Die größten Projekte im Oberrheingraben planen die 2015 gegründete und vor allem aus Dänemark finanzierte Deutsche Erdwärme und die seit 2018 bestehende deutsch-australische Aktiengesellschaft Vulcan Energy. Die Deutsche Erdwärme ist mit fünf Projekten in Nordbaden aktiv. Am weitesten fortgeschritten sind die Planungen in Graben-Neudorf. Bei der ersten Bohrung vor einigen Wochen wurden dort Temperaturen von über 200 Grad Celsius im Boden festgestellt. "Das ist zwar erfreulich, hat uns aber vor neue Herausforderungen gestellt", sagt der Sprecher von Deutsche Erdwärme Ron Zippelius. Die Ausrüstung für solche hohe Temperaturen sei knapp und müsste erst beschafft werden. Mit der zweiten Bohrung rechnet er daher erst im Sommer kommenden Jahres. Zwei Jahre später könnte dann in Graben-Neudorf die erste Geothermie-Anlage des Unternehmens in Betrieb gehen.
Weitere Probebohrungen der Deutschen Erdwärme gibt es in Dettenheim, Philippsburg, Waghäusel und Karlsruhe-Neureut. Rund 30 verschiedene Genehmigungen sind für ein Geothermieprojekt nötig. In Dettenheim wartet die deutsche Erdwärme auf die Zusage des zuständigen Bergamts für ihren Betriebsplan, der ausschlaggebend für die Erlaubnis zum Bohren in den Untergrund ist. Auch in Philippsburg sei ein passender Standort schon gefunden. Mit einer Inbetriebnahme rechnet die Deutsche Erdwärme an den beiden Orten bis 2028 bzw. 2029.
Angst vor Erdbeben
In Waghäusel zeigt sich dagegen ein stetes Konfliktfeld in der Geothermie. Anfang des Jahres entschied eine deutliche Mehrheit in einem Bürgerentscheid, dass die Stadt der Deutschen Erdwärme kein eigenes Grundstück für ein Geothermie-Projekt zur Verfügung stellen dürfe. Mit ihrem "Nein zur Tiefengeothermie" hatte sich eine Bürgerinitiative durchgesetzt, die vor einer erhöhten Gefahr von Erdbeben durch die Eingriffe in den Erdboden warnte. Trotzdem will die Deutsche Erdwärme an dem Projekt festhalten und sucht derzeit private Flächen. "Das Projekt verfolgen wir konsequent weiter, denn wie die Wärmeplanung der Stadt zeigt, wird eine Wärmewende vor Ort ohne Geothermie nicht machbar sein", sagt Zippelius. Ein anderer Betreiber ist 2016 in Brühl am Nein des Gemeinderats gescheitert und musste danach Insolvenz anmelden.
Regelmäßig sind die Projektbetreiber vor Ort mit Widerstand konfrontiert. Denn durch Tiefengeothermie-Projekte wurden in der Vergangenheit unter anderem in Landau, Vendenheim (Elsass) oder Basel tatsächlich Erdbeben ausgelöst, die Risse und andere Schäden an Häusern zur Folge hatten. "Der Ausgang einer Tiefengeothermiebohrung ist nicht kalkulierbar", sagt Hans Roser von der Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie im südlichen Oberrheingraben. Die große Unwägbarkeit liege in der Unberechenbarkeit des Untergrundes. "Natürlich hat jede Energieform Risiken. Aber keine ist so regional begrenzt und geht an die Substanz der Gebäude, die nach einem Schadensereignis massiv an Wert verlieren können", sagt Roser.
"Wir werden nicht alle überzeugen", sagt Herbert Pohl, Geschäftsführer der Deutschen Erdwärme zum Widerstand verschiedener Bürgerinitiativen. "Wir geben viele Informationen, um die zu bedienen, die wirklich einen Informationsbedarf haben." Die Projektbetreiber berufen sich auf 3D-Modelle sowie umfangreiche Kontroll- und Messsysteme, die neben einer in Deutschland umfangreichen behördlichen Prüfung Erdbeben nahezu ausschließen würden. Unterstützung erhalten sie dabei auch von den Umweltverbänden. "Uns wurde vor Ort vorgeführt, wie empfindlich dieses Monitoringsystem funktioniert", sagt Harry Block vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz). "Es können sehr kleine, nicht spürbare Erdbeben gemessen werden, weit bevor auf der Erdoberfläche irgendein Schaden entstehen kann." Es sollte also genügend Zeit bleiben, um die Bohrungen abzubrechen.
Für die Erdbeben in Landau und Vendenheim waren den Untersuchen zufolge ein zu hoher ausgeübter Druck verantwortlich. Zudem wurde im Elsass im Grundgebirge gebohrt, während im Oberrheingraben nur in den darüber liegenden, lockereren Schichten gebohrt werde, sagt Zippelius. Mit Live-Daten an die Behörden und strengeren Auflagen in Deutschland seien die eigenen Projekte nicht mit Vendenheim zu vergleichen. Dies gelte auch für den immer wieder bemühten Vergleich mit Staufen. Dabei handelte es sich um Geothermie in Oberflächennähe und nicht in der Tiefe. Durch unzureichende Rohre und unsachgemäße Bohrungen hob der entstehende Gips in Staufen den Erdboden an. "Das war der totale Mist und hätte nie genehmigt werden dürfen", sagt BUND-Mann Block.
Goldgräberstimmung rund um Lithium
Der rein technische Blick reiche daher nicht aus, meint Roser von der Bürgerinitiative, der der Technik nicht so recht traut. Auch der "Faktor Mensch" sei bei der Geothermie eine Gefahr. "Tiefengeothermieprojekte sind so teuer, dass man unbedingt Erfolg haben muss. Und so überschreitet man auch festgelegte Grenzen, zum Beispiel durch den Einsatz von größeren Drücken als erlaubt, um den Erfolg zu erzwingen." Die nötigen Investitionen für ein Geothermieprojekt sind sehr hoch. Die EnBW veranschlagt pro Projekt 50 Millionen Euro, bei der Deutschen Erdwärme sind die veranschlagten Kosten noch etwas höher und Vulcan Energy gibt seine Gesamtinvestitionen gar mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro an.
1 Kommentar verfügbar
goofy
am 09.01.2024Gemeint ist wohl die "Erdkruste", die von den Gegebenheiten her unterschiedlich eine Dicke von mehreren Kilometern aufweist. Der Erdmantel ist die darunter liegende Schicht, aus der bei Vulkanausbrüchen…