Also habe ich meinen Sigma-Taschenrechner mit Zahlen gefüttert: Mit 83 Millionen Einwohnern in Deutschland, von denen das Corona-Virus laut Charité-Virologe Christian Drosten bis zu 70 Prozent befallen wird. "58,1 Millionen", quantifiziert Wurzelbrecher die Zahl der Angesteckten. Ich frage ihn, wie viele davon so krank werden, dass sie ins Krankenhaus müssen (laut Experten rund 14 Prozent aller Infizierten). "9,3 Millionen", antwortet der Schmutziggraue ohne zu zögern. Ok, das ist angesichts von deutschlandweit rund 500.000 Krankenhausbetten beeindruckend. Wie viele der Corona-Befallenen müssen intensivmedizinisch betreut werden, will ich anschließend wissen. Laut Experten sind es etwa 6 Prozent der Infizierten: "3,5 Millionen", verrät mir der Rechner – was erste Schweißperlen auf die Stirn zaubert. Weil wir nur 28.000 Intensivbetten in Deutschland haben, von denen mehr als die Hälfte bereits durch "normale" Intensivpatienten belegt sind.
Den Magen verdreht es mir endgültig, als der Graue verrät, wie viele an Corona hier wohl sterben werden: "406.700 Menschen", verkündet Wurzelbrecher emotionslos. Und das ist noch die günstigste Annahme, die auf einer Mortalitätsrate von 0,7 Prozent basiert. "Influenza ist viel schlimmer, sie hat bereits mehr als 200 Tote in diesem Winter gefordert ", hieß es anfangs, als die Corona-Epidemie begann. Inzwischen ist das Virus pandemisch, das ohne Impfstoff und wirksame Medikamente weltweit mindestens rund 50 Millionen Tote fordern wird. Auch das hat mir Wurzelbrecher vorgerechnet.
Mein Taschenrechner hat nicht nur Zahlen ausgespuckt. Er hat auch gesagt, dass wir in Deutschland einen absoluten Shutdown brauchen, um das Virus noch einigermaßen in den Griff zu bekommen! Mit einer totalen Ausgangssperre wie in Italien und Frankreich. Sofort, ohne weitere Verzögerungen.
Wer das für überzogen hält: hier eine Studie dazu, die deutsche Übersetzung hier. Zeit zu lesen, in der häuslichen Isolation, haben wir genug.
War ich das?
Von Anna Hunger
Die Zahl der Handy-Spiele, die ich mir jemals aus dem App-Store geladen habe, ist mit insgesamt dreien überschaubar. Warum am 5. Januar 2020 Plaque inc. auf meinem Telefon landete, kann ich so genau auch nicht sagen. Das Ziel: Die Weltbevölkerung strategisch geschickt durch Bakterien, Pilze, Viren oder Parasiten auszulöschen.
Für die Verbreitung gibt es DNS-Punkte, mit denen man seine Krankheit entwickeln und den Gegebenheiten einzelner Länder (Klima, Bevölkerungsdichte, Finanzstärke, etc.) anpassen kann. Übertragung durch Vögel kostete 12 Punkte, der "Ausstoß von infiziertem Material durch projektilartiges Erbrechen" 4 Punkte und so weiter. Ein Spiel mit Suchtfaktor, viel schwarzem Humor (als Soundtrack dienen trockenes Husten und weinende Kinder) und manchmal gar nicht so einfach. Meine Krankheit hatte ich "Pflupf" getauft.
Die Spielentwickler behaupten, es basiere auf hyperrealistischen Daten, die Centers for Disease Control and Prevention, eine Abteilung des US-amerikanischen Gesundheitswesens, hat es 2013 als prima gelobt, weil es die Spielenden für Gesundheits-Themen sensibilisiere. Selbst als Anschauungsmaterial an Unis und Schulen wird es laut dem Amt genutzt. Beim Ausbruch von Ebola schnellten die Verkaufszahlen in die Höhe, derzeit steht Plaque inc. in der Liste bezahlter Spiele-Downloads auf Platz eins. Zeiten wie diese sind eine Goldgrube für die Entwicklerfirma. Vielleicht, weil der Mensch Krisen gerne mit Galgenhumor begegnet.
China hat das Spiel laut Medienberichten kürzlich aus den App-Stores löschen lassen. Weil es, so wird vermutet, ein schlechtes Licht auf das Land werfen könnte. Denn wer die Seuche in China startet, möglichst so, dass es erstmal keiner merkt und die Symptome nicht sofort zu erkennen sind, hat allerbeste Chancen zu gewinnen. Dicht besiedelt, großes Land, mit Häfen und Flughäfen gut angebunden. "Pflupf" hat ein paar Wochen lang inflationär und sehr erfolgreich die Weltbevölkerung dahingerafft. Nur manchmal bin ich gescheitert, vor allem an der Infektion von Grönland. Dann kam Corona und die Nachricht einer Freundin: "Scheiße, das ist wie in deinem Spiel."
Mittlerweile spiele ich es nicht mehr, weil es mir pietätlos erscheint. Und ich bin froh, dass ich nur auf Level 2 von möglichen vier gewonnen habe: Stufe "normal": "67,3 % waschen sich die Hände, Ärzte arbeiten drei Tage/Woche, Kranke werden ignoriert."
1 Kommentar verfügbar
Giuseppe
am 19.03.2020Was zu kurz kommt hier leider nach meiner Meinung: Italien, ziemlich schlimmer Hotspot, singt und trommelt gemeinsam von den Balkonen. Deutschlang hingegen, vergleichsweise mässig betroffen, gönnt sich gegenseitig keine Kloopappe.
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