Peter Grottian ist enttäuscht. Winfried Kretschmann habe die Ankündigung, eine "Demokratie des Gehörtwerdens" in Baden-Württemberg zu etablieren, nicht wirklich in die Tat umgesetzt, so sein Statement in Kontext. Auch die eingesetzte Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, habe mit "der Politik des wirklichen Gehörtwerdens sehr wenig am Hut".
Die wiederum beteuert in ihrer Replik den richtigen Weg der Landesregierung und sieht die Beteiligungspolitik der Grünen, Karl Marx zitierend, als einen "qualitativen Sprung in der Entwicklung". Dies erklärte Erler vor wenigen Tagen auch bei einer Veranstaltung des Neuen Montagskreises von Peter Conradi und Petra Bewer im Stuttgarter Theaterhaus. Dabei versteht die Staatsrätin die Grünen nebenbei recht originell als Vollender des Marxismus.
Aber was ist mit den viel beschworenen Bürgerinnen und Bürger? Die sind, nach Grottian, in Gestalt der Stuttgart-21-Protestierenden mit trauern und Wunden lecken beschäftigt, anstatt sich etwa in Konventen zusammenschließen. Oder, nach Erlers Auffassung, zwar erfolgreich in vielerlei Beteiligungsverfahren eingebunden, sollen sich aber noch daran gewöhnen, dass sie nicht wirklich etwas zu entscheiden haben. Es scheint eine Ironie der Geschichte, dass sowohl Peter Grottian als auch Gisela Erler in der Studenten- und Bürgerrechtsbewegung politisiert wurden, die ihren Erfolg nicht zuletzt der Tatsache verdankt, dass sie eben nicht nur mitreden, sondern mitentscheiden wollte.
Die in den 1960er- und 1970er-Jahren politisch aktiven jungen Leute waren nicht zimperlich, was ihre politischen Forderungen anging. Wollten sie doch nicht weniger als eine Revolution, den Sozialismus oder zumindest Partei sein in einem internationalen Klassenkampf.
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rosegrobeis
am 28.06.2015