Der Kaiser kommt nicht! Wilhelm II. bleibt der Einweihung des großen Landesdenkmals zu Ehren seines Großvaters Wilhelm I. fern, die am 1. Oktober 1898 auf dem Stuttgarter Karlsplatz stattfinden soll. "Seine Majestität der Kaiser werden nicht in der Lage sein eine Einladung zu 1. Oktober anzunehmen", telegraphiert Oberhofmarschall Graf Eulenburg an den württembergischen König Wilhelm II. Was für eine Brüskierung. Die Absage scheint sich in eine Kette von Pannen einzureihen, seitdem gut zehn Jahre zuvor die Idee für das Denkmal zu reifen begann.
Nichts davon erzählt einem heute das Denkmal, das durch seinen wuchtigen Unterbau etwas zu groß für den Platz erscheint. In Richtung Neues Schloss blicken ein reitender Monarch mit Pickelhaube und Soldatenmantel, sein Pferd sowie zwei wachende Löwen, ein ziemlich martialischer Anblick, der zusammen mit den beiden Obelisken an der Rückseite, auf denen Orte von Schlachten des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 eingraviert sind, den militärischen Ursprung und militaristisch-autoritären Charakter des Deutschen Kaiserreichs zu betonen scheint.
Ein Relikt überkommener Großmachtträume, völlig unzeitgemäß, weg damit, sagen Kritiker immer wieder. Auch jene, die dem Kaiser Ende Mai einige (mittlerweile wieder entfernte) Farbtupfer zuteil werden ließen – im Bekennerschreiben auf der Website "Anarchistische Föderation" werden zudem Kontinuitätslinien vom wilhelminischen Imperialismus in die Gegenwart gezogen. Aber ist es nicht vielleicht besser, den bronzenen Willi an seinem Ort zu belassen und sich mit ihm und dem, wofür er stehen sollte, auseinanderzusetzen? Schon seine Entstehungsgeschichte lässt einiges vom dem militaristischen Pathos und der imperialen Hybris, die das Standbild verströmt, etwas kleiner und weniger glanzvoll erscheinen.
Ein Integrationssymbol für bürgerliche Kaiserfreunde
Am 9. März 1888 starb Wilhelm I., der erste Kaiser des 1871 gegründeten Deutschen Reichs. Schon kurz darauf begann im gesamten Reich eine regelrechte Denkmal-Manie, anschaulich beschrieben unter anderem in Heinrich Manns Roman "Der Untertan". Folge der Manie waren gut 400 Kaiser-Wilhelm-Denkmäler, wobei das als Bundesstaat ins Reich integrierte Königreich Württemberg mit gerade mal 20 unterdurchschnittlich blieb. Lag es daran, dass die Württemberger noch immer mit dem Kaiserreich fremdelten, hatten sie doch noch 1866 auf Seiten Österreichs Krieg gegen Preußen geführt, ihre Truppen bei Tauberbischofsheim eine blutige Niederlage erlitten? Hier allein auf eine preußenskeptische Haltung zu schließen, wäre aber etwas zu kurz gegriffen. Wobei dies vermutlich indirekt eine Rolle spielte.
Ein wichtiger Grund für die wenigen Kaiserdenkmale im Südwesten ist, dass sich noch im März 1888 ein Denkmalkomitee gründete, das zugunsten eines großen Landesdenkmals in Stuttgart verhindern wollte, dass sich die Anstrengungen und Mittel in zu viele Einzelprojekten verliefen. Ohne dieses Gremium würden vermutlich noch ein paar mehr steinerne oder bronzene Wilhelms im Südwesten rumstehen. Das Komitee entsprang durchaus bürgerschaftlichem Engagement, sein erster Vorsitzender war der Farbenfabrikant und Reichstagsabgeordnete Gustav Siegle, ebenfalls dazu gehörten Otto Elben, Verleger und Chefredakteur der Tageszeitungen "Schwäbischer Merkur" und "Schwäbische Kronik". Am 25. März wandte sich das Komitee mit einem "Aufruf" in der "Schwäbischen Kronik" erstmals an die Öffentlichkeit.
4 Kommentare verfügbar
Ulrich Hartmann
am 26.07.2021