KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Reichsbürger und Kryptowährung

Der Betrug geht weiter

Reichsbürger und Kryptowährung: Der Betrug geht weiter
|

Datum:

Seit Anfang Mai muss sich Alexander Quade vor dem Landgericht Stuttgart im Reichsbürgerprozess verantworten. Quade sollte Propagandaminister werden, wenn die Truppe am Tag X die Macht übernommen hat. Getrommelt hatte er zuvor schon für viele Dinge, etwa die angebliche Kryptowährung OneCoin von Ruja Ignatova.

Ruja Ignatova, die im Schwarzwaldstädtchen Schramberg aufgewachsen ist, stieg in den 2010er-Jahren erst zur Milliardärin auf und dann zur meistgesuchten Frau der Welt ab. Seit dem 25. Oktober 2017 gilt sie als vermisst. In der Zeit, als sie ihre Krypto-Quatsch-Währung erfolgreich per Schneeballsystem verkaufte, war auch Alexander Quade dabei. Der gierte nicht nur nach Geld, sondern auch nach Verschwörungsgeschichten, besonders QAnon hatte es ihm angetan. In Videos mit der OneCoin-Verkäuferin Nelia Müller fabulierte er auf seinem YouTube-Kanal "Frag uns doch" von 100.000 Kindern, die aus Tunneln in New York gerettet worden seien. Außerdem meinte er, es werde eine neue Weltwährung geben – natürlich OneCoin, wie Quade in einem Gespräch mit Martin Mayer, einem Liechtensteiner "Finanzexperten" – und natürlich ebenfalls OneCoin-Werber – erzählt hat.

Im Stuttgarter Verfahren hat Quade im September ausführlich ausgesagt. Dabei, so berichtet es die "Stuttgarter Zeitung", habe sich Quade für seine gründlichen Recherchen selbst gelobt, die "Mainstreampresse" kritisiert, weil die "stets ungeprüft das Narrativ der Regierung" übernehme und über seinen angeblich erfolgreichen Handel "mit einer dubiosen Kryptowährung" ausgesagt. Gemeint sein dürfte damit OneCoin. Zum "Erfolg" mit OneCoin passt allerdings nicht, dass Quade 2019 bei seinem Jobcenter Sozialleistungen beantragt hat. Dabei hatte er verschwiegen, dass seine Frau Geld verdient, was ihm einen Strafbefehl wegen Betrugs bescherte.

Ausgabe 686, 22.05.2024

Vom Krypto-Werber auf die Anklagebank

Von Martin Himmelheber

Beim Reichsbürgerprozess in Stuttgart-Stammheim sitzt auch Alexander Quade auf der Anklagebank. Bekannt ist er als QAnon-Anhänger aus der Corona-Zeit. Und als Vermarkter von OneCoin, einer erfundenen Krypto-Quatsch-Währung, die eine Frau aus dem Schwarzwald reich werden ließ.

Beitrag lesen

Quade wird noch einige Monate zwischen der Zelle und dem Stuttgarter Gerichtssaal hin und her geführt werden. Seine beiden Spezis aus der OneCoin-Szene haben inzwischen andere Wege eingeschlagen.

Die Frau, mit der Quade über angeblich befreite Kinder fabuliert hat, Nelia Müller, findet man vielfach im Internet. Einen offenbar älteren Eintrag gibt es bei Xing, wo sie sich mit "Inhaberin, Master, Conligus World" vorstellt. Conligus? Das war ein Multilevel Marketing System, das einst drei Brüder, die Steinkeller-Brüder aus Südtirol, erfunden hatten, bevor sie bei OneCoin groß einstiegen sind. 2015 brach Conligus – wie bei Schneeballsystemen üblich – zusammen, die Reste nahmen die Steinkeller-Brüder mit zu OneCoin. Auch Nelia Müller. 2016 und 2017 trat sie bei einem "Intensivworkshops" für OneLife in Linz und Potsdam auf. Im Netz findet man sie heute als "Körperflüsterin" im österreichischen Gmünd.

Die Spur führt nach Südafrika

Ein weiterer unermüdlicher Kumpan von Quade ist Martin Mayer, der Liechtensteiner Finanzspezialist, mit dem der gescheiterte Propagandaminister das Buch "Cash Killer" verfasste und in Videos für OneCoin warb. Das Buch ist inzwischen aus dem Netz verschwunden, Mayer nicht. Er tritt mit einem Spross des österreichischen Hochadels, Carl Albrecht Waldstein, auf und versucht, "DGRX Token" an den Mann und die Frau zu bringen.

Damit wollen die Herrschaften Geld für eine angeblich revolutionäre Erfindung des Carl Albrecht Waldstein einsammeln: Eine Anlage, die mit Hilfe von Sonnenenergie Salzwasser in Süßwasser verwandeln soll. "DesertGreener" nennt sich das. Die Token zur Finanzierung werden im Multi-Level-Marketing verkauft. Da kennt sich Mayer ja aus. Schon OneCoin baute auf diesem Pyramiden-Verkaufssystem auf. Dass DesertGreener legal sei, bestätigte den Machern übrigens die Hamburger Anwaltskanzlei SBS Legal von Stephan R. Schulenberg und André Schenk. Die hatte schon 2015 Ruja Ignatova bestätigt, dass deren OneCoin-System ganz legal ist.

Und was ist mit Ruja Ignatova? Ruja Ignatova bleibt verschwunden. Die fünf Millionen Dollar, die das FBI für ihre Ergreifung ausgelobt hat – auch sie haben keine neuen Hinweise erbracht. Die jüngsten Spuren führen nach Südafrika. Für den WDR hat sich Johan von Mirbach dort auf Spurensuche begeben. In Kapstadt leben etliche bulgarische Mafiosi, Ignatovas Bruder Konstantin war 2018 dort, also nach ihrem Verschwinden 2017. Auch das Landeskriminalamt in Düsseldorf hat Hinweise auf Südafrika. Doch ein kürzlich aufgetauchtes Gerücht, Ignatova sei dort von Interpol festgenommen worden, hat die LKA-Sprecherin Tanja Dässler nach "Rücksprache mit allen hier involvierten Stellen nicht bestätigen" können.

Wir brauchen Sie!

Kontext steht seit 2011 für kritischen und vor allem unabhängigen Journalismus – damit sind wir eines der ältesten werbefreien und gemeinnützigen Non-Profit-Medien in Deutschland. Unsere Redaktion lebt maßgeblich von Spenden und freiwilliger finanzieller Unterstützung unserer Community. Wir wollen keine Paywall oder sonst ein Modell der bezahlten Mitgliedschaft, stattdessen gibt es jeden Mittwoch eine neue Ausgabe unserer Zeitung frei im Netz zu lesen. Weil wir unabhängigen Journalismus für ein wichtiges demokratisches Gut halten, das allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollte – auch denen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben. Eine solidarische Finanzierung unserer Arbeit ermöglichen derzeit 2.500 Spender:innen, die uns regelmäßig unterstützen. Wir laden Sie herzlich ein, dazuzugehören! Schon mit 10 Euro im Monat sind Sie dabei. Gerne können Sie auch einmalig spenden.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


0 Kommentare verfügbar

Schreiben Sie den ersten Kommentar!

Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!