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Veranstaltungsreihe an der Hochschule Esslingen

Demokratie? Jetzt erst recht!

Veranstaltungsreihe an der Hochschule Esslingen: Demokratie? Jetzt erst recht!
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Am kommenden Montag beginnt an der Hochschule Esslingen im Rahmen des Studium Generale eine öffentliche Veranstaltungsreihe zum Thema "Demokratie!". Ein Gespräch mit Nathalie Andries, der Managerin der Reihe.

Frau Andries, angesichts des Wahlsiegs von Donald Trump könnte Ihre Veranstaltungsreihe zum Thema Demokratie, die Sie kuratiert haben, ja gar nicht aktueller starten.

Das ist natürlich kein Zufall. In dieser öffentlichen Veranstaltungsreihe des Studium Generale an der Hochschule Esslingen greifen wir immer Themen auf, die in der Luft liegen. Im vergangenen Sommer war es "Demografischer Wandel", im Wintersemester davor "Künstliche Intelligenz". Und in diesem Superwahljahr angesichts der Wahlerfolge der AfD und des allgemeinen Rechtsrucks war klar: Demokratie ist jetzt das Thema.

Der Titel der Reihe lautet kurz und knapp "Demokratie!". Ohne erklärenden Untertitel, mit Ausrufezeichen. Warum?

Weil Demokratie per se elementar ist. Sie ist nicht in Frage zu stellen. Vielmehr müssen wir uns um sie kümmern, sie schützen, dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft sie als Staats- und Lebensform wieder positiv sieht. Unser Werbeplakat ist deshalb voller positiver Konnotationen und ziemlich bunt geraten mit seinen Pics zum Thema Menschenrechte, Presse-, Meinungs- und Entfaltungsfreiheit.

Das Studium Generale als Form der Lehrveranstaltung hat eine lange Geschichte. Was versteht man heute darunter?

Es ist eine sehr demokratische Bildungsform. Und Bildung ist wiederum eine der Säulen, die unsere Demokratie schützen. Das Studium Generale steht offen für alle Menschen – ob jung, alt, arm, reich. Und es ist egal, welchen Bildungsabschluss sie haben. Die Teilnahme ist kostenlos, man muss an der Hochschule nicht eingeschrieben sein. Die Hürde ist niedrig: mit zwei Klicks online anmelden – fertig. Andererseits dient das Studium Generale natürlich auch dazu, den Studierenden unserer Hochschule die Möglichkeit zu bieten, mal über den Tellerrand ihres Fachs zu blicken. Bei allen Veranstaltungen, die wir anbieten, ist es mir sehr wichtig, dass am Ende immer noch genug Raum ist für den Diskurs, für den Dialog, den Austausch.

Sie sind seit März 2023 Managerin des Studium Generale an der Hochschule Esslingen. Wie kamen Sie zu diesem Job?

Die Schwerpunkte unserer Hochschule liegen ja auf Technik, Wirtschaft, Informatik und Sozial- und Pflegewissenschaften. Da bin ich als Geisteswissenschaftlerin so ein bisschen der Kolibri, der einen ganz anderen Blick auf die Dinge mitbringt. Ich habe Geschichte und Philosophie studiert, dann war ich als Historikerin zunächst in Stuttgart am Haus der Geschichte Baden-Württemberg tätig und habe am Aufbau der Stauffenberg-Erinnerungsstätte mitgearbeitet. Danach war ich in der Filmbranche unter anderem Regieassistentin. Die Arbeit an der Esslinger Hochschule ist ideal für mich, weil ich hier sehr viele meiner Berufserfahrungen in größeren Kontexten miteinander kombinieren kann.

Was sind die Themen, die in der vierteiligen Reihe "Demokratie!" verhandelt werden?

Wir starten am 18. November mit dem Vortrag "Keine Demokratie ohne Pressefreiheit! Zur Lage der Pressefreiheit weltweit". Eingeladen habe ich die junge Journalistin Katharina Victoria Weiß. Sie ist Pressereferentin der "Reporter ohne Grenzen", die sich weltweit für die Pressefreiheit, gegen Zensur und für Journalist:innen, die aus politischen Gründen inhaftiert wurden, einsetzen. Als ich das letzte Mal mit Weiß telefonierte, war sie gerade in Polen, wo die Regierung jetzt ja glücklicherweise wieder demokratischer ist. Sie war dort mit "Reporter ohne Grenzen", um an der Wiederherstellung der Pressefreiheit mitzuarbeiten. Sie erzählte, wie schockierend es sei, dort mit den Folgen von acht Jahren rechter Regierung konfrontiert zu werden: wie viel in so kurzer Zeit kaputt gemacht worden sei an Pressefreiheit. Pressefreiheit ist ja der Gradmesser für Menschenrechte, die Basis jeder Demokratie. Wenn keine freie Berichterstattung mehr möglich ist, erfährt die Öffentlichkeit auch nichts mehr über Machtmissbrauch und Korruption.

Am 3. Dezember geht es dann weiter mit dem 75. Geburtstag des deutschen Grundgesetzes.

Das deutsche Grundgesetz ist einer der stabilsten und wichtigsten Verfassungstexte der Welt. Es gibt genügend Länder, die sich nach diesem Grundgesetz richten, wenn sie ihre Verfassung aufbauen. Aber wer weiß das schon? Und wer hat es überhaupt schon mal ganz gelesen? In seinem Vortrag wird der Rechtsanwalt Peter Neumann, Mitglied des Kuratoriums "Mehr Demokratie" und Lehrbeauftragter an unserer Hochschule, einen juristischen Blick auf das Grundgesetz werfen, mal in die Zeit der Mütter und Väter dieses Verfassungstextes zurückgehen und fragen, ob und wie das Grundgesetz den heutigen Problemen standhalten kann.

Termine der Veranstaltungsreihe "Demokratie!"

18.11.  Keine Demokratie ohne Pressefreiheit! Zur Lage der Pressefreiheit weltweit (Vortrag mit Diskussion)
3.12.  75 Jahre Grundgesetz – wie ernst nehmen wir es mit dem Demokratiekonzept unserer Verfassung? (Vortrag mit Diskussion)
10.12.  Demokratie braucht informierte Bürger:innen! Fake News und Deep Fakes erkennen (interaktiver Online-Workshop)
13.1.2025  Zukunft der Demokratie (Vortrag mit Diskussion)

Beginn ist jeweils um 18 Uhr, online und (außer am 10.12.) vor Ort in der Esslinger Hochschule, Kanalstraße 33, Gebäude 1, Senatssaal.

Das Studium Generale richtet sich sowohl an die Studierenden der Hochschule als auch an alle anderen Interessierten der Öffentlichkeit. Der Eintritt ist frei, Anmeldung erwünscht unter diesem Link. Dort ist auch das Gesamtprogramm des Studium Generale abrufbar sowie die Videomitschnitte der Vorträge.  (vg)

Die Veranstaltungen finden ja hybrid statt, also online und vor Ort in der Hochschule.

Ja, außer der Termin am 10. Dezember. Der geht ausschließlich in Gestalt eines interaktiven Online-Workshops über die Bühne. Denn das hielten wir für angemessen beim Thema "Fake News und Deep Fakes erkennen". Es geht um effektive Strategien zur Erkennung von Falschinformationen. Das kann man dann am Rechner gleich ausprobieren. Den Kurs hält Filiz Tokat, die Bildungsreferentin beim Stadtjugendring Stuttgart und beim Landesmedienzentrum Baden-Württemberg ist. Sie ist Expertin für das Aufdecken von Fake News und Deep Fakes, den großen Gefährdern unserer Demokratie, die unsere Wahrnehmung von Realität verzerren und zerstören können.

Über dem Finale der Reihe am 13. Januar steht als Motto ein Zitat des Komikers Karl Valentin: "Die Zukunft war früher auch besser!" Was hat es damit auf sich?

Es geht um den kollektiven Pessimismus, der zuweilen geradezu demokratiegefährdende Ausmaße annimmt. Felix Heidenreich, Philosoph, Politikwissenschaftler und außerplanmäßiger Professor an der Universität Stuttgart, wird über das Problem des Doomscrolling sprechen, also das exzessive Konsumieren negativer Nachrichten im Internet. Die jungen Menschen glauben, sie hätten keine Zukunft mehr, und folgern daraus wie viele andere: Wenn alles so schlimm sei, alles den Berg runtergehe, dann tauge die Demokratie auch nichts mehr. Das habe ich hier schon von Studierenden gehört: Man dürfe hierzulande ja nicht mehr seine Meinung sagen. Ich frage dann immer: Kennst du irgendjemanden in Deutschland, dem etwas passiert ist, weil er seine Meinung geäußert hat? Da kommt dann meist ein kleinlautes "Ach so, nee" zurück. Heidenreich wird es um die Frage gehen, wie unsere Gesellschaft wieder zu einem positiven Denken und den Glauben an eine erstrebenswerte Zukunft finden kann. Denn natürlich sind die Herausforderungen unserer Gegenwart immens.

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2 Kommentare verfügbar

  • Peter Lenk
    vor 3 Wochen
    Antworten
    Das Wort "Demokratie" kann ich bald nicht mehr hören.
    Unter diesem Deckmäntelchen wird in sozialen Medien, bei etablierten Zeitungen, bei Managern und Politikern gelogen, wie nie zuvor, und immer mehr Leute fallen darauf rein.
    (Kretschmann zynisch zu S21: "In einer Demokratie entscheidet nicht die…
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