Das Bündnis für Wohnen, von Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit großem Tamtam ausgerufen, ist eine Sackgasse, die Fortsetzung längst gescheiterter Politik. Seine neueste Initiative zeigt dies deutlich. Sie sieht vor, die letzten großen städtischen Flächen an Wohnungsbauunternehmen zu verkaufen. Um 45 Prozent verbilligt, damit sie bis 2019 auch mietpreisgebundene Wohnungen bauen. Mit dem Deal nähere man sich dem Ziel von 300 Wohnungen pro Jahr im sozialen Mietwohnungsbau an, wird Finanzbürgermeister Michael Föll zitiert. Damit hätte der OB in seiner Amtszeit zwar etwas von seinem Konzept "Wohnen in Stuttgart" umgesetzt, aber es noch nicht einmal geschafft, den vorhersehbaren Verlust von mindestens jährlich 468 mietpreisgebundenen Wohnungen bis 2020 auszugleichen.
Und noch etwas: Gemeinderatsmehrheit und Verwaltungsspitze bemühen bis heute das Klischee vom Getto, wenn über sozialen Wohnungsbau gesprochen wird. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun. Die 6200 unversorgten Stuttgarter mit Wohnberechtigungsschein sind keine abgestürzten Hartz-IV-Empfänger. Alle Untersuchungen sagen voraus, dass die Altersarmut dramatisch zunehmen wird – alles in die Jahre gekommene Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger? Ein Viertel der lohnabhängig Beschäftigten muss im Niedriglohnsektor arbeiten. Eine alleinerziehende Krankenschwester verdient nach sechs Dienstjahren 1420 Euro netto. Bleibt da nach der Miete noch genug Geld für das Leben übrig?
What the fuck, was soll die Leier vom Getto?
Was soll, what the fuck, die elende, gebetsmühlenhaft von Grünen, SPD und CDU wiederholte Leier von den Gettos? Die ständig beschworene Durchmischung von Wohnvierteln findet in Wirklichkeit doch statt durch Verdrängung von Mietern mit kleinen Einkommen. Von Durchmischung an der Gänsheide oder am Killesberg hat noch nie jemand geredet.
Fritz Kuhns Programm ist allein schon deshalb ein Tropfen auf den heißen Stein, weil es den tatsächlichen Bedarf nicht im Entferntesten decken wird. Und das Bild des verdampfenden Tropfens beschreibt auch die Methode der gängigen Mietpreisbindungspolitik sehr treffend: Öffentliches Geld und öffentlicher Boden wird für Investorengewinne verdampft. Für Mietpreisbindungen mit befristeter Laufzeit, an deren Ende die Umverteilungsmaschine von Neuem angeworfen werden muss.
Wer soziale Wohnungsversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge dauerhaft sicherstellen will, muss bereit sein zu einem radikalen Kurswechsel. Statt Grundstücke zu verkaufen, müssen Grundstücke für den Gemeindewohnungsbau von der Stadt erworben, selbst mit Wohnungen bebaut, bewirtschaftet und vermietet werden. "In Deutschland haben viele Städte in den vergangenen Jahren ihr Tafelsilber – Flächen und Wohnungen – verkauft. Aber die Hoheit über Immobilien in der eigenen Stadt ist die Bastion, um Verdrängungsmechanismen des Markts standhalten zu können", sagt Ilse Helbrecht, Professorin für Metropolenforschung an der Humboldt-Universität Berlin, und sie hat recht. Nur mit dem Ausbau des Gemeindewohnungsbaus besteht eine realistische Chance, diese Hoheit in Stuttgart und für die StuttgarterInnen wieder zurückzuerobern.
Amsterdam und Wien machen vor, wie es gehen kann
Die Stadt Amsterdam hat diesen Kurswechsel eingeleitet und einen Bodenfonds zum Aufkauf von Immobilien und Grund eingerichtet, um der Spekulation entgegenzuwirken und das Wohnen in einer "Stadt für alle" bezahlbar zu halten beziehungsweise wieder zu machen. Die Stadt Wien ist der größte Grundbesitzer der Stadt. Über 220 000 Menschen leben in preiswerten Gemeindewohnungen, die von der Stadt gebaut wurden und verwaltet werden. "Wien, Du hast es besser!", schrieb dazu die Zeitschrift "Brand eins", die sonst weniger das Gemeinwohl im Auge hat und den Tafelsilberverkäufern in Stadtrat und Verwaltung zu denken geben sollte.
21 Kommentare verfügbar
Kornelia
am 03.11.2015Sozial wurde zum Charity, zum Äbäh Wort.....
Dabei ist sozial die Grundlage aller Lebewesen!
Wir sollten endlich mit Sozialhilfe ALLES bezeichnen was vom Gemeinschaftsgeld…