KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Neues von der "Kryptoqueen"

Vier Nannys für die Kleine

Neues von der "Kryptoqueen": Vier Nannys für die Kleine
|

Datum:

Hat Ruja Ignatova, die "Kryptoqueen" aus Schramberg und meistgesuchte Frau der Welt, ihrem Ehemann Björn S. eine Villa in Bad Homburg gekauft? Ein vornehmes Anwesen, das einst der Milliardärsfamilie Quandt gehört hat. Ein Besuch vor Ort.

Schön hier im Villenviertel von Bad Homburg. Daniel Streib, Reporter der in Karlsruhe erscheinenden "Badischen Neuesten Nachrichten", hat das Objekt gefunden. Ein großzügiges, zweistöckiges Anwesen, in lichtem Gelb hinter Bäumen und Büschen. Es ist die Villa, die einst im Besitz der Quandts war, danach mehrfach den Besitzer gewechselt hat, bis sie im Sommer 2017 an Björn S. verkauft wurde. Den Kaufpreis aber überwies eine Firma aus dem OneCoin-Imperium, das von Ruja Ignatova errichtet wurde. Eine Schwindelwährung, auf die weltweit mindestens 3,5 Millionen Menschen hereingefallen sind (Kontext berichtete hier und hier).

Die Quandts

Der Firmengründer Günther Quandt hatte in Karlsruhe eine große Waffen- und Munitionsfabrik besessen, die Industriewerke Karlsruhe. In der NS-Zeit pflegte er beste Beziehungen zur Führungsschicht, was ihn sehr reich gemacht hat. Vererbt hat er sein Vermögen den Söhnen Herbert und Harald Quandt. Harald übernahm die Rüstungssparte, Herbert die Beteiligungen an Daimler und BMW. Harald Quandt kam bei einem Flugzeugunglück im Sommer 1967 ums Leben. Seine Frau zog nach seinem Tod in eine etwas weniger pompöse Villa in Bad Homburg um. Dort starb sie 1978 an Herzversagen.  (him)

Björn S. und Ruja Ignatova haben eine gemeinsame Tochter, die eine Leihmutter ausgetragen hat. Das Kind kam 2016 zur Welt. Eine Frau, die laut eigenen Angaben mit Ignatova bei McKinsey gearbeitet und sie aus dieser Zeit Anfang des Jahrtausends gut kennen will, berichtete schon im März 2021, die Tochter werde in Kleidchen von Gucci und Dolce & Gabbana gesteckt. Björn S. habe "vier Nannys für die Kleine" gehabt. Gegenüber dem Autor stützt sie auch die Geschichte mit der Villa: "Er selbst wohnt in einem netten Vorort von Frankfurt, in einem schlossähnlichen Haus mit einem Kaufwert von circa acht Millionen Euro." In ihren Mails nennt sie sich Margot McGee.

Der Ehemann holt ab und zu die Post

Damals war noch nicht bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Darmstadt gegen Björn S. wegen Geldwäscheverdacht ermittelt. Dass es neben einer Geldüberweisung von Ruja Ignatova an ihren Ehemann in Höhe von 7,69 Millionen Euro auch um eine teure Immobilie geht, ist erst im November 2024 öffentlich geworden. So schreiben die Darmstädter Strafverfolger am 13. November 2024 auf Anfrage: "Der Anklage nach soll der Angeschuldigte mehr als sieben Millionen Euro sowie ein Grundstück in Bad Homburg durch die Taten erlangt haben."

Als Journalist Daniel Streib die Villa besucht, steht ein Mittelklassewagen davor, zugelassen im Kreis Calw. Björn S. ist in Vaihingen aufgewachsen, der Vater ist laut Handelsregister in Bad Liebenzell, Kreis Calw, gemeldet. Vater und Sohn haben gemeinsame Firmen im Bereich Immobilien und Juristerei.

Die Firmenadresse liegt in Neu-Isenburg. Dort im Forsthausweg besitzt Björn S. ein vergleichsweise einfaches Einfamilienhaus. Ein Briefkasten für die Einliegerwohnung verweist auf den Mann der Kryptoqueen. Er wohne schon länger nicht mehr hier, er hole nur ab und zu die Post, erzählt eine Nachbarin und erinnert sich: "Frau Ignatova kam am Wochenende mit dem Taxi und hatte ihr Köfferchen dabei." Das sei aber vor der Zeit mit OneCoin gewesen.

Gegenüber dem Karlsruher Reporter hält sich Björn S. bedeckt. In einem langen Telefongespräch weicht er konkreten Fragen aus ("Wenn Sie verheiratet sind, überweist Ihre Frau Ihnen vielleicht ja auch mal was.") oder verweigert die Antworten. Wie im Falle der ehemaligen Quandtschen Villa: "Dazu sage ich nichts." Gleiches gilt für die Frage, ob er noch mit ihr verheiratet ist.

Kennengelernt haben sich Björn S. und Ruja Ignatova beim Studium in Konstanz, geheiratet haben sie Ende 2010. Die gebürtige Bulgarin, die am Schramberger Gymnasium Abitur gemacht hatte und von der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert worden war, arbeitete nach ihrer Promotion als McKinsey-Beraterin in ihrer Heimat. Dann kam sie zurück nach Deutschland und kaufte mit ihrem Vater Plamen Ignatov eine insolvente Gießerei in Waltenhofen im Allgäu. Die Verträge hatte ihr Ehemann Björn S. ausgearbeitet und unterschrieben. Die Gießerei hat Ignatova geplündert, wofür sie 2016 vom Amtsgericht Kempten zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde.

Die Informantin "Margot McGee" wunderte sich im März 2021, dass gegen Björn S. kein Verfahren laufe. Sie behauptete, er sei von Anfang an intensiv bei der Entstehung von OneCoin beteiligt gewesen und habe Zugriff auf "Beträge in dreistelliger Millionenhöhe". 14 Monate nach diesem Hinweis berichtete die "Neue Rottweiler Zeitung", dass die Staatsanwaltschaft Darmstadt tatsächlich gegen Björn S. ermittelt.

Seit Mai 2023 liegen nun die Ermittlungsergebnisse beim Landgericht Darmstadt. Dort prüft das Gericht seither, ob die Anklage tatsächlich zugelassen wird, also ein hinreichender Tatverdacht besteht. Auf Nachfrage erklärte ein Sprecher im November 2024, es sei nicht ausgeschlossen, dass im Falle der Eröffnung des Hauptverfahrens Verhandlungstermine für das zweite Quartal 2025 bestimmt würden. Diese Entscheidung könne im ersten Quartal fallen. Bei einer Verurteilung drohen Björn S. bis zu fünf Jahre Haft.

Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt den Daumen auf der Villa in Bad Homburg. Auf Nachfrage bestätigt Oberstaatsanwalt Robert Hartmann zwar nicht den Namen des Angeschuldigten – Datenschutz. Aber er könne mitteilen, "dass wir in der Strafsache gegen einen Rechtsanwalt eine Sicherungshypothek zu Gunsten des Landes Hessen in das Grundbuch haben eintragen lassen. Die Maßnahme dient der Vermögenssicherung für eine mögliche spätere Vermögensabschöpfung". Fraglich ist, ob das den allein in Deutschland etwa 60.000 geschädigten OneCoin-Investoren etwas bringt. Staatsanwalt Hartmann meint dazu, ob im Falle einer Verurteilung Geschädigte Ersatz erhalten, könne "aktuell noch nicht beurteilt werden".

Plötzlich taucht Ehemann Nr. 2 auf

Zurück zur Frage, ob Björn S. noch mit Ruja Ignatova verheiratet ist. Die ist insofern interessant, als jüngst ein Ehemann Nummer zwei aufgetaucht ist. Im Internet findet sich eine Heiratsurkunde, laut der ein Daniel Dabek die OneCoin-Erfinderin am 5. Mai 2017 in Baumholder in Rheinland-Pfalz geehelicht haben will.

Daniel Dabek bezeichnet sich im Netz als Software-Ingenieur, Diplomat und Wirtschaftswissenschaftler. Er hat "Safex" gegründet, ein ähnlich obskures Konstrukt wie OneCoin. Auch da geht es um eine Blockchain und Kryptowährungen. Diplomat nennt er sich, weil er als "Botschafter von Liberland" in Serbien auftritt. Liberland, ein Fleckchen Erde in einer Donauschleife zwischen Kroatien und Serbien, das sich als "Freie Republik" bezeichnet. Die dortige "Regierung" stellt Pässe aus, die allerdings niemand anerkennt.

Und dieser Daniel Dabek also hat Ruja Ignatova geheiratet? Reporter Streib schickt eine Mail ans Standesamt in Baumholder, Ergebnis: alles Quatsch. Die dortige Standesbeamtin schreibt: Beim Standesamt Baumholder wurde keine Eheschließung Daniel Dabek / Ruja Ignatova vollzogen. Bei der Urkunde handle es sich um eine "offensichtliche Fälschung".

Börn S. ist Realität. Er hat zwar seinen sicher gut dotierten Arbeitsplatz bei einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei verloren. Unmittelbar nachdem die Polizei seine verschiedenen Wohnsitze und Büros durchsucht sowie Akten, Datenträger und Wertgegenstände beschlagnahmt hatte, verschwand sein Name von der Liste der Mitarbeiter der Kanzlei. Er hat sich inzwischen mit einer eigenen Kanzlei selbstständig gemacht. Sitz: sein Wohnhaus in Neu-Isenburg. Nach seiner Frau wird nach wie vor gesucht.

Wir brauchen Sie!

Kontext steht seit 2011 für kritischen und vor allem unabhängigen Journalismus – damit sind wir eines der ältesten werbefreien und gemeinnützigen Non-Profit-Medien in Deutschland. Unsere Redaktion lebt maßgeblich von Spenden und freiwilliger finanzieller Unterstützung unserer Community. Wir wollen keine Paywall oder sonst ein Modell der bezahlten Mitgliedschaft, stattdessen gibt es jeden Mittwoch eine neue Ausgabe unserer Zeitung frei im Netz zu lesen. Weil wir unabhängigen Journalismus für ein wichtiges demokratisches Gut halten, das allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollte – auch denen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben. Eine solidarische Finanzierung unserer Arbeit ermöglichen derzeit 2.500 Spender:innen, die uns regelmäßig unterstützen. Wir laden Sie herzlich ein, dazuzugehören! Schon mit 10 Euro im Monat sind Sie dabei. Gerne können Sie auch einmalig spenden.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


0 Kommentare verfügbar

Schreiben Sie den ersten Kommentar!

Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!