Es ist ja nicht nur der Adel, dessen Grundbesitz unangetastet bleibt. Es sind grundlegende Herrschaftsstrukturen, wie etwa die Justiz, die mit stark vordemokratischen Prinzipien in der Weimarer Republik überlebt und wirkt. Sie ist, verharmlosend gesagt, auf dem rechten Auge blind. Allein in den ersten beiden Weimarer Jahren sprechen deutsche Richter gegen Mitglieder der Linken acht Todesurteile sowie 176 Jahre und zehn Monate Gefängnisstrafe aus. Ihnen werden 13 Morde zur Last gelegt. Gegen Mitglieder rechter Gruppen und Parteien verhängen sie kein einziges Todesurteil, verurteilen nur einmal zu lebenslänglich Festungshaft und insgesamt 31 Jahre und drei Monate Gefängnis. Bei ihnen geht es um 314 Morde.
In München töten Mitglieder der rechten Gruppe "Weiße Garde" 184 Anhänger des Spartakusbundes. Kein Einziger der Mörder wird verurteilt. Hedwig Krüger, Stadtverordnete aus Halle und aktiv im Arbeitersamariterbund, wird zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, weil sie während der Straßenkämpfe Verwundeten half und so "den Kampfwillen der Kommunisten" gestärkt habe. Der Stuttgarter Buchhändler Ullrich wird vom Staatsgerichtshof wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" mit einem Jahr Gefängnis bestraft. Die Begründung: Sein Sortiment bestehe zu einem Drittel aus sozialistischen und kommunistischen Schriften. Diese Rechtsprechung verbessert die Bedingungen rechter, antidemokratischer Gruppen. Sie können sich im Schutz der Justiz relativ ungestört ausbreiten. Für Hannah Arendt heißt das: "Abgebrochene Revolutionen enden in einer Katastrophe."
2 Kommentare verfügbar
Grytz Waldemar
am 14.11.2018