"Wärst du doch der alte Besen!", jammert Goethes Zauberlehrling, als die Wasserströme über jede Schwelle laufen und er sieht, was er angerichtet hat. Viereinhalb Monate vor der Landtagswahl ist diese Rolle so manchem CDU-Granden im Land auf den Leib geschrieben. Seit dem Machtverlust von 2011 wurden unentwegt Feuerchen geschürt, grüne und rote Minister, vor allem Ministerinnen, und natürlich speziell Winfried Kretschmann regelmäßig persönlich verunglimpft, angebliche und tatsächliche Versäumnisse oder Fehlentwicklungen so drastisch gerügt, als stünde das Land kurz vor dem ultimativen Absturz. Und jetzt kommen Spitzen der AfD und nehmen genau diese Tonlage auf, um in den nächsten Wochen so viel Wasser wie möglich auf die eigenen Mühlen umzulenken. "Bei uns geht die Angst um, weil die Leute nicht mehr auf uns hören wollen", erzählt einer der bekennenden Konservativen in der CDU-Fraktion. "Ach! nun wird mir immer bänger", könnte er mit Goethe hinzufügen.
Im Unterschied zum Zauberlehrling wissen die rechten Plagiateure allerdings genau, was sie tun. Erwin Teufel hat jahrelang gegen die "Verspargelung" der Höhenzüge des Schwarzwalds durch Windräder polemisiert und Baden-Württemberg dementsprechend als windenergetisches Entwicklungsland zurückgelassen. Der Begriff macht noch heute die Runde, auch wenn es darum geht, dem grünen Umweltminister Franz Untersteller angebliche Misserfolge vorzuhalten. AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen, der freundliche Wirtschaftsprofessor an der Verwaltungshochschule in Kehl, greift das Bild genüsslich auf. Zur Ausgestaltung des persönlichen Images auch noch verpackt in eine Geschichte, die nicht im Schwarzwald, sondern in Koblenz spielt, wohin er regelmäßig fährt, um seine betagte Mutter im betreuten Wohnen zu besuchen. Und dann schockiere ihn, wie verspargelt das schöne Rheinhessen sei. So weit dürfe es mit Baden-Württemberg nicht kommen.
"Bin ich ein Rassist?"
Die Worte sind geschickt gewählt. An einer anderen Stelle seiner bejubelten Rede auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende in Horb am Neckar wird der 54-Jährige mit dem saloppen Habitus beklagen, wie rar der "gepflegte Umgang mit dem Instrument der Sprache geworden ist". Seiner jedenfalls ist scharf kalkuliert. Wenn er sich als stolzen Vater von fünf Kinder und "vier Patenkindern in Schwarzafrika" präsentiert und mit der rhetorische Frage "Bin ich ein Rassist?" die gut 300 Mitglieder zu stehenden Ovationen hinreißt; wenn er die "bigotte Selbstgerechtigkeit" der AfD-Kritiker geißelt – schon wieder springen alle applaudierend auf; wenn er die große Zahl der Wohnungseinbrüche und die Fehlentwicklungen in der massiv überbelasteten Polizei beklagt; wenn er, rhetorisch abermals ganz nah an der Opposition, die Gemeinschaftsschule als semisozialistische Einheitsschule diffamiert.
Gerade in der Bildungspolitik zeigt sich, wie groß die Schnittmenge von CDU und AfD ist und wie tief die Grube, die sich die CDU gegraben hat. Als Thomas Strobl und Guido Wolf an diesem Montag den Entwurf des Wahlprogramms vorlegen, stellt sich heraus, dass eines ihrer zentralen Kampfthemen der vergangenen drei Jahre darin gar nicht mehr vorkommt: die neuen Bildungspläne mit ihrer Verankerung der Akzeptanz sexueller Vielfalt. Viel Unmut ist gesät worden, auf unappetitlichen "Demos für alle" lassen sich noch immer CDU-Mitglieder sehen – gerade aus Strobls Heimatkreisverband Heilbronn. Öffentlich dagegengestellt hat er sich aber nie und stattdessen entsprechende Fragen mit dem Hinweis auf die Vielfalt in der Volkspartei abgebügelt. Die Ernte der Hetze will jetzt die AfD einfahren. Weil es 2015 wieder so ist, wie es 1991 im Wahlkampf mit den "Republikanern" schon war: Halb radikal zieht nicht in den Kreisen, die der CDU ein möglichst schlechtes Ergebnis bescheren sollen.
1 Kommentar verfügbar
Blender
am 28.10.2015Mit dem Mappus-light Kandidaten entschied sich die CDU für einen Wolf im Schafspelz der für ein "Eigentlich war Mappus gar nicht so schlecht"…