"Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen", weiß der Mann, der die deutschen Sozialsysteme schon mal "bis zur letzten Patrone" gegen die Einwanderung fremdländischer Schmarotzer verteidigen wollte. Am Montag war Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vor Ort in Stuttgart, um sich ein Bild zu machen von der Verwüstung, die schwere Ausschreitungen in der Nacht auf den vorangegangenen Sonntag hinterlassen haben. Das Problem: Von Spuren der Zerstörung war da kaum noch etwas festzustellen. Weil aber die Bilder zur Botschaft passen müssen, wurde für den Pressetermin ein demoliertes Polizeiauto aufgefahren, das Seehofer und Kollegen vor versammelter Fotografenschar mit ostentativem Entsetzen in Augenschein nehmen konnten.
Die Krawalle vom Wochenende schlimm zu finden, könnte als Minimalkonsens des zivilisierten Miteinanders vorausgesetzt werden. Aber manchmal reicht das Drama nicht, es muss der Superlativ sein, unbedingt: Von der "nie dagewesenen Eskalation der Gewalt" in "Stuttgarts dunkelster Nacht" bis zum "Schlachtfeld wie im Krieg" lassen Wortmeldungen befürchten, dass der Untergang des Abendlandes unmittelbar bevorsteht. Die Bilanz: Fensterscheiben von 40 Geschäften und 14 Polizeiautos wurden beschädigt, neun Läden geplündert, ein Student brutal gegen den Kopf getreten, 19 Polizisten verletzt, davon einer so schwer, dass er am nächsten Tag dienstunfähig war. Das schockiert. Und trotzdem dürfte die durchschnittliche Lebenserwartung in der baden-württembergischen Landeshauptstadt immer noch höher ausfallen als in manch angeblich sicherem Herkunftsland, in dem tatsächlich bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen.
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Ruby Tuesday
am 28.06.2020