Im Wirtshaus hockt der Kommissar Kreuzeder. Hockt allein da im trüben Licht und zwar so, als gehöre er zum Inventar der schmucklos holzdominierten Stube, die ihre besten Zeiten hinter sich hat beziehungsweise noch gar nie solche hatte. Schauen wir uns den Kerl (Sigi Zimmerschied) in aller Ruhe an: schon recht alt, eher klein, ziemlich zauselig und ausgestattet mit einer zusammengequetschten Physiognomie, aus der eine lange Nase herausragt. Die könnte er wahrscheinlich tief in Gläser stecken, ja, mit der könnte er wahrscheinlich trinken, respektive und angesichts der später abgerechneten fünf Weißbier und sechs Obstler ganz schön was zusammensaufen. Tut er aber nicht, er trinkt wie du und ich, bloß eben (und hoffentlich) in anderen Quantitäten. So gnomenhaft der Kreuzeder nämlich auch aussieht, er ist doch ein Mensch. Und dies sogar noch ein bisschen mehr als viele um ihn rum.

Aber jetzt bimmelt beim Kreuzeder das Handy und weil auf dem Display "Arschloch" aufleuchtet, drückt er den Anrufer gleich weg. So dass sein Chef, der Kriminaloberrat Becker (Johannes Herrschmann) persönlich vorbeischauen muss und meldet: "Wir haben einen Mordfall!" Was Kreuzeder mit Wichtigerem kontert: "Ich hab' mir grad einen Schweinsbraten bestellt!" Die Tirade des Vorgesetzten – sein Untergebener sei mal gut gewesen, jetzt tendiere seine Aufklärungsquote gegen Null, er habe wohl Depressionen, er müsse zur Psychologin – sitzt Kreuzeder ungerührt aus. Es geht ihm nur noch darum, sich in den Ruhestand hinein zu alkoholisieren. Jetzt aber halt noch, in dieser von Jörg Graser inszenierten Mor(d)itat, dieser leidige Fall. Der ist auf einem verschuldeten Bauernhof passiert, ein Mann von der Sparkasse wurde von einem Mähdrescher ge- äh, na, jedenfalls kein schöner Anblick. Sodass nun also einer dieser deftigen Bayern-Folklore-Krimis beginnen könnte.
Das hat ja Tradition! Am Vorabend im Fernsehen wird immer wieder einer der "Rosenheim-Cops" beim Essen gestört, weil: "Es gabat a Leich!". Ebenfalls am Vorabend, aber nun in Wolfratshauen, machen sich zuerst "Hubert und Staller" und danach "Hubert ohne Staller" ans ländliche Aufklären. Und am erfolgreichsten ermittelte im Abendprogramm und von 1995 bis 2009 der nur körperlich schwerfällige Benno Berghammer (Ottfried Fischer) als "Bulle von Tölz", duellierte sich verbal mit dem schleimscheißigen Prälaten oder legte sich mit dem strippenziehenden Bauunternehmer Rambold an und stieß dabei immer wieder auf die Amigo-Verfilzungen der bayerischen Einheitspartei, die nie CSU genannt wurde.
Alles schmutzt in Niederkaltenkirchen
Das ging und geht oft ein bisserl ins Satirische, aber so richtig weh tut es nicht. Wie gesagt: Alles bayerische Folklore, und es spielt ja auch meist im Sommer unter einem weißblauen Himmel in schönen Urlaubsgebieten. Anders gesagt: Diese seriellen Krimis, die vor allem in Oberbayern angesiedelt sind und ihre Morde dekorativ in Wald und Flur und vor Bergen und am See drapieren, sind auch touristische Werbefilme. Die inzwischen erfolgreichste Serie aber spielt in Niederbayern, dem sozusagen tiefergelegten Teil des Freistaats, in den der Fortschritt nur zögerlich reinschaut und auch die Natur sich in Sachen Schönheit und Glamour eher zurückhält. Es sind die in ihren Titeln – von "Dampfnudelblues" (2013) bis "Leberkäs Junkie" (2019) – nach bayerischen Kulinarik-Spezialitäten benannten Eberhofer-Krimis, in denen der übel gelaunte Held (Sebastian Bezzel) in Sachen Liebe unabhängig und verantwortungslos bleiben will – sprich: ein groß gewachsenes Kind – und in Sachen Kriminalistik auch nicht der Engagierteste ist. Gleich nach Corona wird der Eberhofer erneut aufklären in Niederkaltenkirchen, diesmal im wieder von Ed Herzog inszenierten "Kaiserschmarrndrama". Auch Sigi Zimmerschied ist wieder dabei als Dienststellenleiter, und trotz aller Derbheiten und viel schwarzem Humor wird man es sich als Zuschauer wohl erneut gemütlich machen können.
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