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Bundesverdienstkreuz für Frank Schäffler

Orden wider den tatsächlichen Ernst

Bundesverdienstkreuz für Frank Schäffler: Orden wider den tatsächlichen Ernst
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Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, ein Lobbyist der Fossilindustrie, befeuerte mit populistischen Querschüssen das Zerwürfnis der Ampel. Kürzlich verlieh ihm der Bundespräsident das Bundesverdienstkreuz.

Der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland macht allein schon optisch was her. Er zeigt ein goldenes Kreuz mit vier Armen, auf der Vorderseite prangt der Bundesadler, auf der Rückseite eine Inschrift, die an den Zweck des Ordens erinnert. In der Regel müssen die Ausgezeichneten eine außergewöhnliche Leistung erbracht haben, auf politischem, wissenschaftlichem, kulturellem, wirtschaftlichem oder sozialem Gebiet. Er ist die höchste Anerkennung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl ausspricht.

Monatlich veröffentlicht der Bundespräsident online die neuesten Trägerinnen und Träger des Bundesverdienstkreuzes, wie der Orden umgangssprachlich auch heißt. Im Bericht vom 1. August diesen Jahres stehen 63 Namen. Darunter der eines Bundestagsabgeordneten, der in Ampel-Zeiten als Agent Provocateur Schlagzeilen machte: Frank Schäffler, FDP-Mann aus dem Wahlkreis Minden-Lübbecke I in Nordrhein-Westfalen.

In der sogenannten Heizungsdebatte, die ab Februar 2023 nach einem durchstochenen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) aufloderte, bewies der 55-jährige Diplom-Betriebswirt, wie perfekt er die Populismus-Klaviatur bespielt. Vorzugsweise, um die Arbeit des grünen Klima- und Wirtschaftsministers Robert Habeck zu unterminieren. Unter den liberalen Kampfbegriffen "Technologieoffenheit" und "Deindustrialisierung" polemisierte er gegen Klimaschutz und Transformation. Subtiler Nenner seiner Tweets und Interviews: Öl, Gas und Atom sind super, Windparks oder E-Autos doof. Schäffler, der im beschaulichen Schwäbisch-Gmünd das Licht der Welt erblickte, ist ein Lobbyist der Fossilbranche, sagen seine zahlreichen Kritiker:innen.

Von Wärmepumpen und Atombomben

Unvergessen sind die Attacken gegen Wärmepumpen, denen in der GEG-Novelle eine Schlüsselrolle zugedacht war. Gegen "Habecks Heizungsgesetz" initiierten die Springer-Medien eine zügellose Kampagne – mit Schäffler als Kronzeugen. "Heiz-Hammer ist eine Atombombe für unser Land", zitierte "Bild" ihn im April 2023 in Riesenlettern. Schäffler hatte da gerade einen parteiinternen Aufstand gegen die GEG-Novelle angestachelt, obwohl auch die FDP im Kabinett bereits zugestimmt hatte. Nur mit Mühe konnte Parteichef Christian Lindner verhindern, dass der "westfälische Dickkopf" schon damals die Ampel sprengte. Die ständigen Querschüsse trafen dennoch teilweise ihr Ziel: Anfang 2024 trat ein verwässertes GEG in Kraft, das deutlich längere Übergangsfristen für klimaschädliche Öl- und Gasheizungen erlaubt. Schäffler selbst plauderte wenig später bei Markus Lanz aus, sein Zuhause in Porta Westfalica mit einer Wärmepumpe zu beheizen.

Rund ein Jahr nach seinem skurrilen Atombombenvergleich steht Frank Schäffler während einer Feierstunde im Berliner Reichstagsgebäude. Stolz nimmt er von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den Verdienstorden am schwarz-rot-goldenen Bande entgegen. "Schäffler wurde vor allem für sein jahrzehntelanges politisches Engagement gewürdigt. Er ist schon seit 1989 in der Politik und macht besonders mit seinen kritischen Äußerungen während der Finanzmarkt- und Eurokrise auf sich aufmerksam. Damit habe er sich nicht nur Freunde gemacht, sagte die Bundestagspräsidentin in ihrer Rede. Doch er sei mutig und unbeirrt seinen Weg gegangen", berichtet die Heimatzeitung des Geehrten.

Unerwähnt bleibt, dass Bas ausdrücklich auch Schäfflers Arbeit beim "Freiheitsinstitut Prometheus" lobte, das er 2014 mitbegründete und seither als Geschäftsführer leitet. Was das Institut mit titanischem Namen so macht, beschreibt die lobbykritische Plattform Lobbypedia: "Die 'Denkfabrik' will mit gezielten Kampagnen an einem gesellschaftlichen Wandel aus libertärer Sicht arbeiten." Diese richteten sich etwa gegen Werbebeschränkungen für Tabak oder Alkohol ("Lifestyle-Regulierungen eines Nanny-Staates") und gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ("Zwangsbeitrag? Nein danke") oder trommelten für umstrittene Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA.

Prometheus-Institut: unklare Finanzierung

Wie sich das Institut finanziert, bleibt derweil unklar. Obwohl sich Prometheus laut Lobbypedia 2024 der Initiative Transparente Zivilgesellschaft anschloss. Bekannt ist eine Zuwendung der US-Stiftung John Templeton Foundation sowie wiederholtes Sponsoring durch Japan Tobacco International. Nach eigenen Angaben ist Prometheus Partner im Atlas Network, das vom Hauptquartier im US-Staat Virginia aus über 500 neoliberale und libertäre Partner in mehr als 100 Ländern koordiniert. Deregulierung und Staatsferne in wirtschaftspolitischen Feldern sind das übergeordnete Ziel.

Ein Partner ist das Heartland-Institut mit Sitz in Chicago, das sich vor allem dem Abbau von Umwelt-, Gesundheits- und Klimaschutzvorschriften verschrieben hat. Heartland unterhält auch Kontakte zu hiesigen Klimawandelleugnern, die bis in die AfD reichen. Schäffler machte sich auf "X" über Spekulationen lustig, wonach auch Prometheus von Heartland gesponsert wird. Eine konkrete Nachfrage auf abgeordnetenwatch.de dazu ließ er unbeantwortet. Gesichert belegt ist dagegen, dass sich Schäffler 2014 selbst als Klimaskeptiker bezeichnete und noch 2023 infrage stellte, ob der Klimawandel menschengemacht sei.

Was Schäffler von Klimaaktivist:innen hält, zeigte sich spätestens, nachdem im Herbst 2022 Mitglieder der Letzten Generation (LG) Kartoffelbrei auf einen Monet in Potsdam geschüttet hatten. Schäffler nannte dies auf Twitter "Terrorismus gegen Kunst", obwohl das Meisterwerk hinter Glas die Aktion unbeschadet überstand. Wenig später verglich er die LG mit der Roten Armee Fraktion (RAF) und forderte Ermittlungen wegen organisierter Kriminalität. Die auch als Baader-Meinhoff-Bande bekannte Terrorgruppe hatte in den 1970er-Jahren mehr als 30 Menschen ermordet. Politiker wie der CSU-Fraktionsvorsitzende Alexander Dobrinth übernahmen Schäfflers Wording – und schürten damit eine Stimmung, in deren Folge es bei Straßenblockaden zu gewalttätigen Übergriffen gegen "Klimakleber" kam. "Extremistische Bestrebungen weiterhin nicht belegt", heißt es dagegen im Lagebericht des Bundeskriminalamts über die LG vom Oktober 2023.

Schäffler befeuert Wärmepumpen-Schmutzkampagne

Springers "Heiz-Hammer"-Kampagne, die Schäffler mehrfach zitierte, verunsicherte zudem die Bevölkerung. Die Folge: Während im Jahr 2023, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, noch mit 356.000 Geräten ein Verkaufsrekord erzielt wurde, brach der Absatz in diesem Jahr ein. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie schätzt, dass bis Jahresende nur rund 200.000 Wärmepumpen verkauft werden, 44 Prozent weniger als im Vorjahr. Das Ziel der Ampel von 500.000 Wärmepumpen pro Jahr erscheint unerreichbar. Die meisten neu installierten Heizungen laufen weiter mit den fossilen Brennstoffen Gas oder Öl.

Doch das "Heiz-Hammer"-Trommelfeuer ist nicht nur fürs Klima schlecht. Es traf auch die Hersteller von Wärmepumpen, die hunderte Millionen Euro in neue Produktionslinien gesteckt hatten. Mit Stellenabbau mussten sie sich vor Verlusten oder Insolvenz retten. So strich die Remscheider Vaillant-Gruppe rund 700 Jobs, etwa 300 davon in Deutschland. Bei Stiebel Eltron in Holzminden stehen 1.000 Stellen auf der Kippe.

Kein Wunder also, dass manchen Schäfflers Verdienstorden übel aufstößt. "Wie ist es möglich, dass Sie Frank Schäffler das Bundesverdienstkreuz überreichen?", fragt Katja M. Bundestagspräsidentin Bas auf abgeordnetenwatch.de. "Sie ehren einen Mann, der eifrig gegen Klimaschutz als von Hysterie geleitete Umerziehungsversuche agitiert und gezielt Desinformation verbreitet. Ich bin schockiert", kritisiert Ina W.. Bas antwortete zwar ausführlich, aber nur in einem Satz konkret: "Die endgültige Entscheidung trifft der Bundespräsident", also aktuell Frank-Walter Steinmeier (SPD).

An diesen wandte sich der Münchner Florian Hohenauer mit einer Petition, Schäffler den Orden wieder wegzunehmen. "Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Leider haben das längst nicht alle verstanden. (…) Schäffler ist einer der schlimmsten Klimafeinde der Republik", begründet der 47-jährige Kommunikationsberater die Petition, die bislang 3.000 Unterschriften bekam.

Auszeichnung nur schwer annullierbar

Kontext hat den Bundespräsidenten gefragt, wie es zur Verleihung des Verdienstordens an Schäffler gekommen ist. Und ob diese annullierbar ist. Demnach entspricht es jahrzehntelanger Ordenspraxis, in jeder Legislaturperiode einige aktive und ehemalige Parlamentarier auf Vorschlag der Fraktionen für herausragende politische und auch ehrenamtliche Verdienste mit dem Verdienstorden auszuzeichnen. "Der Abgeordnete Frank Schäffler wurde über die Präsidentin des Deutschen Bundestages von der FDP-Fraktion des Deutschen Bundestages insbesondere für sein seit 15 Jahren andauerndes Wirken im Deutschen Bundestag, sein langjähriges kommunal- und parteipolitisches Engagement in seiner Heimatregion und sein gesellschaftspolitisches Engagement im Lions-Club seiner Heimatstadt für die Auszeichnung vorgeschlagen", teilt Steinmeiers Sprecher mit. In der kommenden Legislatur will Steinmeier das Vorschlagsverfahren ändern: Dann sollen die Fraktionen ausschließlich ehemalige Abgeordnete für eine Auszeichnung vorschlagen dürfen.

264.364 Verdienstorden, auch für Klopp und Biden

Geht es allein nach der Zahl, dann leisten viele Menschen hierzulande Vorbildliches für das Gemeinwohl. Seit seiner Stiftung durch Bundespräsident Theodor Heuss 1951 wurde der Verdienstorden genau 264.364 Mal verliehen (Stand 8.11.2024). Damit entspricht die Ordensträgergemeinde etwa der Einwohnerzahl Mönchengladbachs. Zu diesem Kreis gehören überwiegend "normale" Mitbürgerinnen und Mitbürgern, aber neben Politiker:innen auch Prominente aus Sport und Showbizz. So wie der in Stuttgart geborene Fußballtrainer Jürgen Klopp, der jüngst auch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit dem Landesverdienstorden Baden-Württembergs geehrt wurde. Für "besondere Verdienste" bekam der scheidende US-Präsidenten Joseph R. Biden kürzlich die "Sonderform des Großkreuzes" umgehängt. Die höchste Ordensstufe ist Staatsoberhäuptern vorbehalten. Eine finanzielle Zuwendung ist mit der Verleihung nicht verbunden. Vereinzelt erhebt sich auch Kritik – zuletzt an der Ehrung von CDU-Altkanzlerin Angela Merkel, der Fehler in der Russland- und Flüchtlingspolitik vorgeworfen wurden.  (jl)

Ordensträgern kann nach dem Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen eine Auszeichnung auch entzogen werden. Wenn sich deren Verhalten der Auszeichnung unwürdig erweist, etwa durch Begehen einer schwerwiegenden Straftat. "In der Regel setzt die Einleitung eines Entziehungsverfahrens eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe voraus", so der Sprecher. Geschehen sei dies bislang in wenigen Einzelfällen. Namen verrät er keine: weil das Verfahren der Vertraulichkeit unterliegt.

Daneben nehme der Bundespräsident zu politischen Äußerungen von einzelnen Bundestagsabgeordneten, die sich im Rahmen der Werteordnung der Verfassung bewegen, keine Stellung. "Grundsätzlich gilt, dass mit der Auszeichnung keine Bewertung oder Unterstützung einzelner politischer Positionen der von ihren Fraktionen vorgeschlagenen Abgeordneten verbunden ist", lässt Steinmeier noch mitteilen.

Apropos: Neben Frank Schäffler wurden in der zu Ende gehenden 20. Legislaturperiode weitere 15 aktive und ehemalige Bundestagsabgeordnete ausgezeichnet. Darunter mit Bijan Djir-Sarai der Generalsekretär der FDP. Und Alexander Dobrindt, sogar mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse. Der designierte CSU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl genießt einen Ruf als Verbal-Rambo, wie er auch mit seinen Bemerkungen über die Letzte Generation bewies. Doch das ist eine weitere Geschichte.

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