Kevin verkörpert alles, was man dem Profikicker von heute nur qua Psychotrick und Prämie beibiegen kann: Mannschaftsgeist, Vereinstreue, Leidenschaft, Hingabe. Damit ist er Deutscher Meister, Pokalsieger, Nationalspieler, Mit-Weltmeister geworden. Er hat sich immer für die Kickerei, nie für seinen "Karriereplan" entschieden.
Deshalb blieb er auch nach dem Abstieg in Stuttgart. Jürgen Klopp adelte diesen Mann, nicht zufällig als die "Standleitung zu unseren Fans". Und die haben ein feines Gespür für Leute, die es ehrlich meinen. Deshalb lieben sie ihn. Deshalb haben sie Petitionen im Netz gestartet, um ihn zu unterstützen, <link http: www.openpetition.de petition online kevin-grosskreutz-zurueck-zum-vfb-stuttgart external-link-new-window>um ihn zurückzuholen. Deshalb standen sie Spalier, als er nach der Pressekonferenz das Gelände des VfB verließ – und klatschten ihm Beifall. Sie machten sich damit auch selbst Mut. Schließlich ahnen sie, dass so einer nicht mehr in die Auslage eines modernen Geschäftsbetriebes passt. Auf sie selbst kommt es im Geschäft mit dem "Marken-Event-Fußball" seit geraumer Zeit auch nicht mehr an. Sie sind im Stadion-Shop des Big-Kick-Bizz zu "Kunden" mutiert und dürfen allenfalls noch mit Stimmung und Choreos zur weltweit gut verkäuflichen Verpackung des milliardenschweren Entertainmentprogramms für die ganze Familie beitragen.
Präsident Dietrich braucht saubere Marken-Botschafter
In Stuttgart arbeitet der Unternehmer Wolfgang Dietrich an diesem Programm. Er ist einer, der Sätze wie "Außerdem ist mir wichtig, dass wir die Prozesse transparent gestalten und nach Möglichkeit optimieren" unfallfrei aussprechen kann, ohne schamrot zu werden. Kein Wunder, er war jahrelang Sprecher des, sagen wir, "umstrittenen" Projektes Stuttgart 21. Am 9. Oktober 2016 wurde er um Präsidenten des VfB Stuttgart gewählt, vorbildlich demokratisch, vorbildlich "alternativlos" – also ohne Gegenkandidat – mit vorbildlich knappen 57,2 Prozent.
Fest steht wohl, dass er entscheidungsstark auf die Ausgliederung der VfB-Profiabteilung in eine Aktiengesellschaft zusteuert. Seinen Mitarbeitern verpasste er erst einmal einen mehrseitigen Verhaltenskodex à la US-Handelskonzern Wal-Mart. Alle, vom Greenkeeper bis zum Spieler, sollen sich als "Marken"-Botschafter des Vereins und der Sponsoren begreifen. In so einem Hochglanz-Konstrukt sind "Pöhler" (Straßenfußballer) wie Kevin Großkreutz nur schwer zu vermitteln. Auch deshalb dürfte die neue Spitze des VfB die großkreutzsche Rosenmontagssteilvorlage so liebend gern aufgenommen haben.
Werte schwäbische Fußballfreunde, zum Schluss noch ein guter Rat aus dem Norden: Passt bloß auf, dass dem Kevin nix passiert und dass aus eurem Verein keine große Bahnhofsbaustelle wird.
Michael Friederici ist zuerst einmal Dortmunder, BVBler, um genau zu sein. Da hat er Fußball-Fan gelernt, das Schreiben bei der "Westfälischen Rundschau", danach Kritiken fürs Tübinger Tagblättle verfasst. Nach vielen Jahren bei einer Hamburger Filmproduktion nennt er sich jetzt wieder Kulturarbeiter.
11 Kommentare verfügbar
Blender
am 13.04.2017.. in der 2. Liga.
Ohne hin ist es ein Vas banque Spiel ob der Aufstieg klappt. Möge Darmstadt mit Großkreutz im Team viele Erfolge feiern.