Die Sexarbeiterinnen sitzen auf Barhockern, um die Stangen und vor den Spiegeln winden sich MedienvertreterInnen, der Andrang im Table-Dance-Club ist groß, die Tattoo-Dichte auch. Masken tragen alle, beliebt bei Männern aus dem Milieu: Totenkopfmaske, die ein grimmiges Lächeln ins Gesicht friert. Es ist eine Pressekonferenz mit gekonnter Inszenierung und einem klaren Ziel: Der Shutdown im Sexgeschäft soll beendet werden, den Frauen – und nicht nur ihnen – fehlt das Geld, manche an der Bar behaupten gar, ihnen fehlten die körperlichen Kontakte zu den Freiern. Und außerdem hätten sie ein super Hygienekonzept, Sexverkauf gehe auch mit Maske, und schließlich gebe es ja nicht nur die Missionarsstellung, zwinkerzwinker. Verständnisvolles Grinsen unter den Masken. Schließlich ist hier keiner verklemmt.
Menschenhandel, Zwangsprostitution oder Gewalt sind kein Thema im Messalina im Stuttgarter Rotlichtviertel. Diese Show für die Presse ist ein bisschen wie Tag der offenen Tür bei der Bundeswehr. Keiner redet über Krieg, alle bestaunen die Gewehre, und wer Glück hat, darf mal mit dem Panzer fahren.
Sexistische Dominanz? Kein Thema
Man könnte meinen, der Sex-Job sei ein Riesen-Spaß, bei dem sich alle Beteiligten köstlich amüsieren. Jetzt hat ein Virus dieser Gute-Laune-Veranstaltung ein Ende gemacht, dabei könnte alles so einfach sein: "Wenn dann die Sexarbeiterin und der Kunde ihr Amüsement beendet haben, dann wird gereinigt", sagt Stefanie Klee vom Bundesverband Sexueller Dienstleistungen (BSD). Und schwupps, so ganz nebenbei, wird gekaufter Sex zu einem Geschäft ohne Machtgefälle und sexistische Dominanz. Und mit einem 1a-Hygienekonzept.
Hier im Club Messalina will man wissen, wie denn die Reinigung nach dem "Amüsement" aussieht, die Vorsichtsmaßnahmen wegen Corona, woran hätten die Sexarbeiterinnen denn so gedacht? Naja, 1,50 Meter Abstand, Hände und Wäsche waschen, duschen, nicht nur Missionarsstellung (siehe oben). Und Daten der Kunden erheben natürlich, um die Ansteckungskette verfolgen zu können. Letzteres klingt besonders erfolgversprechend, sind Freier ja für ihre Offenheit in Sachen Sexkauf bekannt. Sie würden sicher auch gerne mal einen Anruf zu Hause bei Frau und Kindern kriegen, wenn eine Prostituierte sich Corona eingefangen hat. Doch, da sind die Frauen im Messalina ganz sicher.
Man könnte meinen, auf den Barhockern vor den Fernsehkameras und Schreibblöcken sitzen lauter Feministinnen, die älteren unter ihnen behaupten, für befreite Sexualität und das Recht auf ihren Körper auf die Straße gegangen zu sein. Befreite Sexualität? Weg von der Verklemmtheit? Das mag ja für die Sexarbeiterinnen Miss Daria oder Johanna Weber vom Berufsverband zutreffen. Für die Freier eher nicht. In Schweden, wo Sexkauf verboten ist, gelten Männer, die eine Frau nur über Geld ins Bett kriegen, längst als Loser.
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Tanja
am 28.09.2020