Mister Mayer also bot den RKO-Studios, die "Citizen Kane" produziert hatten, die Summe von 842.000 Dollar an, wenn alle Filmrollen und das Negativ zerstört würden. Als RKO dieses Angebot ablehnte, drohte das Hearst-Imperium mit allen möglichen Maßnahmen, seine publizistischen Giftschleudern, etwa die gefürchtete Klatsch-Kolumnistin Louella Parsons, arbeiteten auf Hochtouren, auch wurden Kinos so drangsaliert, dass sich nur wenige trauten, den Film zu spielen. "Citizen Kane" wurde an der Kasse kein Erfolg, aber nach und nach zur Legende. Die traditionelle Kritikerumfrage des renommierten Filmmagazins "Sight & Sound" führte Orson Welles Geniestreich fünf Jahrzehnte lang als besten Film aller Zeiten. Erst im Jahr 2012 wurde er von 846 befragten Kritikern auf Platz 2 gesetzt, hinter Hitchcocks "Vertigo" als neuem Spitzenreiter.
Auf der Ranking-Liste der Internet-Seite "Rotten Tomatoes" freilich, die keine Kritiker befragt, sondern deren Kritiken auswertet, blieb "Citizen Kane" weiter die Nummer 1. Und Netflix, Hauptkonkurrent von Amazon Prime, hat sogar David Finchers zehnfach oscarnominierten "Mank" im Angebot, eine Eigenproduktion des Streamingdienstes und eine Hommage an "Citizen Kane", allerdings nicht erzählt aus der Perspektive des Regisseurs Orson Welles, sondern aus jener des von Gary Oldman gespielten Drehbuchautors Herman Mankiewicz, der seine sarkastische Zunge auch bei Dinnerpartys im Hearst-Schloss nicht im Zaum halten konnte. Der brillante Schwarzweißfilm "Mank", der immer wieder Szenen aus "Citizen Kane" zitiert, würdigt Mankiewicz' Anteil an dem Meisterwerk, so wie dies Pauline Kael schon 1971 in ihrem "Citizen Kane Book" getan hatte. Trotzdem wird der Film wohl weiter dem Wunderkind Welles zugeschrieben werden.
Aber "Citizen Kane" ist nun auch bei "Rotten Tomatoes" von Platz 1 verdrängt worden, überraschenderweise aber nicht von einem Action-Kracher aus dem neuen Jahrtausend, sondern von der 1934 entstandenen Frank-Capra-Screwball-Komödie "Es geschah in einer Nacht", die also noch sieben Jahre älter ist als der Welles-Film. Na gut, die Geschichte vom frechen Sensationsreporter (Clark Gable) und der ausgebüxten Millionenerbin (Claudette Colbert) wurde damals mit fünf Oscars in den Hauptkategorien ausgezeichnet, und sie ist, wir schauen mal rein, immer noch sehr spritzig. Dieses Dialogfeuerwerk, mit dem sich die beiden beschießen! "Ach, ist da sogar ein Hirn hinter ihrem Gesicht?!", sagt sie mal scheinbar erstaunt. Er aber ist auch für handfeste Aktionen gut, nimmt sie locker auf die Schulter, um mit ihr einen Bach zu durchwaten, und als sie sich dabei weiter mit ihm kabbelt, haut er ihr auf den Hintern.
1 Kommentar verfügbar
Tanja Tasche
am 07.06.2021Bei solchen Szenen habe ich innerlich schon immer zusammen gezuckt.
Es ist verdammt noch mal Mist, wenn Menschen erniedrigt werden. Was dort in…