Schon in der Offenbierung Kapitel 8, Vers 7 heißt es: "Und die krachledernen Engel posaunten: Und es ward ein Göckele und Feuer, mit Bier gemengt, und fiel auf die Erde. Und der dritte Teil der Meterwurst verbrannte, und alles grüne Gras verbrannte" – die Krüge hoch! Seit Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn am jüngsten Tage mit dem Hybrid-Stahlross nach Bad Cannstatt geritten kam, um mit dem Fassanstich das siebte Siegel in Grandls Hofbräuzelt zu öffnen, verdunkelte sich der Himmel über dem 171. Volksfest mit jedem der vier Holzhammer-Schläge zur Wasokalypse 2016. SWR-Scherzengel Sonja Faber-Schrecklein himmelhochjauchzte mit glühenden Augen ob der besungenen grasenden Hasen, während die Bier-Jünger von den Posaunen des Spaßaltars in Schunkeltrance versetzt wurden.
Seit fast zwei Wochen fallen Millionen wasokalyptische ReiterInnen mit ebenso viel Promille über Stuttgart her und ziehen ein Odeur aus gebrannten Mandeln, kaltem Rauch, Sauerkraut, Erbrochenem und verschwitzten Polyester-Dirndl hinter sich her. Sie haben vergessen, dass der Mensch bereits vor 2800 Jahren gelernt hat, seine Notdurft auf einer Toilette zu verrichten. Sie lehren arglose Reisende mit prävomitaler Schnappatmung in U-Bahnen die Furcht vor dem Bröckeleshusten. Sie lassen TaxifahrerInnen die Fäuste gen Himmel recken und aus voller Brust "Warum?" schreien. Und sie dringen nach der letzten Maß mit der Stadtbahn-Sonderlinie U666 – Verzeihung: U11 – auch in die Innenstadt vor, im Glauben, der Bierzelt-Spirit sei auch hier Gebot. Die vielbesungene "Hölle! Hölle! Hölle!" auf Erden.
Kein Prosit der Gemütlichkeit
Wenn die bunten Wurfbuden-Neonlichter samt Rummelromantik der Realität aus volltrunkenen NeoandertalerInnen weichen, wird klar: Es gibt kein Prosit der Gemütlichkeit. Denn die lateinische Wunschformel "prosit" (lat. "es nütze"), die ein wohliges Gefühl beschwören soll, erfüllt sich maximal für Familien und frisch Verliebte, die tagsüber gemeinsam Zuckerwatte zupfen und sich im Riesenrad die Köpfe an die Schultern legen. Zwar zählte die Polizei vergangenes Jahr "nur" 652 Eieinsätze, 500 Festnahmen und rund 1000 Anzeigen von Körperverletzung, über Beleidigung, bis Diebstahl und Sexualdelikt. Unzählbare Hände an Busen und Po, ungewollte Küsschen, Rüpeleien und anderes asoziales Verhalten gehören jedoch seit jeher zum obligatorischen Wasen-Wahnsinn. Mittlerweile bietet die Sparkasse sogar eine spezielle "WasenSchutz"-Versicherung an, die für 4,99 Euro nicht nur Schäden durch Diebstahl wettmacht, sondern auch Zahnersatz leistet und hilft, kompromittierendes Bildmaterial aus dem Internet zu löschen. Ein Freifahrschein, um sich zünftig daneben zu benehmen.
16 Kommentare verfügbar
Philipp Horn
am 10.10.2016Bin froh,daß es so was in Karlsruhe nicht gibt.