Am 30. Mai 2021 unterschrieb Karl Lauterbach (SPD) höchstpersönlich die Petition des Aktionsbündnisses "Bundesweite Krankenhausschließungen jetzt stoppen". Damals war noch Jens Spahn (CDU) Gesundheitsminister. Als die Petition mit ihren 15.760 Unterschriften im Februar 2022 in Berlin im Bundesgesundheitsministerium übergeben wurde, richtete sie sich an den neuen Minister: Karl Lauterbach. Die Petition fordert im Kern, dass die von Insolvenz bedrohten Krankenhäuser vom Staat unterstützt, das Krankenhauspersonal insbesondere in der Pflege aufgestockt und das Fallpauschalen-Abrechnungssystem abgeschafft werden müssen.
Eigentlich ideal: Der Abgeordnete Lauterbach forderte etwas, das er sieben Monate später als Bundesgesundheitsminister umsetzen könnte. Stattdessen aber verkündet er seine Vorstellungen von einer "Revolution im deutschen Krankenhauswesen" und die ist meilenweit von dem entfernt, was er einmal unterschrieben hatte.
Seine von ihm eingesetzte Regierungskommission entwarf ein Papier mit dem Titel "Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung". In der Öffentlichkeit wird dieses nun von den Protagonisten als "die bisher größte Krankenhausreform" verkauft: Es wird von einer "dramatischen Entökonomisierung", von einer "Überwindung der DRGs (Fallpauschalen)" gesprochen. Zitat Lauterbach: "Die Medizin wird in den Vordergrund der Therapie gestellt und folgt nicht mehr der Ökonomie." Große Worte, die Hoffnungen schürten. Die Erwartungshaltung war hoch. Umso dramatischer nun die Fallhöhe.
Eigentlich rechnen sich nur teure Behandlungen
Wenn es richtig ist, dass die wirtschaftlichen Probleme der Krankenhäuser, wie der Bundesgesundheitsminister jetzt sagt, durch das 2003 eingeführte Abrechnungssystem der sogenannten "Fallpauschalen" entstanden sind, stellt sich die Frage, warum es dann nicht gänzlich abgeschafft wird? Das Fallpauschalensystem bedeutet, dass eine Klinik pauschal eine festgelegte Vergütung für die Hauptdiagnose des Patienten erhält unabhängig davon, wie tatsächlich krank ein Mensch ist, ob es weitere Diagnosen gibt und welche medizinischen Ressourcen für eine Gesamttherapie aufgebracht werden müssen. Denn: Will eine Klinik nicht Verluste machen, wird sie sich vorwiegend auf die Behandlung der Hauptdiagnose konzentrieren. Der Patient wird möglichst schnell, beispielsweise aus der chirurgischen Abteilung, entlassen und im Abstand von einigen Wochen beispielsweise in die Innere Abteilung wieder aufgenommen. Mit dann neuer Hauptdiagnose. Das "Abrechnungsspiel" beginnt von vorne. Das kann sich, je nach Erkrankungsvielfalt des Patienten, mehrfach so wiederholen.
Dieses System, den Patienten in Einzelerkrankungen zu zerteilen, führte in der Vergangenheit zu einer "Drehtürmedizin". So werden zusätzliche Kosten kreiert und falsche ökonomische Anreize gesetzt. Kein Wunder, dass Deutschland in der Anzahl der stationären Behandlungen pro Einwohnerzahl international eine Spitzenstellung innehat (2019 beispielsweise 19,4 Millionen stationäre Patientenversorgungen laut dem internationalen Vergleich der stationären Versorgung, Gesundheitsberichterstattung des Bundes).
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