Rund ein Jahr nach seinem skurrilen Atombombenvergleich steht Frank Schäffler während einer Feierstunde im Berliner Reichstagsgebäude. Stolz nimmt er von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den Verdienstorden am schwarz-rot-goldenen Bande entgegen. "Schäffler wurde vor allem für sein jahrzehntelanges politisches Engagement gewürdigt. Er ist schon seit 1989 in der Politik und macht besonders mit seinen kritischen Äußerungen während der Finanzmarkt- und Eurokrise auf sich aufmerksam. Damit habe er sich nicht nur Freunde gemacht, sagte die Bundestagspräsidentin in ihrer Rede. Doch er sei mutig und unbeirrt seinen Weg gegangen", berichtet die Heimatzeitung des Geehrten.
Unerwähnt bleibt, dass Bas ausdrücklich auch Schäfflers Arbeit beim "Freiheitsinstitut Prometheus" lobte, das er 2014 mitbegründete und seither als Geschäftsführer leitet. Was das Institut mit titanischem Namen so macht, beschreibt die lobbykritische Plattform Lobbypedia: "Die 'Denkfabrik' will mit gezielten Kampagnen an einem gesellschaftlichen Wandel aus libertärer Sicht arbeiten." Diese richteten sich etwa gegen Werbebeschränkungen für Tabak oder Alkohol ("Lifestyle-Regulierungen eines Nanny-Staates") und gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ("Zwangsbeitrag? Nein danke") oder trommelten für umstrittene Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA.
Prometheus-Institut: unklare Finanzierung
Wie sich das Institut finanziert, bleibt derweil unklar. Obwohl sich Prometheus laut Lobbypedia 2024 der Initiative Transparente Zivilgesellschaft anschloss. Bekannt ist eine Zuwendung der US-Stiftung John Templeton Foundation sowie wiederholtes Sponsoring durch Japan Tobacco International. Nach eigenen Angaben ist Prometheus Partner im Atlas Network, das vom Hauptquartier im US-Staat Virginia aus über 500 neoliberale und libertäre Partner in mehr als 100 Ländern koordiniert. Deregulierung und Staatsferne in wirtschaftspolitischen Feldern sind das übergeordnete Ziel.
Ein Partner ist das Heartland-Institut mit Sitz in Chicago, das sich vor allem dem Abbau von Umwelt-, Gesundheits- und Klimaschutzvorschriften verschrieben hat. Heartland unterhält auch Kontakte zu hiesigen Klimawandelleugnern, die bis in die AfD reichen. Schäffler machte sich auf "X" über Spekulationen lustig, wonach auch Prometheus von Heartland gesponsert wird. Eine konkrete Nachfrage auf abgeordnetenwatch.de dazu ließ er unbeantwortet. Gesichert belegt ist dagegen, dass sich Schäffler 2014 selbst als Klimaskeptiker bezeichnete und noch 2023 infrage stellte, ob der Klimawandel menschengemacht sei.
Was Schäffler von Klimaaktivist:innen hält, zeigte sich spätestens, nachdem im Herbst 2022 Mitglieder der Letzten Generation (LG) Kartoffelbrei auf einen Monet in Potsdam geschüttet hatten. Schäffler nannte dies auf Twitter "Terrorismus gegen Kunst", obwohl das Meisterwerk hinter Glas die Aktion unbeschadet überstand. Wenig später verglich er die LG mit der Roten Armee Fraktion (RAF) und forderte Ermittlungen wegen organisierter Kriminalität. Die auch als Baader-Meinhoff-Bande bekannte Terrorgruppe hatte in den 1970er-Jahren mehr als 30 Menschen ermordet. Politiker wie der CSU-Fraktionsvorsitzende Alexander Dobrinth übernahmen Schäfflers Wording – und schürten damit eine Stimmung, in deren Folge es bei Straßenblockaden zu gewalttätigen Übergriffen gegen "Klimakleber" kam. "Extremistische Bestrebungen weiterhin nicht belegt", heißt es dagegen im Lagebericht des Bundeskriminalamts über die LG vom Oktober 2023.
Schäffler befeuert Wärmepumpen-Schmutzkampagne
Springers "Heiz-Hammer"-Kampagne, die Schäffler mehrfach zitierte, verunsicherte zudem die Bevölkerung. Die Folge: Während im Jahr 2023, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, noch mit 356.000 Geräten ein Verkaufsrekord erzielt wurde, brach der Absatz in diesem Jahr ein. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie schätzt, dass bis Jahresende nur rund 200.000 Wärmepumpen verkauft werden, 44 Prozent weniger als im Vorjahr. Das Ziel der Ampel von 500.000 Wärmepumpen pro Jahr erscheint unerreichbar. Die meisten neu installierten Heizungen laufen weiter mit den fossilen Brennstoffen Gas oder Öl.
Doch das "Heiz-Hammer"-Trommelfeuer ist nicht nur fürs Klima schlecht. Es traf auch die Hersteller von Wärmepumpen, die hunderte Millionen Euro in neue Produktionslinien gesteckt hatten. Mit Stellenabbau mussten sie sich vor Verlusten oder Insolvenz retten. So strich die Remscheider Vaillant-Gruppe rund 700 Jobs, etwa 300 davon in Deutschland. Bei Stiebel Eltron in Holzminden stehen 1.000 Stellen auf der Kippe.
Kein Wunder also, dass manchen Schäfflers Verdienstorden übel aufstößt. "Wie ist es möglich, dass Sie Frank Schäffler das Bundesverdienstkreuz überreichen?", fragt Katja M. Bundestagspräsidentin Bas auf abgeordnetenwatch.de. "Sie ehren einen Mann, der eifrig gegen Klimaschutz als von Hysterie geleitete Umerziehungsversuche agitiert und gezielt Desinformation verbreitet. Ich bin schockiert", kritisiert Ina W.. Bas antwortete zwar ausführlich, aber nur in einem Satz konkret: "Die endgültige Entscheidung trifft der Bundespräsident", also aktuell Frank-Walter Steinmeier (SPD).
An diesen wandte sich der Münchner Florian Hohenauer mit einer Petition, Schäffler den Orden wieder wegzunehmen. "Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Leider haben das längst nicht alle verstanden. (…) Schäffler ist einer der schlimmsten Klimafeinde der Republik", begründet der 47-jährige Kommunikationsberater die Petition, die bislang 3.000 Unterschriften bekam.
Auszeichnung nur schwer annullierbar
Kontext hat den Bundespräsidenten gefragt, wie es zur Verleihung des Verdienstordens an Schäffler gekommen ist. Und ob diese annullierbar ist. Demnach entspricht es jahrzehntelanger Ordenspraxis, in jeder Legislaturperiode einige aktive und ehemalige Parlamentarier auf Vorschlag der Fraktionen für herausragende politische und auch ehrenamtliche Verdienste mit dem Verdienstorden auszuzeichnen. "Der Abgeordnete Frank Schäffler wurde über die Präsidentin des Deutschen Bundestages von der FDP-Fraktion des Deutschen Bundestages insbesondere für sein seit 15 Jahren andauerndes Wirken im Deutschen Bundestag, sein langjähriges kommunal- und parteipolitisches Engagement in seiner Heimatregion und sein gesellschaftspolitisches Engagement im Lions-Club seiner Heimatstadt für die Auszeichnung vorgeschlagen", teilt Steinmeiers Sprecher mit. In der kommenden Legislatur will Steinmeier das Vorschlagsverfahren ändern: Dann sollen die Fraktionen ausschließlich ehemalige Abgeordnete für eine Auszeichnung vorschlagen dürfen.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!