Das Problem ist, dass wir immer sehr kurzfristig schauen. Auch und gerade in diesem Wirtschaftsboom mehrt sich der Wohlstand, zumindest der empfundene, nicht mehr. Wachstum führt nicht mehr gleichzeitig zu einer Zunahme des Gemeinwohls, eben des Wohlstands aller. Sondern es führt zu einem viel zu viel, mit enormen Schäden für Umwelt und auch der Sozialverteilung. Zum Beispiel werden heute schon so viele Textilien produziert, dass die gesamte Weltbevölkerung nicht in der Lage ist, diese Textilien aufzutragen. Um in einem total übersättigten Markt noch weitere Umsatzsteigerungen zu erzielen, machen wir aus Kleidern Wegwerfartikel. Dieses Phänomen gibt es in fast allen Branchen. Etwa bei Lebensmittel, von denen vom Acker bis zum Ladenregal die Hälfte weggeschmissen wird, mit einem irrsinnigen Aufwand an Verpackungsmüll. Oder in der Mobilität, weil in den urbanen Zentren der Welt immer mehr Autos zu ständigen Staus und damit zur Immobilität führen.
Sie stellen das Wirtschaftssystem in Frage, das auf Konsum und basiert?
Ich nehme nur wahr, wie die Entwicklung ist. Unser Wirtschaftssystem stellt sich doch selbst in Frage, wenn sich Wachstum nur noch dadurch generieren lässt, indem die Schäden sehr viel größer als der Nutzen sind. Diese Negativbilanz zeigt, dass die Systeme die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht, ja sogar bereits überschritten haben.
Daimler und Porsche müssen doch Autos verkaufen, um den Wohlstand im Land zu sichern. Das sehen auch der Ministerpräsident und der Stuttgarter OB so, die beide Grüne sind.
Beide sehen sicher auch, dass dies ein Irrweg ist. Vor allem, wenn die Konzerne immer mehr und immer größere SUVs produzieren, weil sich damit am meisten verdienen lässt. Obwohl diese Modelle jede Parkplatzdimension sprengen und von den Emissionen her jenseits von gut und böse sind. Auch dies zeigt, dass dieses System an seine Leistungsgrenze stößt.
Was wäre die Alternative?
Die gibt es doch längst: neue Mobilitätskonzepte, weniger Individualverkehr, mehr Share Ökonomie, Ausbau des Nahverkehrs - möglicherweise umsonst, was keine schlechte Idee ist - und viel mehr vernetzte Verkehrsträger. Wenn ich von Bochum auf Dienstreise nach Schönau in den Schwarzwald gehe, fahre ich mit der Bahn nach Freiburg, wechsle dort auf Car Sharing und lasse den Wagen auf der Rückreise wieder am Fernbahnhof stehen. Man müsste letztlich nur die Rahmenbedingungen ändern, um nachhaltige Mobilität voran zu bringen.
Und was machen dann die Daimler-Arbeiter?
Strukturwandel bedingt Veränderungen, das ist unbestritten. Dieser Prozess trifft in Zeiten der Energiewende gerade die Mitarbeiter der Kohlekraftwerke. In der Branche gibt es derzeit noch 20 000 Arbeitsplätze. Es waren früher viel mehr. Allein der Kohlebergbau im Ruhrgebiet beschäftigte Hunderttausende. Wann aber, wenn nicht jetzt, sollen wir alte Strukturen umbauen? Momentan entstehen viele neue Arbeitsplätze durch Digitalisierung, auf Dauer werden auch manche wegfallen. Wenn bei den Autokonzernen nicht der Groschen fällt, dass es bald vorbei sein wird mit den Spritschluckern und sie nicht stattdessen vernetzte Verkehrsdienstleistungen anbieten, dann droht ihnen das Schicksal der großen Stromkonzerne: Die sind fast pleite gegangen, weil sie die Energiewende verschlafen haben.
Die GLS Bank ist Mitglied im CO2-Verein, der eine Klimaabgabe auf Treibhausgase fordert. Wie kommt eine Bank dazu, für Klimaschutz und Energiewende zu trommeln?
Wir sind im Bereich der regenerativen Energien schon seit Mitte der 80er Jahr aktiv, indem wir als Pioniere Windenergie und später auch Fotovoltaik finanziert haben. Erneuerbare Energien und Energiewende gehören zur Geschichte der GLS Bank. So außerordentlich erfolgreich das EEG ist und war: Zum Durchbruch muss führen, dass die Preise nicht mehr lügen, wie sie es im Moment tun. Die wahren Kosten müssen integriert werden. Der Preis des Kohlestroms muss die Umwelt- und Klimaschäden mitabdecken, die dessen Erzeugung verursacht. Dafür braucht es eine ausnahmslose CO2-Abgabe in der Größenordnung von 40 Euro pro Tonne. Dadurch wären erneuerbare Energien deutlich wettbewerbsfähiger als fossil erzeugter Strom. Zugleich würden Stromsparen und Energieeffizienz attraktiver. Die Engländer haben eine CO2-Abgabe, die Holländer auch. Wir brauchen sie, um jemals das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen, nämlich den Ausstieg aus fossilen Energieträgern bis 2050.
Wenn es zur GroKo kommt, wollen Union und SPD den Anteil der Erneuerbaren im Strommix bis 2030 auf 65 Prozent steigern.
Zur Umsetzung der Ziele steht im Koalitionsvertrag nur allgemein Unverbindliches. Die Politik tut sich momentan sehr schwer, eine klare und durchgängige Regelung für einen Ausstieg aus den fossilen Energien zu formulieren. Es wurden ja schon die Klimaschutzziele für 2020 kassiert. Wenn man nicht deutlich die Rahmenbedingungen ändert, werden wir auch die Vorgaben für 2030 nicht schaffen. Technisch und ökonomisch ist die Energiewende realisierbar, da sind sich inzwischen alle einig. Am Geld wird sie niemals scheitern. Wobei der CO2-Verein aufzeigt hat, dass sie sich endpreisneutral umsetzen lässt. Nur, wir haben noch immer hier eine Ausnahme und dort eine Sonderregelung, die das Ende der fossilen Energien auf die lange Bank schieben. Wir Deutschen waren einmal Vorbild bei Energiewende und Klimaschutz. Wir müssen aufpassen, nicht zum Schlusslicht zu werden, was der hiesigen Wirtschaft einen immensen Schaden herbeiführen würde.
Was macht die GLS Bank mit dem Geld ihrer Kunden?
4 Kommentare verfügbar
Michael Schmid
am 01.03.2018