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World Games 2029 in Karlsruhe

Olympischer Glanz trotz leerer Kassen

World Games 2029 in Karlsruhe: Olympischer Glanz trotz leerer Kassen
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Die World Games sollen Karlsruhe Glanz und Prestige bringen. Zur Finanzierung rechnete die Stadt mit Zuschüssen von Bund und Land, ohne dafür eine Zusage gehabt zu haben. Trotz Sparkurs – auch im sozialen Bereich – hält die Stadtspitze an dem Großevent fest.

Berlin, Hamburg, München – in den vergangenen Jahren scheiterten die deutschen Metropolen regelmäßig an der Ausrichtung der Olympischen Spiele. Ursache war nicht zuletzt der Widerstand in der Bevölkerung. Mit einer sportlichen Großveranstaltung vor der eigenen Haustür verband die Mehrheit in Volksabstimmungen in Hamburg und München eine zu große finanzielle und ökologische Belastung. In Karlsruhe will sich die Stadtspitze davon nicht beeindrucken lassen. Noch bevor Deutschland 2040 eine neuerliche Olympia-Bewerbung abgeben will, sollen "im Herzen Europas" 2029 die World Games stattfinden. Die World Games gelten als die "kleine Schwester von Olympia" und bieten alle vier Jahre den nicht-olympischen Sportarten wie Faustball, Billard oder Tauziehen eine Plattform. 1989 waren sie schon mal in Karlsruhe zu Gast, ob aber 40 Jahre später wirklich internationale Sportler:innen nach Baden kommen werden, ist offener denn je.

Dabei ist Karlsruhe längst für die Austragung auserkoren. Nachdem sich der Deutsche Olympische Sportbund für Karlsruhe und gegen Hannover ausgesprochen hatte, entschied sich auch die International World Games Association (IWGA) im Mai dieses Jahres für Karlsruhe als Austragungsort 2029. Schon letzten Monat wollte die Stadt eigentlich das entsprechende "Organizer Agreement" mit der IWGA unterschrieben. Das wurde aber jetzt verschoben. Ein Entwurf werde "nicht vor Ende des Jahres" vorliegen, heißt es auf Anfrage von der Stadtverwaltung.

"Kleines Olympia"

Der Karlsruher Sportbürgermeister Martin Lenz (SPD) gibt sich optimistisch und scheut dabei nicht den Vergleich zu Olympia. "Wer das Glück hatte, in Paris dabei gewesen zu sein, der weiß, was für positive Effekte solch eine sportlich orientierte Veranstaltung in Bezug auf Völkerverständigung und soziales Miteinander hat." Die World Games hätten "sowohl in wirtschaftlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht" langfristig positive Wirkungen für Karlsruhe. Das hätten alle deutschen Städte nach der Ausrichtung einer Großsportveranstaltung gespürt, sagt Lenz. 5.000 Athlet:innen aus mehr als 100 Ländern in mehr als 30 Sportarten erwartet die Stadt zu den World Games, die aus Gründen der Nachhaltigkeit überwiegend in bestehenden Sportstätten stattfinden sollen. Die Rückmeldungen der Sportvereine seien überwiegend sehr positiv und bei der Organisation sollen die knapp 200 Vereine aktiv eingebunden werden.

Doch schon vor der Ausrichtung gibt es Zweifel, die vor allem mit der Finanzierung zusammenhängen: Es fehlt mal wieder am Geld. Auf knapp 100 Millionen Euro schätzt die Stadtverwaltung die Kosten für die Ausrichtung der Spiele. Als Kommune will die Stadt zehn Millionen Euro selbst tragen und hofft zudem auf Einnahmen, die zur Deckung der Gesamtkosten beitragen. 40 Millionen Euro sollen aus dem Bundeshaushalt und weitere 20 Millionen vom Land kommen, rechnet die Verwaltung vor. Nur: Diese Gelder sind bislang weder vom Land noch vom Bund zugesagt.

Keine Zusage für Förderung

"Von Seiten des Landes Baden-Württemberg wurde bisher keine finanzielle Unterstützung zugesagt und auch nicht in Aussicht gestellt", teilt das für Sport zuständige Kultusministerium auf Anfrage mit. Auch ein Sprecher des Bundesinnenministeriums betont, "keine konkreten Zuschüsse in Aussicht gestellt" zu haben.

Aber wie kam es dann dazu, dass die Stadtverwaltung mit diesen Zuschüssen rechnet? Gegenüber dem Gemeinderat sprach der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) von unverbindlichen "mündlichen Zusagen" der Bundes- und Landesmittel. Im Sommer sagte die Stadtverwaltung auf Nachfrage, dass "bereits Zuschüsse in Aussicht gestellt" worden seien. Auf neuerliche Anfrage heißt es nun: "Es gab bisher politische Signale hinsichtlich der grundsätzlichen Unterstützung, die zuversichtlich stimmen." Die Frage, warum die Mittel trotz der Unsicherheiten in die Finanzplanung eingestellt wurden, blieb von Seiten der Stadtverwaltung unbeantwortet. Verbindliche Zusagen für einen möglichen Zuschuss könnten aber frühestens bei den Haushaltsberatungen Mitte November erfolgen. Sollten sich die Parlamente im Bund und Land nicht für eine Finanzierung der World Games entscheiden, müsste Karlsruhe die Nominierung wieder zurückgeben.

Angesichts der seit Monaten zähen Haushaltsverhandlungen gibt sich das Bundesinnenministerium zurückhaltend. Seit der Vergabeentscheidung an Karlsruhe stehe man mit Land und Stadt in Verhandlungen über die jeweiligen Finanzierungsanteile, erklärt ein Sprecher. Es dauere aber noch, "eine finanziell tragfähige Lösung in Zeiten angespannter Haushaltslagen zu finden". Auch die baden-württembergische Landesregierung verweist auf noch offene Fragen. "Erst nach Klärung der Finanzierungsfragen werden weitere Planungen zu Unterstützungsmöglichkeiten vorgenommen", heißt es aus dem Kultusministerium. Die Stadt sei erst nach der "pressewirksamen" Verkündung der Bewerbung um die World Games auf das Land zugekommen.

Intransparenter Vergabeprozess

Die Karlsruher Stadtspitze hingegen, "informell" zur Bewerbung ermuntert worden zu sein. Die unterlegene Stadt Hannover kritisiert den Prozess der Vergabe deutlich. "Skandal" und "Kungelei" meldeten sich hier einige Stimmen zu Wort. Die Stadt Karlsruhe habe die Bewerbung um die World Games erst Wochen nach der offiziellen Bewerbungsfrist eingereicht. Dazu hätte Hannover im Gegensatz zu Karlsruhe bereits bei der Bewerbung eine Finanzierungszusage von Bund und Land vorgelegt, lauten unter anderem die Klagen aus Niedersachsen über einen intransparenten Vergabeprozess. Auf Nachfrage zu den Hintergründen der Vergabeentscheidung bat der Deutsche Olympische Sportbund um Verständnis, dass man zu "Details der internen Beratungen keine Angaben machen" wolle.

Zweifel an der Fähigkeit der Stadt die World Games auszurichten, versucht Oberbürgermeister Mentrup zu zerstreuen. "Karlsruhe bietet das nötige Know-how für eine solche Großveranstaltung, eine hohe Professionalität in der Umsetzung und eine sportbegeisterte Bevölkerung." Und doch spricht er angesichts der in Karlsruhe beschlossenen Maßnahmen zur Haushaltseinsparung von einer "Zumutung", mindestens zehn Millionen Euro für ein Sportereignis auszugeben. Dabei könnte das Minus für den Stadthaushalt letztlich noch höher werden. Selbst mit den Zuschüssen von Bund und Land weist die städtische Kalkulation für die World Games 2029 einen Fehlbetrag aus. Sollte die Stadt keine anderen Finanzierungsquellen auftun, droht ihr insgesamt ein Verlust von knapp 20 Millionen Euro durch die World Games.

Großveranstaltung im Sparhaushalt

Mentrup setzt auf eine "Umwegrentabilität" durch zusätzliche Besucher:innen in der Stadt, die Tourismus und Einzelhandel befördern sollen. Doch die Kostenkalkulation erfährt auch von anderer Seite Kritik. Alleine die Kosten der Eröffnungs- und Schlusszeremonie beziffert die Stadt auf sieben Millionen. Für weitere Feiern und Zeremonien sind noch einmal knapp drei Millionen Euro veranschlagt. Statt in zwei "wunderschöne Abende" solle die Stadt doch "eher dort investieren, wo wir einen nachhaltigen und langfristigen Effekt für die Stadt haben", mahnte die Linksfraktion im Gemeinderat.

So wurde in der jüngsten Haushaltskonsolidierung beispielsweise beschlossen, knapp vier Millionen Euro aus dem Gewinn des städtischen Wohnungsunternehmens Volkswohnung zur Sanierung des städtischen Haushalts statt für den Wohnungsbau zu nutzen. Insgesamt wurde der Stadthaushalt zuletzt um 87 Millionen Euro gekürzt, auch im sozialen Bereich. Höhere Kita-Gebühren oder steigende Gebühren für das Mittagessen in Schulen gehören zu den insgesamt fast 300 Sparmaßnahmen. Einen Zusammenhang zu den hohen Austragungskosten der World Games mag der zuständige Bürgermeister hier nicht erkennen. "Eine Großsportveranstaltung für Jung bis Alt ist kein Widerspruch zur Notwendigkeit von Einsparungen auch im sozialen Bereich", sagt Sozial- und Sportbürgermeister Lenz. Vielmehr sei es bei den Sparmaßnahmen gelungen, "soziale Investitionen, die sich rechnen, auszunehmen."

Ob Karlsruhe beweisen kann, dass mit positiver Stimmung und den konjunkturellen Effekten der erwarteten Gäste tatsächlich ein Gewinn für die Stadt entstehen kann, liegt aktuell in den Händen von Christian Lindner und der Ampel-Regierung.

Korrektur-Hinweis: In der ursprünglichen Veröffentlichung schrieb unser Autor, in der jüngsten Haushaltskonsolidierung sei beschlossen worden, "künftig zehn Millionen Euro pro Jahr aus dem Gewinn des städtischen Wohnungsunternehmens Volkswohnung zur Sanierung des städtischen Haushalts statt für den Wohnungsbau zu nutzen". Die genannte Summe ist falsch und wurde im Text nachträglich korrigiert.

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