Dass erst die Revolution 1918 das allgemeine Wahlrecht für Frauen in Deutschland ermöglichte, ist mittlerweile halbwegs bekannt. Deutlich schwieriger wird es bei der Frage, wann und welche Frau die erste Rede in einem Parlament hielt. "Am 19. Februar 1919 sprach erstmals eine Frau in einem demokratisch gewählten deutschen Parlament: die Sozialdemokratin Marie Juchacz", ist etwa in einem <link http: www.bpb.de politik hintergrund-aktuell external-link-new-window>Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung von 2014 zu finden. Ebenfalls ein <link http: www.bpb.de gesellschaft gender frauenbewegung external-link-new-window>Text der Bundeszentrale, diesmal von 2009, nennt dagegen Clara Zetkin: "1919/20 war sie Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung Württembergs und hielt dort die erste Rede, die je von einer Frau in einem deutschen Parlament gehalten wurde". Und zwar deutlich früher als die Kölnerin Juchacz: Am 27. Januar sprach sie als Abgeordnete der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) zum ersten Mal im Parlament – wobei sie da nur eine kurze Stellungnahme vorbrachte. Tags darauf, am 28., hielt sie ihre erste lange Rede. Im Katalog zu "Vertrauensfragen", der aktuellen Ausstellung des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, heißt es dann aber: "Der 15. Januar 1919 ist ein besonderer Tag in der deutschen Parlamentsgeschichte. An diesem Tag hielt erstmals eine Frau als Abgeordnete eine Rede in einem demokratisch gewählten deutschen Parlament. (...) die liberale Politologin und Heidelberger Abgeordnete Marianne Weber", und zwar in der badischen verfassungsgebenden Versammlung in Karlsruhe.
Ja, was denn nun?
Um es kurz zu machen: Das Haus der Geschichte hat Recht. Möglicherweise haben die weit auseinanderliegenden Wahltermine in den Teilstaaten und auf Gesamtstaatsebene die Suche erschwert. Und doch ist dies auch ein Beleg dafür, dass die erste Parlamentsrede einer Frau in einem deutschen Parlament nicht unbedingt ein eherner Pfeiler in der Erinnerungskultur des Landes zu sein scheint.
Grund genug, diese drei Reden hier in Kontext zu dokumentieren. Und dabei festzustellen, wie interessant und aufschlussreich sie, bei allen Unterschieden, doch für die Bewertung der damaligen Zeit sind. Nicht nur in Bezug auf das nach jahrzehntelangen Kämpfen errungene Frauenwahlrecht. Sondern auch in Bezug auf die deutsche Revolution, die sich ja angesichts ihres Verlaufs nach wie vor nicht so recht zur Identitätsstiftung zu eignen scheint, <link https: www.kontextwochenzeitung.de zeitgeschehen der-blutige-beginn-der-demokratie-4710.html external-link-new-window>so nah liegen ihre Erfolge und desaströs verpassten Chancen beieinander. Angesichts ihres 100. Jahrestags am 9. November, finden sich wieder Stimmen, die die Revolution als unnötig bezeichnen, da es umfassende Reformen auch so gegeben hätte. So betont besonders Clara Zetkin: Ohne Revolution und den Sturz der Monarchie in Deutschland hätte es das Frauenwahlrecht nicht gegeben.
Rede von Clara Zetkin (USPD)
in der verfassungsgebenden Landesversammlung Württembergs, Stuttgart, 28.1.1919 (Auszüge)
"(...) Meine Damen und Herren, es ist allerdings die Auffassung vertreten worden – sowohl von dem Herrn Abg. Gröber wie von dem Herrn Abg. Haußmann – daß es eigentlich der Revolution nicht bedurft hätte, um all die Reformen zu erreichen, die wir jetzt errungen haben, und die noch in nächster Zukunft erreicht werden könnten. Schon vor der Revolution wäre die Reichsregierung, wäre auch die Regierung Württembergs entschlossen gewesen, den Weg der politischen Demokratie und großzügiger Reformen zu betreten. Die Tatsachen, die dafür angeführt worden sind, sind unbestreitbar. Aber auf was kommt es dabei an? Auf die Wertung, auf das Erfassen der Situation, in der die Regierungen sich mit einmal auf den Weg der Reformen und der Demokratie besannen.
8 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 08.01.2019Am Donnerstag 10.01. sendet SWR2 um 08.30 Uhr Frauen an die Urne!
100 Jahre Frauenwahlrecht
SWR2 Wissen. Von Katharina Borchardt https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/100-jahre-frauenwahlrecht/-/id=660374/did=22958800/nid=660374/sdpgid=1639760/1yzwiaw/index.html
Vor 100…