Der US-Amerikaner, so schreibt Gert Raeithel in seiner "Geschichte der nordamerikanischen Kultur", sei ein Typ, "der das Mobile dem Sesshaften und die Weite der Enge vorzieht". Das Grundcharakteristikum seien schwache Bindungen an Personen und Sachen: "Wirtschaftliche, politische und religiöse Gründe reichen zur Erklärung eines freiwillig gefassten Auswanderungsentschlusses meist nicht aus. Der Auswanderer musste fähig sein, Eltern und Verwandte, manchmal auch Kinder und Ehegatten zurückzulassen, soziale Bindungen zu lösen." Im US-Kino hat sich ein ganzes Genre, nämlich der Western, solchen "freien" Helden gewidmet, die rastlos umherziehen, aber auch auf der Suche nach einer neuen Heimat sein können.
Der "Minari"-Regisseur Lee Isaac Chung hat sich, wie er selber sagt, bei seiner Geschichte inspirieren lassen von den Pioniererzählungen der Autorin Willa Cather, und wenn man seinen wunderbaren Film sieht, dann könnte auch Laura Ingalls Wilders mehrfach verfilmtes "Little House on the Prairie" (bei uns bekannt als "Unsere kleine Farm") ein Einfluss sein. Bloß dass Chungs Geschichte im Reagan-Amerika der 1980er-Jahre spielt, und dass Jacob (Steven Yeung), der eine Farm in Arkansas aufbauen will, aus Korea stammt. "Minari" öffnet also einen amerikanischen Mythos für eine Familie aus Asien.
"Riecht nach Korea!"
Endlich ankommen! Aber als Jacob mit seiner kleinen Familie auf die Lichtung fährt, die seine Farm werden soll, steht da kein festes Haus, sondern nur ein abgeratztes Mobile Home, in das Jacobs Frau Monica (Yeri Han) zunächst nicht einziehen will. Ach, diese Mühen, sich eine Heimat zu schaffen! Der episodisch inszenierte Film schaut Jacob bei der Arbeit zu, schildert eine Ehekrise und das anfangs schwierige Verhältnis des kleinen Sohns David (Alan S. Kim) zur koreanisch sprechenden Großmutter (oscargepriesen: Yuh-Jung Youn), die von Monica gegen Jacobs Willen ins enge Heim geholt wurde. "Sie riecht nach Korea!", sagt David naserümpfend.
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