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Stürmen für den S-21-Projektsprecher

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Die Stuttgarter Kickers sind ein lustiger Klub. Zum einen krebsen sie in der dritten Liga herum, zum andern gelten sie immer noch als Edelverein, dem auch kritische Geister die ewige Treue halten. Und dann gibt es noch Leute, die Geld in solche Vereine stecken, um am Ende daran zu verdienen. Das passiert auch bei den Kickers, hinter denen die Investor Quattrex Sports AG von Stuttgart-21- Projektsprecher Wolfgang Dietrich steht.

Ja doch, die Stuttgarter Kickers haben immer noch einige Fans, die schon am Leben waren, als es bessere Zeiten zu bejubeln gab. Und samstags so gegen halb fünf stehen die nach den Heimspielen der dritten Liga rund um den Fernsehturm an Theken zusammen und schwärmen bei einer Halben von früher, als man noch wer war mit dem blauen Schal um den Hals. Treue, leidensfähige Seelen, die seit Jahren einen Ritt auf der Rasierklinge zwischen sportlicher Bedeutungslosigkeit und finanziellem Ruin mitmachen. Aber es ist immer noch gut gegangen, irgendwie.

Trotzdem – es ist nun schon über 20 Jahre her, dass die Kickers zweimal ein Jahr in den Bundesliga spielten. Geblieben ist nur die Erinnerung an so manchen überraschenden Sieg. Und die Genugtuung, etwas erreicht zu haben, was selbst dem Großkopfeten vom VfB nicht gelungen ist, nämlich ein haushoher 4:1-Sieg beim FC Bayern München im Herbst 1991. Genutzt hat es freilich nichts, am Ende der ersten gesamtdeutschen Fußballsaison sind sie als 17. trotzdem abgestiegen. Ein Punkt hatte gefehlt, den hatte Wattenscheid 09 mehr. Seither geht es gelegentlich rauf, meistens aber eher runter. Sportlich und finanziell, wobei der monetäre Crash stets verhindert werden konnte. Entweder öffnete Großmäzen Axel Dünnwald-Metzler den Säckel, oder die Stadt Stuttgart zeigte Kulanz beim Schuldendienst. Man konnte die blauen Götter doch nicht schnöde sterben lassen – bei der Tradition und der kleinen, aber recht illustren Fangemeinde.

Aktuell mühen sich die Kickers, bei denen Spieler wie Jürgen Klinsmann, Guido Buchwald, Karl Allgöwer oder Fredi Bobic groß geworden sind, in den unteren Tabellenregionen der dritten Liga, allerdings mit deutlicher Tendenz Richtung gesichertes Mittelfeld. Zumindest im eigenen Stadion ist man zur Freude der Fans in jüngster Zeit dann doch wieder erfolgreich und will den Trend jetzt nach der Winterpause fortsetzen.

Wolfgang Dietrichs Quattrex – der Investor

Seit einiger Zeit mischt auf Degerlochs Höhen finanziell aber jemand mit, dem man nur bedingt eine emotionale Bindung zu den "blauen Göttern" nachsagen kann. Der neue Geldgeber wird schlicht "der Investor" genannt. Was klingt wie ein Filmtitel eines B-Movies aus Hollywood, ist eine nicht ganz neue Entwicklung im Profifußball, die aber immer mehr zunimmt. Geldgeber investieren Risikokapital in Vereine und versprechen sich davon satte Renditen. Mit dem Mäzenatentum des 2004 verstorbenen ehemaligen Präsidenten Axel Dünnwald-Metzler hat das nichts mehr zu tun, das eingesetzte Geld soll sich verzinsen, und zwar deutlich über den mickrigen Margen, die auf dem Geldmarkt im Moment zu erwirtschaften sind.

Bei den Stuttgarter Kickers stieg vor drei Jahren die Quattrex Sports AG ein. Im eigenen Internet-Auftritt findet man über diese AG nur den dürren Satz: "Die Quattrex Sports AG mit Sitz in Stuttgart ist ein im Finanzwesen des deutschen Profifußballs vielfältig engagiertes Unternehmen." Punkt. Dazu noch eine Adresse, eine Bankverbindung und Personalien: Als Aufsichtsratsvorsitzender steht da Wolfgang Dietrich, bekannt als Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart 21. Mehr ist über die Quattrex Sports AG nicht zu erfahren. Eine Anfrage zu einem Gespräch mit der Kontext:Wochenzeitung wurde sprachlich etwas holprig abgelehnt: "Wir äußern uns grundsätzlich in der Öffentlichkeit weder zu Vereinen, bei welchen wir engagiert sind, noch zu Vereinen, bei welchen wir nicht engagiert sind." Unterzeichner der dürren Mail: Christoph Dietrich, der Sohn des Bahnsprechers und Aufsichtsrat der Quattrex Sports AG.

Der Verein schweigt, und Dietrich sagt auch nichts

Aber warum? Ein Investment ist auch im Sport zunächst einmal nicht verwerflich, Renditestreben auch nicht. Warum also das Schweigen der Männer? Als "der Investor" vor gut drei Jahren mit einer Million Euro in Degerloch einstieg, versuchte Wolfgang Dietrich so gut er konnte zu verhindern, dass sein Name dabei öffentlich wurde. Wurde er natürlich doch, aber warum sollte er auch nicht? Möglicherweise, weil die Vertragsinhalte sicher nicht allen schmecken oder sich ein wenig nach Raffke anhören?

Offiziell spricht weder der Verein noch der Investor über das Thema, Teile des Papiers sind dennoch bekannt. So partizipiert der Investor prozentual an den TV-Einnahmen, der mittlerweile fast wichtigsten Geldquelle im Profifußball. Als Drittligist bekommen die Kickers jährlich etwa 800 000 Euro aufs Konto gespült, dem Vernehmen nach sind davon 200 000 für Quattrex. Das ist schon mal nicht so schlecht, bei einem Aufstieg in die zweite Liga würden sich aber die TV-Einnahmen auf mindestens fünf Millionen Euro erhöhen, und dann macht das Investment richtig Spaß. Sportlich ist damit zwar kurzfristig sicher nicht zu rechnen, aber der Vertrag gilt bis 2018. Und er wird jährlich teurer für die Kickers, da sich der prozentuale Anteil an den Einnahmen, im Fachjargon Bonuserlös genannt, nach vier Jahren in der dritten Liga von 15 auf 20 Prozent erhöht. Das behauptet "Bild" unter Berufung auf das Papier, das der Boulevard dann markig "Knebelvertrag" nennt. Ob er das ist – die Zeit wird es zeigen. Auf jeden Fall gewinnt natürlich "der Investor" per se Einfluss auf die Vereinspolitik. Er kann das ihm vertraglich zugesicherte Geld einfordern oder im Verein reinvestieren, grad wie er mag.

So manchem Anhänger ist das ziemlich egal. Im Fanforum im Netz kursiert die Meinung, Hauptsache Kohle, egal woher. Manch einem, der da Wochenende für Wochenende sein blaues Fanherz auf der Waldau klopfen lässt, passt das aber nicht. Die Skeptiker reiben sich vor allem an personellen Verquickungen. Bis im Januar 2013 saß Tobias Schlauch als Schatzmeister im Präsidium des Fußballklubs. Schlauch ist aber auch Vorstand der Quattrex Sports AG. Daran störte man sich aber erst, als die Quattrex sich auch beim Ligakonkurrenten Heidenheim engagierte. Schlauch quittierte denn auch das Amt.

Nach wie vor in Kickers-Gremien aktiv ist aber Christoph Dietrich. Der Aufsichtsrat der Quattrex sitzt auch im Aufsichtsrat der Kickers. Wobei zumindest nicht unüblich ist, dass große Geldgeber in den Aufsichtsgremien der Vereine präsent sind. Beim VfL Wolfsburg gibt es auch Mitarbeiter von Großgeldgeber VW im Aufsichtsrat. Ein Doppel-Aufsichtsrat ist aber schon auffällig und verstärkt die Stimmungslage in Degerloch, dass da Menschen Einfluss im Verein haben, die möglichweise viel von Geldvermehrung verstehen, denen aber die innere Teilnahme am Fußball herzlich egal sei.

Keine Emotionen unter schwarzen Anzügen

Joe Bauer, kantiger Kolumnist der "Stuttgarter Nachrichten" und seit Jahrzehnten leidensfähiger Kickers-Anhänger, sagt mit Blick auf die Haupttribüne: "Da gibt es schon eine Entfremdung zwischen den Fans und den Herren dort." Bauer erinnert sich an den Abstiegskampf der vergangenen Saison, als bei den Heimspielen im Stadionheft ständig neue Geschäftsführer und Akquisiteure in schwarzen Anzügen vorgestellt wurden, man aber nur wenig zum Spiel fand. "Wo", fragt Bauer, "bleibt da die Emotion?"

Das sehen andere auch so. Und haben Sorge, dass die Quattrex Sports AG zu mächtig wird – oder im Falle des sportlichen Misserfolgs die Lust verliert, das Geld rauszieht und den Verein damit an die Wand fährt. Im Moment wäre das allerdings kontraproduktiv, da dann das eingesetzte Geld auch futsch wäre. Aber bei Investments ist auch dies eine nüchterne Option, bevor man zu viel gutes Geld schlechten Perspektiven nachwirft. Und mit monetär schwierigen Situationen kennt man sich aus bei den Kickers. Früher gab es da aber ADM, der in seinen 24 Jahren an der Vereinsspitze privates Geld im siebenstelligen D-Mark-Bereich in "seinen" Verein pumpte. Herzblut statt Kalkül, Joe Bauer würde dazu "Emotion" sagen. So was gibt es nicht mehr.

Und auch auf die Gaben der Stadt im Notfall darf man künftig unterm Fernsehturm nicht allzu sehr hoffen. Der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn ist Bayern-Fan. Bisher hat Stuttgart freilich schon so manches Mal sein Herz für die "Blauen" gezeigt. Als 2003 die Kickers so gut wie Pleite waren, kaufte die Stadt dem Verein für 1,36 Millionen Euro den nach Dünnwald-Metzler benannten "ADM Sportpark" am Degerlocher Königsträßle ab. Und auch als in den späten 90er- Jahren die Kickers Schulden aus einer Renovierung des Stadions bei der Stadt drückten, war man im Rathaus mit Stundungen sehr kulant. Es ginge ja schließlich um einen Traditionsverein.

Der Präsident sagt, der Investor sei im Herzen Fußballfan

Ob das im Zweifel den Investor interessiert, ist fraglich. Tradition garantiert schließlich keine Rendite, und die möchte man natürlich schon, auch wenn man bei Quattrex darüber nicht reden mag. Bei der Hauptversammlung der Kickers im November versuchte Präsident Rainer Lorz die Skeptiker zu beruhigen. Der Investor sei im Herzen Fußballfan, fiebere bei Heimspielen mit und käme dem Verein auch bei Zinszahlungen entgegen. Darüber hinaus soll Quattrex, die auch bei Union Berlin und Rot-Weiß Oberhausen engagiert sein soll, noch weiter in den mit etwa 2,2 Millionen Euro verschuldeten Verein investiert haben. Ein ehemaliges Mitglied des Inner Circles erklärt, Quattrex habe jetzt noch einmal 900 000 Euro in den Verein gepumpt plus die Zusage, ähnliche Summen auch 2014 und 2015 zu bringen.

Die Kickers haben ihren Etat für die dritte Liga von 3,5 Millionen auf fünf Millionen erhöht – stehen also zukünftig schon in einer gewissen Abhängigkeit von ihrem Investor. Zum Trost der Skeptiker taugt aber die nüchterne Erkenntnis, dass sowohl Verein als auch Investor sportlichen Erfolg brauchen. Die Kickers, um ihren Ansprüchen als gefühlter Zweitligist gerecht zu werden; der Investor für seine angestrebte Rendite. Die hat er zwar auch, wenn die Kickers nicht nach oben kommen, im Falle eines Abstiegs wäre das Geld aber wohl perdu. Und der Verein ganz tief in der Versenkung. Für Wolfgang Dietrichs Firma gilt also ein entschiedenes: Oben bleiben.


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7 Kommentare verfügbar

  • Alter strässle
    am 17.08.2016
    Antworten
    Herr Dietrich verschweigt seine Pleiten aus den achtiziger und neunziger Jahren. Häussler Millionen aus der Tasche gezogen (David-Computer), der Familie Opel - Herrn Straube seine Millionen mit dem Imperium strässle verbrannt. Dort 1995 rausgeflogen.
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Ausgabe 459 / Grüne Anfänge mit braunen Splittern / Udo Baumann / vor 1 Tag 14 Stunden
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