"Wir sind das Volk!" behaupten die Pegida-Demonstranten. "Nein, ihr seid nicht das Volk!", entgegnet Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) auf der jüngsten Kundgebung auf dem Schloßplatz. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt, die islamfeindlichen Demonstranten nennen sich zwar "das Volk", meinen aber: "Ihr gehört nicht dazu." Und der Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer empört sich, ein "Freiheitsruf" der DDR-Bürgerrechtsbewegung werde jetzt schamlos missbraucht. Wer hat nun recht?
Es sind nicht nur Grenzen aus Draht und Beton oder soziale Ängste, die das Fürchten vor dem Unbekannten lehren, in Deutschland mentalitätsgeschichtlich eingegraben scheinen und sich jetzt als autoritäres Aufbegehren auf der Straße zeigen. Die "Grenzen der Welt" werden auch in den Grenzen der Sprache manifest, wie Johann Gottfried Herder feststellte. Eine Grenze der politischen Sprache, ja des politischen Denkens in Deutschland zeigt sich in dem immer wieder auftauchenden Selbstverständnis diverser oppositioneller Gruppen als "das Volk". Denn "das Volk" hat nie etwas mit Freiheit und Gerechtigkeit im Sinn gehabt, es ist immer auf Ausgrenzung aus.
Warum der VW wohl Volkswagen heißt?
Wer sich als "das Volk" bezeichnet, behauptet, im Interesse einer zu kurz gekommenen Mehrheit zu handeln. Dabei beziehen sich verschiedenste politische Richtungen auf "das Volk": Die SPD nannte ihr Zentralorgan 1889 "Volksstaat", andere Zeitungen hießen "Volksfreund" oder "Volksstimme". Angestrebt war ein "freier Volksstaat". Volksbanken wurden seit 1864 gegründet. Volksräte, Volkswehren und ein "Rat der Volksbeauftragten" wurden in den 1920er-Jahren gegründet. Die "Volkwerdung der deutschen Nation" sah Goebbels im November 1933 als ein Ziel des deutschen Faschismus. Euphemismen wie "Volksempfänger", "Volksgerichtshof" und "Volkswagen" gehörten zur Propaganda.
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Peter Jaurich
am 04.02.2015(aus der taz)