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Insolvenz der Gröner Group

Gröner zieht die Notbremse

Insolvenz der Gröner Group: Gröner zieht die Notbremse
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Jetzt wurde der Druck auch für Christoph Gröner zu groß. Mit seiner Gröner Group musste er Insolvenz anmelden. Seine Bauprojekte seien davon nicht betroffen, beteuert er. Doch sind die Vorhaben in Karlsruhe und Mannheim angesichts gescheiterter Verhandlungen, weiterer Insolvenzverfahren und Klagen noch zu halten?

Die erste Novemberwoche war eine Woche der Gegensätze – auch in der Immobilienwirtschaft. Während der Wohnungsbaukonzern Vonovia die Baukrise für beendet erklärte und den Bau von 3.000 Wohnungen ankündigte, musste Christoph Gröner seine Gröner Group für zahlungsunfähig erklären. Zu hoch war die Schuldenlast, sodass ihm nur noch der Weg zum Insolvenzgericht blieb. Schnell erklärte das Unternehmen, dass die eigenen Bauvorhaben dadurch nicht gefährdet seien. Doch das darf bezweifelt werden.

Seit Mai ist der Gröner-Konzern regelmäßig mit Insolvenzverfahren konfrontiert. Das Berliner Finanzamt, eine Krankenkasse und andere Gläubiger wollten so ihre Forderungen gegenüber Gröner sichern. Als die Verfahren eröffnet wurden, zahlte Gröner einige Tage oder Wochen später die offenen Rechnungen dann doch und konnte so verhindern, dass seine Firmen noch länger unter die Aufsicht eines Insolvenzverwalters gestellt werden. Ein Dutzend solcher Verfahren gegen eine Tochterfirma und eines gegen die Gröner Group konnte der Immobilienentwickler so beenden.

Mitte Oktober vermeldete er, dass die Gröner Unternehmensgruppe alle Insolvenzanträge abwenden konnte. Alle Gesellschaften der Unternehmensgruppe seien "uneingeschränkt zahlungsfähig" und "wir können jederzeit fünf oder zehn Millionen Euro Liquidität nachweisen, um den laufenden Geschäftsbetrieb zu unterstützen", ließ sich Gröner zitieren. Doch zwei Wochen später wurde der Druck für seine Gröner Group zu groß.

Geldgeber verlieren Geduld mit Gröner

Seit Monaten verhandelte Gröner parallel mit Fonds und anderen Kreditgebern, die angesichts der nicht nur durch die Insolvenzverfahren sichtbaren finanziellen Schwierigkeiten der Gruppe zunehmend unruhig wurden. Nach dem zuletzt veröffentlichten Abschluss drückte die Gröner Group Ende 2022 eine Schuldenlast von knapp einer halben Milliarde Euro. Sie dürfte seither noch größer geworden sein. Durch die Krise der Bauwirtschaft aufgrund der höheren Zinsen wurde es immer schwieriger, Wohnungen und Gewerbeeinheiten zu verkaufen. Um die begonnenen Bauprojekte weiterzubauen, wurde frisches Geld von privaten Kreditgebern immer wichtiger.

Ende Oktober verlor der erste große Geldgeber die Geduld. Der Marshall Bridge Fund hatte Gröner Kapital in Höhe von 83 Millionen Euro bereitgestellt und Rückzahlungen gefordert. Gröner sei davon überrascht worden, lässt er auf Anfrage von seinem Anwalt erklären. Diese Schulden seien ihm "selbstverständlich bekannt" gewesen. Man habe sich aber noch in "umfassenden Verhandlungen hinsichtlich der Rückführung der offenen Forderungen" befunden, die von dem Fonds noch nicht für gescheitert erklärt worden seien. Trotzdem habe der Marshall Bridge Fund dann Ende Oktober einen Antrag auf vorläufige Insolvenz der Gröner Group gestellt, um seine Ansprüche zu sichern.

Schuld sind allein die Medien

Kaum zwei Tage später kam es noch dicker für Gröner. Ein weiterer Geldgeber wollte sich nicht länger hinhalten lassen und lehnte eine Stundungsvereinbarung ab. Gröner sah sich selbst gezwungen, Insolvenz für seine einstige Muttergesellschaft zu beantragen. Dies bestätigt sein Anwalt. Als "die Verhandlungen mit der Gläubigerin über eine Stillhaltevereinbarung gescheitert waren", seien "aus Sicht unserer Mandanten die Voraussetzungen für eine Insolvenzantragspflicht eingetreten", so der Anwalt. Am folgenden Montag machte das Unternehmen den Antrag auf eine Insolvenz in Eigenverwaltung öffentlich.

Einen Schuldigen hatte Gröner dafür schnell ausgemacht: Die Medien hätten Vertrauen zerstört. "Die andauernde negative und in Teilen grob falsche Berichterstattung sowohl etablierter wie auch eher boulevardesker Wirtschaftsmedien" habe zur Zahlungsunfähigkeit geführt. "Laufende Bauprojekte sind von der Insolvenz nicht betroffen", erklärte das Unternehmen weiter. Auch Gröners Anwalt verweist ausdrücklich darauf, dass die Gröner Group "an keinen Projektgesellschaften selbst beteiligt ist, über keinerlei Beschäftigte oder eigenes operatives Geschäft verfügt, sondern als reiner Darlehensverwalter und Darlehensgeber fungiert."

Insolvenz trifft auch Bauprojekte

Tatsächlich gliederte Gröner im Sommer verschiedene Bauprojekte in andere Teile der Gruppe aus und sah sich in der Folge mit dem Vorwurf konfrontiert, die Gröner Group in eine "bad bank" verwandelt zu haben. Für mehr Vertrauen in den Konzern sorgte die Maßnahme jedenfalls bei einigen Gläubigern nicht. Zudem blieb die Insolvenz der Gröner Group innerhalb des Konzerns nicht folgenlos. Allein bis Montag gingen fünf Anträge auf eine vorläufige Insolvenz von Gröner-Bauprojekten in Frankfurt, Köln, Mannheim und Leipzig beim zuständigen Amtsgericht ein.

Gröners Anwalt erklärt drei Insolvenzverfahren mit dem Insolvenzantrag des Marshall Bridge Funds, der zwei Projekte in Leipzig und den Bau eines Bürokomplexes in Frankfurt finanziert habe. "Weitere Fremdanträge durch den Marshall Bridge Fund im Hinblick auf andere Bauprojekte sind nicht zu erwarten, da weitere Bauprojekte durch diesen nicht finanziert wurden", sagt der Anwalt. Die Projekte in Mannheim und Köln nannte er nicht. Kontext hatte bereits über Klagen eines Handwerkers berichtet, der für seine Arbeit in der Dudenstraße noch immer auf sein Honorar wartet.

Neues Versprechen zum Weiterbau

Die verschärften Turbulenzen im Gröner-Reich könnten auch den schon schleppenden Wohnungsbau treffen. Sein größtes Wohnungsbauprojekt liegt in der Karlsruher Nordstadt. Schon lange sollten die Bauarbeiten für 1.000 Wohnungen begonnen haben. Stattdessen herrscht seit Monaten Stillstand auf der Baustelle. Mitten in der Insolvenz kündigt Gröner jetzt den Weiterbau an. "Hinsichtlich des C-Areals steht unsere Mandantin mit den Kapitalgebern im engen und stetigen Kontakt und ist angesichts des Verlaufes der Gespräche zuversichtlich, zum Beginn des Jahres 2025 mit den ersten Bauprojekten auf dem Areal beginnen zu können", lässt er via Anwalt mitteilen. Gröner lässt sich dabei eine Hintertür offen. Sollte er nicht genügend Geldgeber finden, die ihn trotz der angespannten finanziellen Lage seines Unternehmens mit frischem Geld versorgen, dürfte diese Ankündigung verpuffen. Zuletzt kündigte Gröner zu Beginn des Jahres die Fortsetzung der Bauarbeiten auf dem C-Areal an.

Ob der zum Bau nötige Antrag auf eine Baugenehmigung bereits vorliegt, wollte die Stadtverwaltung mit Rücksicht auf "Angelegenheiten Dritter" nicht sagen. Auch Gröners Anwalt ließ diese Frage unbeantwortet. Dabei drohen Gröner nach Kontext-Informationen Strafzahlungen wegen Verstoßes gegen die Bauverpflichtung, wenn bis Mitte Dezember kein Bauantrag bei der Stadt vorliegt. Dies geht aus dem städtebaulichen Vertrag hervor; die Stadtverwaltung bestätigte entsprechende Fristen.

Offene Forderungen und Klagen gegen Gröner-Firmen

In der Majolika versuchte sich ein städtisches Unternehmen derweil von Gröner zu trennen und kündigte ihm nach der angekündigten Schließung der Manufaktur den Mietvertrag wegen ausstehender Zahlungen. Über 70.000 Euro Miete sei offen. Gröner wehrte sich. Im Dezember wird eine mündliche Verhandlung erwartet. Der vorgefundene Mietvertrag sie "in vielerlei Hinsicht untragbar", sagt Gröners Anwalt dazu, die Forderungen seien daher zum Teil unrechtmäßig. Schon seit Ende 2022 beschäftigt sich die Stadt mit offenen Mietzahlungen der Majolika-Manufaktur, die im Sommer 2022 von Gröner erworben wurde, allerdings ohne die zugehörige Immobilie. Zusätzlich blieb er auch Mietnebenkosten schuldig. "Es erfolgte zunächst nur eine Klage zur Zahlung der Kaltmiete, um die Verfahrenskosten zu reduzieren und das Verfahren zu beschleunigen", heißt es dazu auf Anfrage von der städtischen KVVH, der Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- und Hafen GmbH. Je nach Verfahrensverlauf behalte man sich aber die "Geltendmachung weiterer Mietrückstände" explizit vor.

Um noch mehr Geld geht es bei der Klage des Karlsruher Sportclubs KSC gegen Gröner. Knapp 1,2 Millionen Euro soll Gröner dem Club demnach aus seinem Sponsoring-Vertrag noch schulden. Eine ähnliche Klage hatte der Club schon 2023 gegen Gröner erhoben, dann aber wieder zurückgezogen. Der KSC-Aufsichtsrat beschäftigte sich auch schon seit vergangenem Jahr regelmäßig mit dem "erheblichen Zahlungsverzug des damaligen Hauptsponsors". Die Gröner-Seite beruft sich auf eine Schlechtleistung seitens des Vereins. Mit Verweis auf das laufende Verfahren wollte sich Gröners Anwalt dazu aber nicht weiter äußern. Nach Auskunft des Landgerichts Karlsruhe laufen derzeit insgesamt mindestens sieben Verfahren gegen Gröner-Firmen, zumeist gehe es dabei um Honoraransprüche und -fragen.

Christoph Gröner in der WDR-Doku "Ungleichland" aus dem Jahr 2018. Sehenswert ist schon die erste Minute.

Ob sich Gröner aus dem dichten Netz aus Insolvenzen und Klagen finanziell nochmal befreien kann, ist derzeit offener denn je. Die Karlsruher Stadtratsfraktion von FDP und Freien Wählern scheint daran nicht mehr zu glauben und fordert, dass die Stadt das C-Areal zurückkauft und den Wohnungsbau selbst vorantreibt. Gröners Firma habe dies noch nicht angeboten, heißt es dazu seitens der Stadtverwaltung. So bleibt den Wohnungssuchenden in Karlsruhe die gleiche Unsicherheit wie den vielen Gläubiger:innen Gröners, zu denen auch ein paar kleinere Handwerksbetriebe gehören, die gegenüber Kontext beteuerten, dass sie nun um ihre Existenz fürchten.

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