Mittwoch, 25.3.2020
Ich habe ein verdächtiges Kratzen im Hals. Wenn ich atme, sticht's ein bisschen in der rechten Brustgegend (von mir aus gesehen). Herzanfall. Mindestens Corona. Jetzt passiert's. Klemme einen Tennisball zwischen Rücken und Wand und lasse ihn in komplett lächerlichen Bewegungen über meine Rücken ruckeln. Stelle fest, dass der "Schmerz" von dort kommt und nach vorne strahlt. Klassiker. Ich sterbe nicht. Vorerst. Die Einsicht hat mich 30 Minuten gekostet. Wieder zu spät dran für Arbeit. Zum Bus gehetzt. Offener Hosenladen. Egal. Eh niemand hier, dem es auffallen könnte. Busfahrer wurden mittlerweile durch Schaufensterpuppen ersetzt. Muss so sein. Ein Busfahrer ohne Aggressionsproblem ist wie ein Chrystal-Meth-Suchti mit Zähnen: verdächtig.
Beim Bäcker wurden Plexiglas-Scheiben installiert, die die Verkäuferinnen gegen das Virus schützen sollen. Ein Opa labert Ewigkeiten auf eine Verkäuferin ein, die einfach nur nickt und freundlich lacht, aber kein Wort hinter der Scheibe versteht. Sabbere beim Sprechen gegen die Scheibe, weil ich automatisch näher mit dem Kopf ranrücke, als ich meine Bestellung wiederholen musste: "Eine JohanniSSSSbeer-SCHSCHSCHorle und eine SCHSCHSCHinken-KäSSSSSe-SSSSSeele, bitte". Igitt. Konsonanten werden wahrscheinlich auch bald verboten in der Öffentlichkeit. Im Büro angekommen, hallt die Stimme der freundlichen Androidin aus dem Aufzug in meinem Kopf nach. Bing. Siebter Stock. "Fahrtrichtung Abwärts". Welcome to hell.
Heute erfahren, dass ich endlich ins Homeoffice kann. Verrückt: Vor einer Woche hab' ich noch riesen Terror geschoben, weil alle schon daheim waren und ich noch ins Büro musste. Jetzt realisiere ich, dass es vielleicht gar nicht so dumm ist, sieben Stunden am Tag NICHT zuhause zu sein. Habe immer die strikte Trennung von Arbeit und Freizeit propagiert und Unternehmen wie Google verdammt, weil sie mit ihrer Bällchen-Bad-Mentalität die Grenzen aufheben und Arbeiter so zu den perfekten Sklaven machen, für die Zuhause und im Office sein irgendwann dasselbe ist. Schrecklich.
Donnerstag, 26.3.2020
Ausgepennt bis 1000 Uhr. 50 Prozent Arbeiten ist das Geilste, was mir in den vergangenen Jahren eingefallen ist. Ich will in den Wald. Gerate in einen Streit mit meinem Quarantäne-Boy, weil er nicht raus will. Auch nachdem ich ihm erklärt habe, dass Corona nicht wie der "Aktenzeichen XY ... ungelöst"-Vergewaltiger hinterm Busch vorspringt, sondern die Runde macht, wenn Menschen auf Menschen treffen. Er bleibt bei seinem Argument, dass zuhause bleiben NOCH weniger Risiko bedeutet, als NUR zu zweit in den Wald zu gehen. Dann 30 Minuten Social Distancing in der eigenen Wohnung.
Haben uns wieder gerafft, weil wir Essen besorgen mussten. Im Rewe wieder High Life. Klopapier und Mehl ist alle. Das kotzt mich brutal an. So viel Scheiße kann doch selbst Deutschland nicht produzieren, wie die Leute Klopapier kaufen! Genieße es trotzdem, einzukaufen, weil sich alle an den Abstand halten. Wie geil wär's, wenn das so bleibt. Für immer. Nie wieder hypovigilante Missgeburten, die einem den Einkaufswagen in die Hacken rammen – ohne, dass sie vom Rewe-Security-Personal richtig schön zusammengedeutscht werden. Lache schadenfroh, wenn die Leute, die auch schon vor Corona immer dumm im Weg rumgestanden sind, jetzt richtig geil gemobbt werden. Karma is a bitch, ihr Penner.
1 Kommentar verfügbar
Dr. Diethelm Gscheidle
am 01.04.2020den letzten Satz "Langweilig wird's mit Korona garantiert nicht" kann ich ganz und gar unterstreichen! Gerade für mich als ehrenamtlichem Helfer der redlichen Polizei tun sich hier völlig neue Betätigungsfelder auf.
Am Samstag letzter Woche habe ich mich -…