Rechte Gruppen und Parteien wie die AfD sind in den letzten Jahren immer erfolgreicher geworden, über die Gründe wird seit Langem gestritten. Ein Erklärungssatz sieht vor allem die Bevölkerung ländlicher Regionen als anfällig für rechte Positionen, während die größeren Städte als Orte der Toleranz verklärt werden. Doch so einfach ist es nicht.
Solche Klischees zu hinterfragen, hat sich das Forschungsprojekt "Populismus und Demokratie in der Stadt" (PODESTA) zum Ziel gesetzt. WissenschaftlerInnen der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität und der Tübinger Eberhard-Karls-Universität stellten sich die Frage, wie städtische Konflikte in Stuttgart und Leipzig von rechten Gruppen genutzt werden könnten. Der Fokus der Untersuchung lag dabei nicht auf den rechten Gruppen, sondern auf der Frage, warum vorgeblich unpolitische BürgerInnen gemeinsam mit ihnen demonstrierten.
Die Medienwissenschaftlerin Anne Burkhardt und die Politologin Luzia Sievi aus Tübingen widmeten sich den Protesten gegen die Dieselfahrverbote in Stuttgart, die in ihren Hochzeiten zwischen Januar und April 2019 auch überregional für Aufsehen sorgen. Das hatte auch an einer geschickten Symbolpolitik der DieselfreundInnen gelegen, die sich gelber Warnwesten bedienten – angelehnt an die in Frankreich damals aktive Gelbwestenbewegung. Bei den Dieselprotesten, so haben die Wissenschaftlerinnen beobachtet, hätten sich vermeintlich unpolitische BürgerInnen nicht daran gestört, gemeinsam mit bekannten Figuren der rechten Szene – beispielsweise vom Verein "Zentrum Automobil" – zu demonstrieren. Die DieselfreundInnen gingen nach eigener Darstellung auf die Straße, weil sie es als Unrecht ansahen, mit ihren Autos nicht mehr in die Innenstadt von Stuttgart fahren zu können.
Parole: "Der Diesel gehört zu Deutschland"
Doch über diese persönliche Ebene hinaus sieht Burkhardt eine weitere politische Komponente , die von Rechts ausgenutzt werden konnte. Die Protestierenden gegen Dieselfahrverbote schützen nach ihrer Selbstwahrnehmung den Wirtschaftsstandort Deutschland vor SchwarzmalerInnen aus den Reihen der Umweltbewegung und des linksgrünen Lagers, den typischen Feindbildern der Rechten. Besonders Nichtregierungsorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die einige wegweisende Gerichtsurteile zum Dieselverbot in der Stuttgarter Innenstadt erstritten hatte, standen im Visier der Autolobby.
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Peter Grohmann
am 02.02.2022