Die 31. Sitzung bringt erst einmal 15 Minuten Hass und Verhöhnung: Im abgedunkelten Plenarsaal wird die Bekenner-DVD des NSU vorgeführt, die unter dem Namen "Paulchen-Panther-Video" bekannt geworden ist. Vermutlich "post mortem", sagt BKA-Experte Harald Dern, habe der Clip die Täterschaft des NSU bei den Mordanschlägen in Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund und Kassel belegen sollen. Und so kam es auch. Im Brandschutt des von Beate Zschäpe angezündeten letzten Wohnsitzes in der Zwickauer Frühlingsstraße wurden 270 Gigabyte Videodaten gefunden. Anhand von 463 Dateien konnten die Auswerter den Prozess der Herstellung analysieren – am Kriminalistischen Institut, um die "Stimmigkeit der Konstruktion der kommunikativen Botschaft aus sich heraus bewerten zu können", wie der Zeuge erläutert.
In Sachen Kiesewetter erwies sich der Aufwand nicht als hilfreich. Hinweise auf die Theresienwiese gibt es nur am Ende des perfiden Machwerks, platt drangeklatscht. Ein Kontrast zu all den mühseligen Schnitt- und Synchronisierarbeiten, mit denen die Filmmacher Paulchen Panthers Wege durch den mörderischen NSU mit Originalmusik und -kommentaren unterlegt und nachgezeichnet haben. Eine Collage aus Fotos, unter anderem vom Trauerzug und einer Polizeiwaffe, ist abspanngleich nach den berühmten Worten "... ich komme wieder, keine Frage" eingeblendet.
BKA-Experte spricht von "schierer Mordlust"
Zuvor schiebt sich Paulchens rosa Schlangenarm einmal in den Cartoon, um auf einen Polizeibeamten anzulegen. Der BKA-Experte kann darin keine Signale auf ein gesteigertes Interesse an Anschlägen auf die Staatsmacht herauslesen. Allerdings kann er die allmähliche Veränderung weg von simplen rassistischen Parolen hin zu einer ziemlich detailverliebten Produktion nachvollziehen. Der Panther sei "ein Schelm", erläutert Dern, "ein Protagonist, der immer siegreich bleibt, der nicht wirklich böse ist, so zeitlos, dass man ihn in zehn Jahren auch noch cool finden wird, davon abgesehen, dass er jetzt durch das Video diskreditiert ist".
Angesichts der IT-Kenntnisse und des Engagements, ohne das die Macher, allen voran vermutlich Uwe Mundlos, die 15 Minuten nicht hätten gestalten könnte, verwundert nicht nur den Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) der Verzicht auf eine entsprechende Einarbeitung der Heilbronner Tat. Der Zeuge bietet eine einfache Erklärung an: Die Arbeit an dem Clip wurde vor der Tat abgeschlossen, danach hatte das Trio einen vierwöchigen Urlaub auf Fehmarn im Blick. In den vier Jahren bis zum mutmaßlichen Selbstmord der beiden Männer in Eisenach wäre jedoch reichlich Zeit gewesen, um Michèle Kiesewetter etwa in jener Szene einzuarbeiten, in der Paulchen von den anderen Taten träumt, Opferbilder mit zerschossenen Gesichtern inklusive. Drei dieser Aufnahmen müssen die Täter nach den Erkenntnissen der Ermittler übrigens selber gemacht haben. "Während ihre Opfer im Sterben lagen", sagt Dern und spricht von "kalter Mordlust", die durch die Comic-Figur abgemildert werden sollte.
9 Kommentare verfügbar
Kornelia
am 03.11.2015Es ging mir mal wie Sasha Lobo, ich sah das Internet als eine ur-demokratische Bereicherung!
Heute denke ich es ist wie auf den Autobahnen, wo erwachsene Menschen drängelnd, unerbittlich und rechthaberisch nicht selten Verfolgungs-wahn-jagden…