Der Braten brennt an, der Weihnachtsbaum fällt um: In überklarer Symbolik lässt der TV-Dreiteiler "Ku'Damm 63" mal wieder die Familienharmonie zusammenbrechen. Es muss eben schnell gehen, keine Zeit also, erst mal Stimmung aufzubauen, weil sich die nächsten Probleme ja schon in der Warteschlange drängeln. Und alle, alle Probleme kommen in dieser Erzählung von der Tanzschulbetreiberin Caterina Schöllack (Claudia Michelsen) und ihren drei unglücklich verheirateten Töchtern auch dran: Kaum ist Monika (Sonja Gehrhardt) von ihrem Fabrikbesitzer-Erben schwanger, folgt schon die Fehlgeburt; kaum hat die unter ihrem schwulen Staatsanwalts-Gatten leidende Helga (Maria Ehrich) eine Affäre mit einem Tango-Lehrer, wird dieser von Mutti geschasst; und kaum hat sich Eva (Emilia Schüle) von ihrem gewalttätigen Gatten, einem Psychiatrieprofessor, emanzipiert, steigt sie in wenigen kurzen Szenen von der mondänen Galeristin zur Parkbankschläferin ab.
Gestriges abgehakt im Schnelldurchlauf
Die von Annette Hess erdachte und in der dritten Staffel von Marc Terjung inszenierte Serie arbeitet einerseits als Reiseveranstalter, sie transportiert den Zuschauer, so wie schon die Vorgänger "Ku'Damm 56" und "Ku'Damm 59", sozusagen als Touristen zurück in die frühen Jahre der Bundesrepublik. Und sie fungiert andererseits als Speditionsunternehmen, das im Express-Tempo Inhalte und Botschaften ausliefert. Von einem aufgeklärten heutigen Standpunkt aus werden die repressiven, restaurativen und patriarchalen Strukturen von gestern im Schnelldurchlauf abgehakt, der Effekt ist ein bisschen wie beim Betrachten von Werbefilmen jener Zeit, in der sich vorgespielte zeitgenössische Fröhlichkeit als harte Ideologie abgelagert hat: zum Lachen, zum Weinen und gleichzeitig zum Schwelgen in Nostalgie.
Diese so kondensiert und kolportagehaft voranhetzende "Ku'Damm"-Story, in der jede Sequenz funktional eingesetzt ist und das Schicksal im Minutentakt zuschlägt, staffiert nämlich die Vergangenheit – von den Kleidern über die Möbel bis hin zu den Autos – wie ein sauber aufgeräumtes, blitzblank geputztes und ziemlich steriles Deutschland-Museum aus. Nichts ist hier individuell, alles ist stellvertretend. Auch die Figuren passen sich der Kulissenhaftigkeit an, entwickeln kein Eigenleben, sind nur vollgestopfte Problembehälter. Der Barbesitzer Freddie (Trystan Pütter) etwa ist hier nicht nur jüdisch, sondern Jude an sich, und wenn ihm Neonazis ein Hakenkreuz vor den Tresen kleben, hat "Ku'Damm" das Thema Antisemitismus behandelt. Ambivalenzen sind nicht erlaubt, entsprechend agieren die Schauspieler: mit gut ablesbarer, also eindeutiger Gestik und Mimik.
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Peter Hermann
am 01.04.2021