Für diese Schlacht gibt es Logenplätze! Nein, nicht nur im Kino, sondern auch im Film selbst. Im Shanghai des Jahres 1937, in den internationalen Schutz- und Konzessionszonen auf der anderen Seite des Flusses Souzhou, sitzen gut gekleidete Menschen beim Morgenkaffee auf ihren Terrassen, lehnen sich chic frisierte Sängerinnen an die Balkonbrüstung und rauchen, machen Geschäftsleute mal Pause und schauen von der Uferpromenade aus zu, wie sich gegenüber chinesische Soldaten in einem großen Lagerhaus verschanzen. Es ist der letzte Ort der Stadt, den die japanische Invasionsarmee noch nicht eingenommen hat. Vier Tage lang wird der Angriff dauern, vier lange Tage des Kämpfens und Sterbens stehen bevor. Eingeschlossen in einer graudunklen Ruinenödnis, ausgesetzt japanischen Scharfschützen, giftgelben Gasgranaten, Panzern und Flugzeugen. "Wenn das da drüben der Himmel ist", sagt Oberst Xie Jinyuan (Chun Du) und schaut hinüber auf das friedlich-bunte Treiben in der Schutzzone, "dann ist das hier die Hölle."
Der Regisseur Hu Guan erzählt in seinem Film "The 800" von einer in China legendären Kriegsepisode und von einem Ort, der, so heißt es in einem kleinen Vorspann, zum "Denkmal für zukünftige Generationen" wurde. Schon im Film wissen einige der Verteidiger, dass sie in die Geschichte eingehen werden: "Diese Halle wird berühmt!" Im Film hört man auch den Satz: "Seinem Land dienen zu dürfen, ist eine Ehre!" Und als eine mondäne Frau von der anderen Seite des Flusses aus beobachtet, wie sich einer der Kämpfer aus einem oberen Stockwerk des Lagerhauses in die Schar der Belagerer stürzt und in die Luft sprengt, sagt sie: "Wenn alle Chinesen so tapfer wären, wären sie nicht angegriffen worden." Ja, dies ist auch ein Propagandafilm. Aber damit ist noch nicht alles gesagt.
Leistungsschau voll Heroismus und großer Gefühle
Die patriotisch-moralaufrüstende Saga von den Verteidigern, die gegen eine feindliche Übermacht kämpfen und ruhmreich verlieren, ist auch im Westen nichts Neues. John Wayne hat so einen Kampf beinhart revanchistisch in "Alamo" (1960) nachgedreht, Jack Snyder hat 2006 seine Thermopylen-Metzelei "300" zum faschistoid angereicherten Sparta-Loblied ausstaffiert, und Michael Bay findet in "Pearl Harbor" (2001) inmitten des Schiffeversenkens Raum für junge, schöne Gesichter und große Gefühle. Tatsächlich ist "The 800", verglichen mit den genannten Beispielen, näher dran an Christopher Nolans melancholisch-elegischem Rückzugsdrama "Dunkirk" (2017), in dem der Heroismus gerade deshalb in Erinnerung bleibt, weil er eher dezent an- als brachial ausgespielt wird.
Eine solche Zurückhaltung will sich "The 800" zwar nicht immer auferlegen – und kann dies wohl auch nicht. Schließlich musste der aufwändige Film – eine Leistungsschau des chinesischen Kinos! – durch die Zensur und war eine Zeitlang auch im Wartestand, bevor er in einer leicht gekürzten Fassung in die Kinos kam. Dort wurde er nicht nur zum erfolgreichsten Film in China, sondern zum global erfolgreichsten des Jahres 2020. (Erstmals wurde Hollywood überholt, was natürlich auch durch Corona-Einschränkungen zu erklären ist.) Trotzdem ist dies kein in jeder Sekunde vom Patriotismus durchglühtes Machwerk, auch sind manche der oben zitierten Sätze nicht als endgültige Haltung zu verstehen. Der Regisseur lässt manchmal Distanz zu, zeigt sogar eine gewisse Ambivalenz. Wenn sich etwa Soldaten weigern, japanische Gefangene zu erschießen, werden sie nicht als Feiglinge denunziert, eher wird ihr Befehl in Frage gestellt. Überhaupt ist Angst in "The 800" eine zulässige Emotion, selbst bei Desertierwilligen. Und wenn es heißt: "Dies hier wird unser Grab sein!", muss das nicht unbedingt als freudige Vorahnung verstanden werden.
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