"Da kannst du nicht durchblicken", sagt Pjotr über seinen Arbeitsvertrag und lacht resigniert. "Da müsste man sich einen Anwalt holen, um das alles zu verstehen." Der 58-jährige Pole arbeitet in der 24-Stunden-Betreuung für Pflegebedürftige. Und ist einer von offiziell 700.000 Menschen aus Osteuropa, die Care-Arbeit in Deutschland verrichten. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. "Bei uns verdient man so siebenhundert bis tausend, bestens. Zloty", erzählt Pjotr. "Und hier verdienst Du die 1.000, 1.200 Euro. Und vier Zloty sind ein Euro – das kannst Du ja ausrechnen."
Im Gegensatz zur AltenpflegerIn handelt es sich bei der Betreuungshilfe nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung. Eine Ausbildung ist keine Voraussetzung. Doch die Arbeit ist hart und anspruchsvoll. Rechtlich gesehen dürfte Pjotr seinen Pflegebedürftigen nicht einmal eine Salbe auftragen. In der Praxis kommt es ganz anders. Eigentlich müsste sich ein Pflegedienst kümmern oder die Familienangehörigen, weiß Pjotr, wenn ihm etwa eine wunde Stelle auffällt. Dann weist er die Verwandten darauf hin. "Und dann sagen sie: Ja, dann mach das doch bitte."
Doch neben Haftungsrisiken bringt der Job noch mehr Belastungen mit sich. Die Betreuungshilfen ziehen bei den Pflegebedürftigen ein, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsste die gesamte Zeit nach Mindestlohn vergütet werden – eigentlich. Doch ein Konglomerat aus undurchsichtigen Verträgen, ausgenutztem Unwissen und Menschen, die Geld brauchen und dafür Zumutungen auf sich nehmen, verhindert, dass die längst systemrelevanten Betreuungshilfen fair auf ihre Kosten kommen.
"Ich bin oftmals selber überrascht, wie sehr wir uns um alles mögliche kümmern und das Offensichtliche, was vor unserer Nase steht, nicht sehen", sagt Petra Krebs von den Grünen und räumt ein, dass ihr diese Einsicht zu schaffen macht. Die gesundheitspolitische Sprecherin der baden-württembergischen Landtagsfraktion betont, dass es im Arbeitsrecht eindeutige Gesetze gebe. Aber: "Es gibt eben auch verschiedene Arbeitsmärkte, und es sind gar nicht so wenige, wo das regelmäßig umgangen wird und man schaut nicht immer so ganz genau hin, weil … weil man's irgendwie volkswirtschaftlich gar nicht machen kann, das so richtig anzugehen, und das einzufordern, weil sonst ganz vieles zusammenprallen würde."
Welche Lösungsansätze sieht die Politik? Was sagen die Gewerkschaften zu diesem Missstand? Und welche Vorteile könnte das Schweizer Modell mit sich bringen?
Mehr dazu im Kontext-Podcast.
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