Stellen Sie sich vor, das Shoppen im Städtchen hat zwei Stunden länger in Anspruch genommen als eingeplant, inzwischen ist Ihr Parkschein abgelaufen. Sie kommen zurück zu Ihrem fabrikneuen SUV, und dann, zappzarapp: ein Knöllchen! Aufgeseufzt, die Augen gerollt, ein kleines Ärgernis ist das ja schon, aber hilft ja nichts, zähneknirschend 15 Euro gezahlt, weiter geht die Fahrt.
Wer dagegen in Bussen und Bahnen aufs Ticket verzichtet, muss im Falle einer Fahrscheinkontrolle mit einer doppelten Bestrafung rechnen: Garantiert ist das sogenannte erhöhte Beförderungsentgelt, das nun zu blechen ist, in den meisten Verkehrsverbünden kostet das 60 Euro. Doch im Gegensatz zum Schwarzparker kann dem Schwarzfahrer darüber hinaus weitere Strafverfolgung drohen.
Bei den augenscheinlich ähnlich gelagerten Sachverhalten – in beiden Fällen nimmt ein Verkehrsteilnehmer eine Leistung in Anspruch, ohne den vertraglich festgelegten Gegenwert zu entrichten – wird nach geltender Gesetzeslage unterschieden: Beim Parken ohne Parkschein handelt es sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, und abgesehen vom Bußgeld sind keine Konsequenzen zu fürchten. Im Gegensatz dazu erkennt die deutsche Justiz jedoch beim Fahren ohne Fahrschein eine Straftat: das Erschleichen einer Leistung. Wenn sich nun ein Verkehrsverbund dazu entscheidet, einen straffälligen Schwarzfahrer anzuzeigen, kommt auf den sündigen Nahverkehrsnutzer im Fall einer Verurteilung – zusätzlich zum erhöhten Beförderungsentgelt! – eine weitere Geldstrafe zu. Oder aber es heißt: ab ins Gefängnis, für bis zu ein Jahr.
Von der Schwarzfahrerhaft sind in Deutschland durchschnittlich 5000 Personen pro Jahr betroffen, meist handelt es sich um einkommensarme Menschen, die Ersatzhaft absitzen, weil sie die ihnen aufgebrummte Geldstrafe nicht bezahlen können. In einigen Großstadtgefängnissen, etwa Neukölln, machen Ticketlose <link https: www.tagesspiegel.de berlin landespolitik ueberlastung-richter-wollen-keine-anklagen-gegen-schwarzfahrer-mehr _blank external-link>bis zu ein Drittel aller Eingeknasteten aus. Dabei kostet ein Otto-Normal-Häftling den Staat gut 130 Euro pro Tag. Auf ein Jahr hochgerechnet ergeben sich damit für die Inhaftierung von Schwarzfahrern Gesamtkosten von fast einer Viertelmilliarde Euro.
Erschleichen setzt Heimlichkeit voraus
Grüne und Linke plädieren daher schon seit Jahren dafür, Schwarzfahren zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Würde das Fahren ohne Fahrschein entkriminalisiert werden, hieße das nicht, dass Schwarzfahrer bei einer Ticketkontrolle kostenlos davon kämen – sondern dass mit einem erhöhten Beförderungsentgelt von 60 Euro genug Sühne getan ist und deswegen niemand mehr hinter Gittern landen muss. Inzwischen schließen sich auch der Deutsche Richterbund und sogar der konservative Justizminister aus Nordrhein-Westfalen, Peter Biesenbach, der Forderung an, zu überprüfen, was der Tatbestand des Schwarzfahrens im Strafgesetzbuch verloren hat. Biesenbach spricht auf "Zeit online" von einer Fehlentwicklung: "Wir haben allein am Montag in NRW rund 160 000 Euro dafür ausgegeben, dass Menschen inhaftiert sind, die das Gericht überhaupt nicht inhaftieren wollte."
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David Werner
am 20.04.2018