusammenknäuelte, bereits zum "Mahnmal gegen die Klimakrise", wie es Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) formulierte. Und vom 21. bis 24. April war bei der Messe "Retro Classics" ein weiteres neues Mahnmal zu besichtigen, das auf ein nur wenig weiter zurückliegendes Ereignis verwies.
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Thomas Albrecht
am 02.05.2022