Herr Restle, Sie werden aktuell stellvertretend für die "Monitor"-Redaktion mit dem Grimmepreis ausgezeichnet. Wegen der "kontinuierlichen und haltungsstarken Berichterstattung über Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus". Haben Sie den Eindruck, dass die Öffentlichkeit inzwischen sensibilisiert für diese Gefahren ist?
Wenn man sich anhört, wie die Reaktionen insbesondere nach Hanau ausgefallen sind, dann scheint ein gewisses Umdenken stattzufinden. Da gab es ja erstaunlich selbstkritische Statements, beispielsweise von Herrn Schäuble, dass die Gefahr durch Rechtsextremismus in diesem Land über Jahre unterschätzt worden sei. Es ist gut, dass das endlich erkannt wird. Allerdings zweifle ich daran, dass daraus auch die richtigen Schlüsse gezogen werden.
Die da wären?
Ich habe die Sorge, dass die Politik jetzt sehr stark auf repressive Lösungen setzt. Dass sie die Probleme über ein verschärftes Strafrecht angehen will oder mit mehr Befugnissen für den Verfassungsschutz. Ich glaube, das ist nicht das, was in dieser Gesellschaft gerade nottut. Wichtiger ist die Frage, wie wir eine Zivilgesellschaft stärken können, die die Demokratie mutig gegen Angriffe von rechtsaußen verteidigt – insbesondere in den östlichen Bundesländern.
Wer sich exponiert gegen rechts einsetzt, muss damit rechnen, angefeindet zu werden. Sie haben bereits Morddrohungen erhalten. Tut der Staat genug, um Betroffene zu schützen?
Ich habe lange Zeit nicht den Eindruck gehabt, dass die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland hier wirklich an Aufklärung interessiert waren. Das ändert sich gerade ein bisschen. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl – und da spreche ich auch von meinem eigenen Fall –, dass eine Sensibilisierung bei den örtlichen Polizeibehörden oder bei den Landeskriminalämtern vorhanden ist, wenn es um den konkreten Schutz von bedrohten Personen geht. Da sind wir wieder bei der Vernachlässigung der Gefahren durch den Rechtsextremismus, die ja schon seit Jahrzehnten evident ist. Das merkt man ja auch am verharmlosenden Umgang mit der AfD, die zwar nach demokratischen Regeln gewählt wurde, in deren Reihen aber mehrheitlich Menschen sitzen, die mit der demokratischen Verfassung dieses Landes wenig am Hut haben.
Durch etliche Tabubrüche ist offenbar ein Gewöhnungseffekt eingetreten, eine Art Normalisierung des Rechtsextremismus: Positionen, die vor ein paar Jahren noch für Empörung gesorgt hätten, regen heute kaum noch jemanden auf. Muss der Journalismus das so hinnehmen?
Ich glaube, da gibt es eine ganz klare Gegenstrategie. Journalisten und Medien, insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk, dürfen Rassisten und Extremisten keine Bühne bieten. Dafür streite ich schon seit Langem. Ich glaube, es braucht auch unter Kolleginnen und Kollegen ein klares Verständnis dafür, dass es nichts mit Ausgewogenheit und Perspektivenvielfalt zu tun hat, rechtsextreme Positionen zu verbreiten. Das haben wir bei "Monitor" schon 2016 kritisiert, als es um Talkshow-Auftritte von AfD-Politikern ging. Ich habe den Eindruck, dass sich diese Auffassung, wenn auch noch nicht überall, aber doch langsam durchsetzt, und hoffe, dass daraus auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.
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